Ein typisches Berner Oberländer Dorf mit wunderbarem Blick auf den Brienzersee, so präsentiert sich Hofstetten. Linkerhand begrüsst uns ein sorgfältig geschichteter Bretterstapel. Rechts gehts direkt in die Werkstatt von Hans Fuchs. Der freistehende Bau aus den Fünfzigerjahren ist nur wenige Schritte vom Wohnhaus entfernt. Dieses wirkt ein wenig verwaist. Denn der Lebensmittelpunkt von Hans Fuchs und seiner Frau Elsi ist dort, wo gearbeitet wird. Hier riechts nach Holz und frischem Kaffee.

Tilsiter Switzerland als treuer Kunde
Die Holzschnitzerei hat im Berner Oberland eine grosse Tradition, die auch von Hans und Elsi Fuchs mit viel Herzblut gepflegt wird. Vor gut 60 Jahren begann Hans Fuchs, Tierfiguren zu schnitzen. Vorher hatte er sein Können an der Schule für Holzbildhauerei in Brienz erweitert und perfektioniert. «Um 1960 herum kam das Geschäft in Fahrt», erzählt der 87jährige.

«Unsere Tierfiguren fanden Anklang, und so besuchten uns zunehmend auch Auftraggeber, die grössere Serien bestellten.» Schon bald war die Familie Fuchs so gut ausgelastet, dass die Arbeitstage von morgens 8 Uhr bis nachts um 10 Uhr dauerten. Auch am Samstag wurde gearbeitet. Die vier Kinder halfen mit.

Dieser dichte, selbstbestimmte Arbeitsrhythmus trägt Früchte. Obwohl es Hans und Elsi Fuchs heute nicht mehr so «gäch» nehmen, sind sie immer noch an jedem Arbeitstag in der Werkstatt und wickeln ihre Aufträge mit einer bewundernswerten Eleganz ab, so zum Beispiel auch für die Sortenorganisation Tilsiter Switzerland, die bei der Familie Fuchs schon seit Jahren die rot und grün gefleckten Tilsiter-Holzkühe bestellt.

Aus währschafter Berner Föhre
Bis die Tilsiter-Kuh im Regal oder Spielzeug-Stall steht, gibt es einiges zu tun. Beim Holz fängt es an: Hans Fuchs kauft es selber ein – Föhre aus dem Bernbiet – und lässt die Baumstämme zu rund sechs Zentimeter dicken Brettern sägen. Diese schneidet er mit der Fräse auf gut einen Meter Länge und 20 Zentimeter Breite zu. Elsi Fuchs zeichnet die Tierformen auf die Bretter. Für Grossaufträge, wie zum Beispiel für die Tilsiter Kuh, liess sie Stempel anfertigen. Unter bester Ausnützung des Materials stempelt sie Tilsiter-Kuhformen auf die Bretter.

91-Jähriger Kleinschreiner
Die vorgezeichneten oder gestempelten Bretter werden dem 91jährigen Albert Mäder geliefert, einem gelernten Kleinschreiner aus dem Dorf, der seit seiner Pensionierung auf der Bandsäge die Rohlinge zuschneidet. Verschmitzt lächelnd bittet er den Besuch in die Werkstatt.

Ohne Umschweife legt er das Brett auf den Sägetisch und führt es mit ruhiger Hand durch die leise schnurrende Bandsäge, bis Rohling um Rohling in den bereitgestellten Korb purzeln. Dank ihrer Dicke lassen sie sich durch einen Längsschnitt gleich verdoppeln. Ein gewisses Mass an industrieller Effizienz gibts eben auch beim Handwerk.

Zurück zur Familie Fuchs
In grossen Kisten kehren die Rohlinge in die Werkstatt der Familie Fuchs zurück. Mit Klöppel und Schnitzmesser haucht Hans Fuchs den vorgesägten Formen Leben ein. Für die Feinarbeit mit dem Schnitzmesser zieht er sich auf den durchgesessenen Stuhl in den Ausrüstraum zurück, bis er die exakt geformte Kuh seiner Frau Elsi auf den Tisch stellen kann.

Es folgen Ohren und Flecken
Nun folgt der Part von Elsi Fuchs als Ausrüsterin. Zwar hat schon eine rohe Holzkuh ihren Reiz, aber so richtig schön wird sie erst mit Hörnern, Ohren, Flecken, Halsband und Glöckli.

Zunächst bohrt Elsi Fuchs links und rechts je zwei kleine Löcher in den Kopf. Dann wird die ganze Form an der Bandschleifmaschine gründlich geschliffen. Mit etwas Leim werden die
Ohren und die Hörner in die vorgebohrten Löcher gesteckt.

Nun kommen die roten und grünen Flecken an die Reihe. Als Daniel Ammann, der Fotograf, die Kamera ansetzen will, steht die Kuh schon fertig auf dem Tisch. «Nochmals in Zeitlupe», bittet er. Gesagt, getan. Aber alles geschieht immer noch viel zu flink. Jeder Fleck sitzt beim
ersten Pinselschwung, in der richtigen Form und randscharf.

Virtuoses «Glockenspiel»
Sobald die Farbe getrocknet ist, folgt die Kür, die niemand so gut beherrscht wie Elsi Fuchs. Das Befestigen der Kuhglocke ist ein Höhepunkt handwerklicher Akrobatik: schwarzes Klebband um den Hals legen und abtrennen, Kehle anritzen, Messingglöcklein einstecken, Nägelchen seitlich durch das Klebband drücken, so, dass es das Holz und die Glockenöse durchstösst und auf der anderen Seite im Holz stecken bleibt. Schliesslich soll die Nagelspitze nicht wieder zum Vorschein kommen.

Auch hinter den Kuhohren steckt viel Erfahrung. «Damit sie schön aussehen, haben wir am Anfang vieles ausprobiert und immer wieder verbessert», erzählt Elsi Fuchs. Um das Ohrleder ohne «Verwursteln» stanzen zu können, wird es vorher auf der ganzen Oberfläche mit Leim bestrichen und getrocknet.

Und die Hörner? «Die sind aus Bodenbelagsmaterial», verrät Elsi Fuchs. Auch dieses wird mit speziell hergestellten Messern gestanzt. Zu Hunderten liegen händisch vorgestanzte Ohren und Hörner in Holzkistchen – bereit für weitere Einsätze.

Von Hofstetten nach Weinfelden
Wenige Gehminuten von der Werkstatt liegt die Post. Von hier gelangen die beliebten Tilsiter-Kühe in Transportkisten nach Weinfelden, wo die Sortenorganisation Tilsiter Switzerland ihren Sitz hat.

«Diese Kühe sind unser Wahrzeichen – und mehr denn je ein Renner», betont Claudia Moya, die sich für die Kommunikation, die Degustationen, Messen und Wettbewerbe verantwortlich zeichnet. Und sie schwärmt: «Ob als Geschenk oder Preis – eine Tilsiter-Kuh kommt immer gut an.»

Thomas Widmer