«Von der Fernsicht können wir nur träumen», sagt Karin Ramsauer an diesem sonnigen Frühlingstag. Hingegen sei fast alles Land, das sie rundum erblicke, ihr eigenes, erzählt die 39-Jährige und schaut zufrieden in die Ferne. Auf den sattgrünen Weiden grasen gegen 30 Milchkühe, eine ganze Menge Rinder und kleinere und grössere Kälber. Der Hof Landsau könnte in der grosszügigen Mulde liegend nicht idyllischer eingebettet sein. Drei schneeweisse Ziegen suchen meckernd die besten Kräuter am nahen Bord, fünf Hühner gackern andernorts um die Wette und Hund und Katzen verweilen sonst wo auf dem Hof. Im Stall verbleiben musste einzig Stier Ueli.
Nichts zu beklagen
Der Morgen ist ruhig, die vier Töchter sind in der Schule. Und Florian, der Jüngste, besucht den Kindergarten. Familienvater Werner Ramsauer kommt zum Kaffee in die Küche. Sein Schwiegervater werkelt noch am Traktor. «Uns geht es gut», sagt Karin Ramsauer. Wenn man fünf gesunde Kinder habe, den Alltag selber gut bewältigen könne
und auch mit dem Milchwirtschaftsbetrieb, der stetig mit verschiedenen Pachtverträgen auf 30 Hektaren vergrössert werden konnte, gut über die Runden komme, habe man doch nichts zu klagen.
Weil man die Milch der Appenzeller Dorfkäserei abgeben könne, sei man auch hier noch auf der etwas besseren Seite. Sie hätten auch keine anderen Möglichkeiten als die Milchwirtschaft, wirft sie ein. Und deshalb würden sie sich – vorläufig zumindest – auch nicht verändern. Karin Ramsauer ist als Älteste von vier Kindern auf dem Hof, der eineinhalb Kilometer ausserhalb des Dorfes liegt, aufgewachsen.
Im Sommer auf Passhöhe
Früh hat sie sich für die Landwirtschaft interessiert, rasch das Traktorfahren gelernt und nach einem bäuerlichen Haushaltslehrjahr und im Anschluss an die Bäuerinnenschule als Familienhelferin gearbeitet. Wenn Karin Ramsauer vom Berggasthaus auf dem Rotsteinpass erzählt, wo sie dreimal über die Sommermonate gearbeitet hat, leuchten ihre Augen. Auch wenn sie die Winter dann jeweils im Toggenburg wohnte und werkte, blieb in der Übergangszeit immer noch Zeit, zu Hause auf dem Hof mitzuhelfen. Nach der Heirat mit Werner Ramsauer, einem Landwirt aus der Nachbarschaft, und der Krankheit ihres Vaters war es damals nur logisch, dass sie zusammen mit ihrem Mann den elterlichen Betrieb übernahm. Die Eltern zogen ins Dorf, die Mutter wurde Mesmerin und der Vater hilft noch heute fast täglich auf dem Betrieb mit.
Vielseitig engagiert
Nachdem mit Marina vor 14 Jahren die erste Tochter zur Welt gekommen war und sich knapp zwei Jahre später die Zwillingsmädchen Claudia und Andrea dazugesellt hatten, sei die Hilfe von Mutter und Schwiegermutter wichtig gewesen, erzählt Karin Ramsauer. Mit der neunjährigen Sandra und dem fünfjährigen Nachzügler Florian ist die fünfköpfige Kinderschar heute komplett. «Es wäre schön, wenn eines später am Hof interessiert wäre. Doch vorerst lassen wir das alles noch auf uns
zukommen», sagt die Bäuerin.
Als die Kinder noch klein waren, habe sie mehrmals Jugendlichen einen Einblick in die Landwirtschaft ermöglicht und sich am Projekt Landdienst (Agriviva) beteiligt. «Eine gute Sache», sagt sie rückblickend. Im Vergleich zu früher sei das Leben mit fünf Kindern heute viel einfacher geworden. Alle seien sie selbständig und deshalb geniesse auch sie mehr Freiheiten.
Mit Respekt an die Arbeit
So habe sie das Amt als Präsidentin des Bäuerinnenvereins Ganterschwil vor acht Jahren auch gerne angenommen, obschon sie riesigen Respekt vor der Organisation der Festwirtschaft während und nach der Viehschau hatte. Das sei neben der Organisation verschiedener Kurse und Anlässe sowie im kommenden Jahr der regionalen Bäuerinnentagung der grösste Event, den es für den 62 Mitglieder starken Verein zu stemmen gelte. Sehr gefällt Karin Ramsauer, dass vermehrt junge Frauen, die nicht auf einem Bauernbetrieb leben, im Verein aktiv mittun. Ebenso schätzt sie ihre fünf Freundinnen aus der Schulzeit, die sie alle drei Monate trifft und mit welchen sie abgemacht hat, zum
45. Geburtstag für eine Woche nach New York zu reisen.
Den Kopf freimachen
«So sehr ich das Ländliche, die Kühe und mein Leben als Bäuerin liebe, so wichtig ist es für mich, auch über andere Themen sprechen zu können», erzählt Karin Ramsauer. Ob New York Wirklichkeit wird, daran mag sie im Moment noch nicht so richtig glauben: «Es geht ja auch noch ein paar Jährchen.»
Für Familienferien habe die Zeit
bislang noch nie gereicht. Doch Tagesausflüge auf den Säntis, zu den Rindern, die den Sommer auf verschiedenen Alpen verbringen, oder ein Skitag im Toggenburg lägen schon drin, erzählt sie. Auch wenn man für das Melken wieder daheim sein muss – 365 Mal im Jahr.
Seit jeher fleissig unterwegs
Natürliche müsse man mit Kindern und Hof die eigenen Bedürfnisse zurückstecken. Doch jammern oder sich sogar beklagen mag die Fünffachmutter nicht. Sie habe bereits als Kind gelernt, nicht so hohe Ansprüche zu stellen, und Arbeit habe stets zu ihrem Leben gehört. Und heute auf dem Hof sei sie als Arbeitskraft auch nötig.
Doch die vielen Freiheiten, die sich auf ihrem Betrieb auch böten, die Nähe zur Natur und zu den Tieren sowie der Mix, den sie nun mit fünf Kindern, dem Bäuerinnenverein, dem Turnverein und den guten Beziehungen zu ihren Kolleginnen habe, seien für sie viel mehr wert als jährliche Badeferien am Strand, welche sie wahrscheinlich nur langweilen würden.
Ruth Bossert