Wasterkingen liegt im Rafzerfeld im Zürcher Unterland. Will man Ariane und Urs Spühler besuchen, gehts vom kleinen Dorf an der deutschen Grenze über einen engen Feldweg in ein paar Haarnadelkurven hinauf zum Wald. Ein Fahrverbot, die letzte Kurve und schon biegt man auf den Hofplatz ein, wo ein kleiner Appenzeller Besucher mit lautem Gebell empfängt.
Vor bald zehn Jahren hat Ariane ihren Urs geheiratet. Sie ist in der Stadt Zürich aufgewachsen. «Ich wusste um die Abgelegenheit des Hofs; Urs war es ein Anliegen, dass ich weiss, worauf ich mich einlasse. Unterdessen fühle ich mich als richtiges ‹Landei› und bekomme einen Kulturschock, wenn ich mit den Kindern in die Stadt muss.»
Ariane Spühler hat nach ihrer Schulzeit eine Lehre als Siebdruckerin gemacht. Danach plante sie, für eine Wintersaison in einer kleinen Pension in Brigels zu arbeiten. «Daraus wurden dann zwei Jahre Lebensschule im rätoromanischen Sprachgebiet. Zuerst fühlte ich mich ausgegrenzt, fremd, dann habe ich immer mehr verstanden, lernte mich auf Romanisch auszudrücken.»
Gute Erinnerungen an die Bäuerinnenschule
Ein paar Jahre lebte und arbeitete Ariane Spühler dann im Zürcher Unterland. Dort lernte sie auf einer privaten Feier ihren Bauern Urs kennen. Langsam machte sie auch Bekanntschaft mit der Landwirtschaft, und als feststand, dass sie beide ein Paar werden wollten, entschloss sie sich, den berufsbegleitenden Bäuerinnenkurs zu besuchen. «
Die angebotenen Module haben mich sehr interessiert, und ich habe viel gelernt. Spannend war auch die Zusammensetzung unserer Klasse, Bäuerinnen und ‹Aussteigerinnen› – zwischen 25 und 55 Jahren alt. Schade fand ich, dass einige aufgehört haben, einzelnen ging es wohl weniger um das Wissen als um die persönliche Selbsterfahrung. Mir hat es viel gebracht, und ich treffe mich mit ein paar meiner Mitschülerinnen regelmässig.»
Bevor Ariane und Urs Spühler geheiratet haben, wurde mit viel Eigenleistung das Obergeschoss des Wohnhauses umgebaut. Weil ihr Schwiegervater früh gestorben war, hatte ihr Mann damals den Betrieb bereits in Pacht. In jener Zeit wurde der Betrieb von Milchkühen auf Mutterkühe umgestellt. «Der Stall war klein und nicht tierschutzkonform. Neben der Fleischproduktion arbeitet mein Mann etwa 30 Prozent für die Gemeinde, er macht Maschinenarbeiten für andere Bauern und vor allem im Winter bewirtschaftet er den eigenen Wald», ergänzt sie.
Viel Engagement in Vereinen
Vor bald fünf Jahren kündigte sich endlich Nachwuchs an. Davor habe sie in verschiedenen Vereine aktiv mitgearbeitet. «Ich konnte einfach nicht Nein sagen», meint sie lachend. Im Vogel- und Naturschutzverein Rafzerfeld hat sie mit einer Kollegin Jugendnaturtage organisiert. Sie singt in der Trachtengruppe, «ich bin zwar weitaus die Jüngste, aber das Singen bringt mir viel und die älteren Kolleginnen wissen so viel Spannendes zu erzählen.» In der Frauenriege des Nachbardorfs macht sie mit und natürlich bei den Landfrauen. Dort ist sie Aktuarin im Bezirksvorstand.
Die Familie steht an erster Stelle
Aber bei aller Vereinsarbeit: Die Kinder, die Familie und der Betrieb sind ihr im Moment das Wichtigste. «Wir haben uns sehr gefreut auf unser erstes Kind. Es war und ist ein Wunschkind. Unsere Freude wurde auch nicht geschmälert, als klar war, dass Mathias eine doppelte Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hat. Wir wurden medizinisch und psychologisch sehr gut betreut im Spital und die ganze Zeit danach. Eine spezialisierte und überaus kompetente Professorin begleitet uns. Unser Sohn hat verschiedene Operationen im Kinderspital gut überstanden, wer es nicht weiss, sieht die Narben seiner Geburtsbehinderung gar nicht mehr.»
Ariane Spühler erinnert sich an unterschiedliche Begegnungen, als sie mit ihrem kleinen Buben zum ersten Mal zum Einkauf ins Dorf ging. Für einige war das wohl ein Schock, mit vielen verschiedenen Leuten hätten sich aber positive Kontakte ergeben, so mit einer Frau aus dem Nachbardorf, deren Kind ebenfalls eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hat. «Aus diesem Kontakt ist unterdessen eine schöne Freundschaft geworden.»
Unterdessen hat Mathias mit Anika eine kleine Schwester bekommen, und nun freut sich die ganze Familie auf den zusätzlichen Platz, den der eben bewilligte Umbau des obersten Stock bringen soll.
Margreth Rinderknecht