Rekordernte bei den Erdbeeren, Rekordernte bei den Kirschen: 2014 wird wohl als Obst-Superjahr in die Geschichtsbücher eingehen. Ein weiterer Rekord zeichnet sich bei den Zwetschgen ab. Der Schweizer Obstverband (SOV) rechnet mit 4'300 Tonnen. Das wären rund 15 Prozent mehr als im Spitzenjahr 2011. Im Moment läuft die Ernte auf Hochtouren, rund 1'900 Tonnen wurden bislang gepflückt (Stand 22. August).
Der Grund für die vielen Zwetschgen ist die vorteilhafte Witterung. Das Frühjahr war sonnig-warm, das Flugwetter damit optimal, so dass die Bienen für eine gute Befruchtung sorgen konnten. Dazu kam, dass es kaum Kälteeinbrüche gab, der Schädlingsdruck nirgends übermässig war und der viele Regen im Juli die Früchte kräftig wachsen liess. "Nach den durchschnittlichen Erträgen im 2013 und der mageren Ernte im Jahr 2012 waren viele Bäume heuer ausgeruht”, erklärt Hansruedi Wirz, Präsident des Produktzentrums Kirschen/Zwetschgen von SOV/Swisscofel.
Die Folge sei ein aussergewöhnlich grosser Zwetschgen-Behang gewesen. Die Produzenten hätten unüblich viel Zeit ins Ausdünnen der Früchte investieren müssen.
Nervosität steigt
Die vielen Zwetschgen freuen die Obstproduzenten aber nur bedingt. Denn die riesigen Mengen müssen auch verkauft werden – eine grosse Herausforderung. Die Obstbranche geht von einem Marktvolumen von rund 3'500 Tonnen Tafelzwetschgen aus. Bei erwarteten 4'300 Tonnen drohen somit Überschüsse von 800 Tonnen. Diese Ausgangslage hat für Nervosität unter Produzenten und Händlern gesorgt. Zumal die kürzlich zu Ende gegangene Kirschenernte gezeigt hat, wie schwierig es ist, eine Rekordernte vollständig zu vermarkten.
Dazu kam, dass die ersten grossen Zwetschgen-Mengen bereits Ende Juli auf den Markt kamen, die Nachfrage aber noch verhalten war wegen Ferien und der Konkurrenz durch andere Sommerfrüchte. "Die Handelsbetriebe befürchteten, auf den Zwetschgen sitzen zu bleiben”, erklärt Beat Gisin, Geschäftsführer des Früchteaufkäufers Landi Reba AG.
Er vergleicht die Situation mit dem Spiel "Reise nach Jerusalem”, bei dem zehn Leute um neun Sitzplätze wetteifern. Gesteigert wurde die Nervosität durch die Tatsache, dass die Zwetschgen wegen der nassen Witterung heuer weniger lang haltbar sind als normal.
Zwetschgen im Laden bis 25 Prozent billiger
Möglichst schnell verkaufen, hiess deshalb die Devise. Als Folge begann die Preisspirale nach unten zu drehen, denn die Obsthändler begannen, sich gegenseitig zu unterbieten. Resultat: "Die Marktpreise liegen derzeit 10 bis 20 Prozent unter den Richtpreisen”, so Gisin.
Was die Obstbauern ärgert, freut die Konsumenten: Diese können im Detailhandel derzeit Zwetschgen zu Preisen kaufen, die 20 bis 25 Prozent tiefer sind als normal. (Coop: 3.60 Fr./kg statt 4.50 Fr./kg; Migros: 3.30 Fr./kg statt 4.50 Fr./kg).
Produzenten müssen Abzug in Kauf nehmen
Im Moment hat sich der Markt etwas erholt, die Ernte der Frühsorten geht allmählich zu Ende. Doch die Entspannung ist nur von kurzer Dauer. Denn in diesen Tagen wird mit Pflücken der mittleren und späten Sorten begonnen, erwartet wird eine noch grössere Menge als bei den Frühsorten.
Damit der Markt nicht aus den Fugen gerät und die Produzentenpreise ganz zusammenbrechen, hat das Produktezentrum Kirschen/Zwetschgen von SOV/Swisscofel eine Massnahme beschlossen, die bei den Zwetschgen noch nie zur Anwendung kam: den sogenannten Rückbehalt. Jeder Produzent muss pro Kilo einen Abzug von 10 Rappen in Kauf nehmen. Damit wird ein Fonds gespiesen, mit dem überschüssige Zwetschgen vom Markt genommen werden sollen. "Wir wollen unbedingt vermeiden, dass wir mit grossen Lagerbeständen in die zweite Erntehälfte gehen", erklärt Obstproduzent Wirz.
Die überschüssigen Tafelfrüchte sollen verarbeitet werden – von Brennereien, von der Konservenindustrie oder von Dörrereien. Um bis zu 300 Tonnen soll der Markt bis Ende August entlastet werden. Wirz glaubt aber nicht, dass man dieses Kontingent ausschöpfen muss.
Mit dem Rückbehalt gehe es nicht darum, die Preise künstlich hochzuhalten, erklärt Früchtehändler Gisin. Vielmehr stehe die Qualität der Zwetschgen im Zentrum. Denn müsse man ständig einen Berg voll Zwetschgen in den Lagern vor sich herschieben, sei das schlecht für die Qualität der Früchte. Indem nun die überschüssigen Zwetschgen anderweitig verwertet würden, werde Platz frei für frische Zwetschgen.
Michael Wahl, lid