Frischkäse – in den Varianten Nature, Pfeffer und Kräuter - sowie ein Halbhartkäse: Das sind die beliebtesten Ziegenmilch-Produkte im Emmi-Sortiment. Im November lanciert der Luzerner Milchverarbeiter einen Ziegenfrischkäse mit Trüffel, im nächsten Jahr will er einen gereiften Frischkäse auf den Markt bringen. Emmi ist der grösste Ziegenmilch-Verarbeiter der Schweiz, verkauft werden die Produkte unter dem Markennamen "Le Petit Chevrier".
"Wir konnten in den vergangenen Jahren den Absatz in diesem Bereich stetig entwickeln", sagt Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker. In Zahlen ausgedrückt: Verarbeitete Emmi 2011 gerade mal 0,8 Mio kg Ziegenmilch, waren es 2016 bereits 2,4 Mio kg – Tendenz weiter steigend. Der Milchverarbeiter rechnet mit einem Wachstum von jährlich rund 10 Prozent.
Die Bauern haben aufgrund der steigenden Nachfrage die Produktion in den letzten Jahren ausgedehnt. 2016 haben sie rund 22'000 Tonnen gemolken – ein Drittel mehr als im Jahr 2000. Der Milchziegenbestand wuchs im gleichen Zeitraum um rund 5'300 auf letztjährig knapp 35'000 Tiere.
Der Trend hat laut Umiker eine "Gourmet-Komponente". "Immer mehr Käse-Fans reichern ihre Käse-Platte mit Ziegenkäse an." Zudem könne Ziegenmilch eine Alternative zu Kuhmilch sein. "Verschiedene Eigenschaften der Ziegenmilch führen dazu, dass sie teilweise besser verträglich ist", so Umiker.
Fehlender Absatzkanal für Gitzi
Damit die Milch fliesst, müssen Ziegen regelmässig Zicklein gebären. Oft sind es gleich zwei oder gar drei, die pro Geburt auf die Welt kommen. Und damit fängt für die Ziegenhalter das Problem an. Denn anders als Ziegenmilch wird Ziegenfleisch nur sehr wenig konsumiert. Auf gerade mal 70 Gramm belief sich der Pro-Kopf-Konsum im letzten Jahr. Zum Vergleich: Beim Schaf sind es 1,23 kg, gesamthaft werden 51 kg Fleisch pro Kopf und Jahr gegessen.
Der Konsum von Ziegenfleisch ist zudem saisonal sehr unterschiedlich. Traditionell landet es vor allem an Ostern auf den Tellern. Es handelt sich dabei um Gitzi-Fleisch, also um Fleisch von sechs bis acht Wochen jungen Tieren. Das restliche Jahr über ist die Nachfrage nach Gitzi gering. Das stellt Ziegenhalter vor Probleme. Denn Gitzi werden das ganze Jahr hindurch geboren und nicht nur im Frühling, da Verarbeiter und Konsumenten ganzjährig nach Ziegenmilch verlangen.
"Nach Ostern kann man als Ziegenhalter froh sein, wenn man überhaupt einen Abnehmer findet", sagt Stefan Geissmann, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Ziegenzuchtverbands. Einen etablierten Absatzkanal wie beim Rindvieh oder Geflügel existiere nicht. Die Bauern könnten deshalb nicht einfach ihre Gitzi abliefern, stattdessen müssten sie sich weitgehend selbst um die Vermarktung kümmern. Das fordere von den Produzenten viel Eigeninitiative, erklärt Geissmann. Für kleinere Betriebe sei das einfacher als für grosse Betriebe mit bis zu 200 Ziegen.
Für Kopfschütteln sorgt bei den Ziegenhaltern die Tatsache, dass Händler und Metzger trotz reichlich vorhandenem Inlandangebot Ziegenfleisch importieren. Im letzten Jahr waren es 235 Tonnen, rund 40 Prozent des Ziegenfleisches, das in der Schweiz vermarktet wurde.
Lösungen gesucht
"Für die Ziegenhalter ist es wichtig, dass sie ihre Gitzi das ganze Jahr über absetzen können", gibt Geissmann zu bedenken. Und zwar zu einem angemessenen Preis. Heute zahlen die Abnehmer vor Ostern rund 100 Franken für ein Gitzi – ein Preis, der knapp die Aufzuchtkosten deckt. Anders sieht es nach Ostern aus: Dann erhalten die Bauern lediglich ca. 50 Franken pro Tier. Ein Verlustgeschäft.
Sollte die Nachfrage nach Ziegenmilch und damit die Anzahl Gitzi weiter zunehmen, brauche es dringend Ideen für den Absatz der Tiere, mahnt Geissmann. Immerhin habe man das Problem erkannt: "Mittlerweile wird branchenintern darüber geredet", so der Ziegenexperte. Um den Konsum anzukurbeln, seien die Produzenten auf die Metzger und den Detailhandel angewiesen. Es brauche innovative Produkte, man müsse neue Wege beschritten, um den Konsumenten Gitzifleisch schmackhaft zu machen.
"Warum nicht einmal statt eines Rehpfeffers ein Gitzipfeffer anbieten oder eine Gitziwoche veranstalten", fragt sich Geissmann. Er weiss, dass sich Konsumgewohnheiten nur langsam ändern. "Wir müssen in der Kommunikation mehr machen." Geissmann erinnert daran, dass bei den Schafen vor einigen Jahren das Label "Alplamm" ins Leben gerufen wurde – mit Erfolg.
Um den Absatz von Gitzifleisch zu fördern, hat der Schweizerische Ziegenzuchtverband die "Gitzitage" ins Leben gerufen. Vom 10. bis 24. September setzen verschiedene Restaurants in den Kantonen Aargau, Bern, Uri und Zürich Gitzifleisch auf die Speisekarte.
Gitzifleisch kommt an
Der Landgasthof Hirsernbad in Ursenbach BE ist eines der Restaurants, das an den Promotionswochen mitmacht. "Wir probieren immer wieder mal etwas Neues aus", sagt Roger Duss. Der Wirt hat verschiedene Menüs kreiert. Nebst einem Gitzivoressen an Safransauce stehen ein glasierter Gitzibraten nach Grossmutter Art, ein gebratenes Rückenfilet sowie ein Gitzi-Hamburger auf der Speisekarte. Das Fleisch liefert ein Metzger aus der Region, der die Tiere von einem lokalen Ziegenhalter bezieht. Gitzifleisch sei zart und fein, schwärmt Duss. Er hat bereits im Vorjahr an den Gitzitagen mitgemacht. "Beim ersten Mal war ich erstaunt, wie gut die Nachfrage war", sagt Duss.
Michael Wahl, LID