MARGRET AMBÜHL, DAVOS-GLARIS GR: Ich bin masslos enttäuscht über den Schweizer Bauernverband, dass er die Initiative gegen Masseneinwanderung ablehnt. Was ist Ihnen wichtiger, einzustehen für das Volk und den Bauernstand oder lieb Kind sein in Bern?
MARKUS RITTER: Der Vorstand des SBV hat seine Parole auf der Empfehlung der zuständigen Fachkommission aufgebaut. Der Entscheid in der Fachkommission fiel mit 10 zu 0 Stimmen sehr deutlich aus. Der SBV ist den Interessen der Bauernfamilien verpflichtet. Die Verfügbarkeit von Mitarbeitern aus der EU hat für viele Betriebe mit Spezialkulturen eine hohe Bedeutung. Zudem sind die bilateralen Verträge für den Erfolg der gesamten Volkswirtschaft ein zentraler Pfeiler. Dieser Erfolg sichert stabile Bundesfinanzen und damit auch unsere Direktzahlungen.
HEINZ KNECHT, DUSSNANG TG: Nun hat auch der Verband Thurgauer Landwirtschaft die Ja-Parole zur Masseneinwanderungsinitiative beschlossen – offenbar kann der SBV seine Kantonalverbände nicht auf seine Linie bringen? Was ist falsch gelaufen?
RITTER: Wir haben festgestellt, dass es verschiedene Argumente gibt im Bereich der Zuwanderung. Einerseits die einfache, kostengünstige Verfügbarkeit von Arbeitskräften, andererseits der Schutz des Kulturlandes. Einige Kantonalverbände haben eine andere Gewichtung dieser Argumente vorgenommen als der SBV. Wir müssen die Information für eine Parolenfassung möglichst breiten Kreisen zur Verfügung stellen. Wir prüfen zurzeit, ob wir wirtschaftlich relevante Vorlagen vermehrt der Landwirtschaftskammer zur Parolenfassung vorlegen, um sie damit breiter abzustützen. Das ist eine Erkenntnis aus dem aktuellen Abstimmungskampf.
ALEX BÜRGE, MÜHLRÜTI SG: Wo liegen die Schwerpunkte der Arbeit des SBV im laufenden Jahr?
RITTER: Für die Bauernfamilien sicher stark wahrnehmbar wird die Initiative für Ernährungssicherheit sein, die wir am 11. Februar starten. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Konkretisierung der Agrarpolitik 2018ff. Dafür haben wir die Strategie bereits entworfen. Dann wird im nächsten Jahr die Vernehmlassung zur zweiten Etappe der Raumplanungsgesetzrevision kommen. Diese wird uns stark beschäftigen. Bei der Umsetzung des Ge
wässerschutzgesetzes wollen wir noch einmal mit aller
Deutlichkeit die Interessen der Landwirtschaft vertreten. Als weiteren Punkt möchte ich das Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe ansprechen, das viele sympathische Kontakte mit den Konsumenten ermöglichen wird.
Meine zweite Frage: Wie begleitet der SBV die Umsetzung der Agrarpolitik 2014–17?
RITTER: Wir haben die Mitgliedsorganisationen gebeten, uns Rückmeldungen zu geben, was bei der Umsetzung nicht gut läuft, wo es allenfalls Verbesserungspotenzial gibt. Diese Punkte wollen wir dieses Jahr mit dem Bundesamt für Landwirtschaft besprechen und sehen, ob es im Bereich der Verordnungen Nachjustierungen braucht.
RUTH WOODTLI, GAMPELEN BE: Könnte sich der SBV nicht dafür einsetzen, dass bei den Direktzahlungen innerhalb dieser jeweils vier Jahre einer AP die Beitragshöhen nicht variieren, sondern dass sie stabil bleiben (ausgenommen Übergangsbeiträge)? So wäre es für die Bauern einfacher, die Berechnungen zu erstellen und eine gewisse Planungssicherheit zu haben.
RITTER: Diese Forderung ist sehr berechtigt. Wir sind überzeugt, dass es für die Bauernfamilien wichtig ist, im Bereich der Direktzahlungen eine gewisse Sicherheit zu haben. Wir haben dieses Anliegen im zweiten Absatz des Initiativtextes mit der Rechtssicherheit und der angemessenen Investitionssicherheit formuliert. Wir werden unsere Aktivitäten in diesem Bereich entsprechend gestalten.
