Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling, schade für die Tränen in der Nacht ... ». Die Älteren unter uns mögen sich an diesen Schlagerhit aus den 60er-Jahren erinnern. «... weil schon morgen dein Herz darüber lacht» sang Siw Malmkvist 1964. Aber ist es wirklich so einfach? Ist Liebeskummer etwas, was über Nacht einfach so schnell verschwinden kann?
Jeder macht es einmal durch
Fast alle Menschen erleiden irgendwann einmal in ihrem Leben Liebeskummer. Gemäss Wikipedia ist Liebeskummer «das Syndrom zurückgewiesener oder unerfüllter Liebe und umfasst sowohl körperliche als auch geistige Symptome.»
Liebeskummer entsteht am häufigsten durch den Verlust oder die Trennung von Menschen, die für uns wichtig sind, die wir lieben oder geliebt haben. Oder auch die Sehnsucht nach einem Menschen, den wir lieben, der dies aber nicht erwidert.
Die Glückshormone werden weniger
Die Reaktion auf den Verlust dieser Liebe oder auf die unerfüllte Sehnsucht ist je nach Person sehr verschieden. Sie kann leichte Formen aufweisen, die relativ schnell vorübergehen, sie kann aber auch in einer schweren Depression oder sogar im Selbstmord enden. Studien haben gezeigt, dass fast die Hälfte aller Sitzengelassenen in der Anfangsphase am liebsten sterben möchten.
Bei Liebeskummer handle es sich um eine extreme Stresssituation für den Körper, sagt die
Anthropologin Helen Fisher. «Stressbedingt können unzäh
lige Erkrankungen auftreten,
beispielsweise wird die Immunfunktion des Körpers herab
gesetzt.» Sie hat bei an Liebeskummer erkrankten Menschen vor allem zwei starke Gefühle gesehen: Wut und Verzweiflung.
Nachweisbar ist der Rückgang des Glückshormons Serotonin im Gehirn. Die neuronalen
Muster im Gehirn sind bei sozialer Zurückweisung ähnlich wie diejenigen bei körperlichen Schmerzen nach Verletzungen.
Keine Sache des Verstandes
Typische Symptome von Liebeskummer sind psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Kreislauf- oder Konzentrationsprobleme, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit oder Esssucht. Die Folge davon sind oft Probleme in der Schule oder am Arbeitsplatz. Durch den Verlust des Interesses an anderen Menschen und/oder aggressivem oder neurotischem Verhalten kommt eine soziale Isolation dazu. Häufig kommt es auch zu einem stärkeren Konsum von Drogen wie etwa Alkohol oder Nikotin.
In der Regel durchläuft man bei Liebeskummer vier Phasen: Das Nicht-wahrhaben-Wollen; das Aufbrechen von Gefühlen; die Neuorientierung; das Erarbeiten eines neuen Lebenskonzepts.
Wenn wir hören müssen, dass unser Partner, unsere Partnerin plötzlich keine Gefühle mehr für uns hat, ist dies unglaublich schwer zu verstehen und zu verkraften. Vor allem auch, wenn die Mitteilung aus heiterem Himmel zu kommen scheint. Vielleicht können wir allmählich verstehen, was passiert ist und weshalb die Beziehung nicht mehr weitergeführt werden kann. Dies akzeptieren zu können ist keine Sache des Verstandes, sondern es muss in unserem Inneren geschehen.
Immer wieder davon erzählen
Das geht nicht von heute auf morgen und braucht wie bei einem Todesfall Trauerarbeit. Nur wer den Schicksalsschlag akzeptieren kann, wer einsieht, dass alles auf dieser Welt vergänglich ist, wird offen für Neues, und auch für eine allfällige neue Partnerschaft.
Die Zeit alleine heilt keine Wunden, und verdrängen nützt nichts. Es ist wichtig, durch alle Gefühle hindurch zu gehen, durch Schmerz, Wut, Verzweiflung – nur so werden sie allmählich weniger. Wer allerdings Selbstmordgedanken hat, den Alltagspflichten nicht mehr nachkommen kann, sich auch körperlich vernachlässigt und zu Tabletten oder Alkohol greift, sollte Hilfe bei Fachpersonen suchen.
Gut ist es, Freundinnen und Freunde zu haben, die zuhören können. Immer wieder von seiner Verzweiflung erzählen zu können hilft zu verarbeiten. Es tut gut zu spüren, dass einen nicht die ganze Welt verlassen hat. Oft hilft es auch, sich den Schmerz von der Seele zu schreiben, sei das im guten alten Tagebuch, in Briefen oder E-Mails an eine vertraute Person.
Sich etwas gönnen
Wichtig ist es auch, sich selber etwas zuliebe zu tun. Ein gutes Essen mit Freunden, ein Einkaufsbummel, eine neue Frisur, ein Ausflug in die Berge, ein paar Tage Wellness.
Frauen scheinen nach ersten Untersuchungen viel stärker an Liebeskummer zu leiden als Männer. Menschen, die zu besitzergreifender Liebe neigen, haben häufiger Liebeskummer, ebenso schüchterne Menschen oder solche mit einem geringen Selbstwertgefühl.
Erinnerungsstücke auf den Estrich
«Verliebte sind wie Drogensüchtige», sagt die Anthropologin Helen Fisher. In ihren Gehirnen würden die gleichen Aktivitätsmuster auftreten. Deshalb helfen die gleichen Schritte, die Süchtigen helfen, auch den Liebeskummer zu überwinden. Alle Verbindungen zum früheren Partner müssen abgebrochen werden.
Am besten ist es, eine Kiste zu packen und alle Andenken, Fotos, Briefe oder Kleidungsstücke, die an den Ex-Partner erinnern, hineinzupacken und die Kiste dann zuhinterst im Estrich zu verstauen. SMS und Mails zu
löschen sollte man auch nicht vergessen.
Erst wenn man sich auch materiell vom Ex-Partner befreit hat, kann man wieder nach vorne schauen. Und innerlich gestärkt beginnen, sein Leben neu zu gestalten.
Renate Bigler-Nägeli