ANDRÉ WALLIMANN, ALPNACH OW: Viel wird davon berichtet, doch wirklich ernst scheint es bisher niemandem zu sein, etwas gegen den Kulturlandverlust zu tun. Auch wird immer nur von den Fruchtfolgeflächen gesprochen. Mein Vorschlag, wie ein einfacher Gesetzestext in unserer Verfassung lauten könnte: «Es darf nur soviel Kulturland verbaut werden, wie anderswo in der Schweiz gleichwertiges Kulturland bereitgestellt wird». Das Kulturland würde dem Wald gleichgestellt. Wie erklären wir der Bevölkerung, dass der Schutz des fruchtbaren Bodens, und nicht nur die FFF, als Grundlage allen Lebens geschützt werden soll?
RITTER: Der Schutz des Kulturlandes hat für den SBV eine sehr hohe Bedeutung. Der Schlüssel für einen wirklich erfolgreichen Schutz liegt im Raumplanungsgesetz. Wir sind überzeugt, dass es im Raumplanungsgesetz zusätzliche Massnahmen braucht. So sollten Industriebrachen wieder genutzt werden. Einstöckige Industriebauten und grossflächige oberirdische Parkplätze verbrauchen zu viel Kulturland. Wir möchten eine minimale Dichte, aber auch Qualität bei Wohnbauten. Wir glauben, dass auch hier unsere Initiative einen wichtigen Akzent setzen kann.
Zum gemachten Vorschlag: Der Wald geniesst einen absoluten Schutz, die Waldfläche kann nicht reduziert werden. Es wäre schön, wenn wir für das Kulturland einen ähnlich hohen Schutz hätten, nur wird das politisch kaum durchsetzbar sein, weil die Siedlungsfläche so praktisch eingefroren würde. Wir können ein gewisses Wirtschaftswachstum nicht gänzlich verhindern, das würde von der übrigen Bevölkerung nicht verstanden. Wir müssen aber im Umgang mit Kulturland umdenken und in der Raumplanung die notwendigen Instrumente schaffen.
SELINE HEIM-KELLER, GOSSAU SG: Das Gewässerschutzgesetz ist ja nicht nur in bäuerlichen Kreisen stark umstritten. Wie ist der aktuelle politische Stand in den Diskussionen, und wie sehen Sie das weitere Vorgehen als Nationalrat wie auch als Bauernpräsident?
RITTER: Zurzeit liegen die Merkblätter zu den Detailfragen ausserhalb des Baugebiets immer noch zur Beratung in der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz und in der Baudirektorenkonferenz. Hier wurde noch keine Einigkeit erzielt. Auch eine Besprechung mit der Departementsvorsteherin letzten Dezember ist ohne Ergebnis verlaufen. Daher ist jetzt der Ständerat wieder am Zug. Die Motion Urek-N, die Nachbesserungen verlangt, ist im Ständerat hängig und befindet sich in der zuständigen Kommission. Wir warten jetzt darauf, was diese Kommission entscheidet und wie die hängigen Standesini-
tiativen weiterbearbeitet werden. Es ist sehr wichtig, dass wir hier am Ball bleiben.
Es geht um 20 00 a landwirtschaftliches Kulturland, das zusätzlich
extensiviert werden soll.
Zweite Frage: Wo liegen die Gefahren in der Umsetzung und wo sind allfällige Chancen für ein solches Gesetz?
RITTER: Es werden zusätzliche 2000 ha für die Renaturierung von Gewässern benötigt und 20 00 ha für die zusätzliche Extensivierung entlang der Gewässer. Die grosse Gefahr ist, dass wir sehr viel gutes Kulturland extensivieren müssen und dass die Bewirtschaftung erschwert wird. Das wollen wir nicht. Chancen aus diesem Gesetz für die Landwirtschaft sehe ich keine.
BARBARA DÜRR-BRUHIN, GAMS SG: Wie weit soll die Arbeit des SBV von den Parteien mitgeprägt werden? Wo grenzt sich der SBV von den Parteimeinungen ab?
RITTER: In unseren Statuten steht, dass der SBV parteipolitisch neutral ist. Dies wird in unserem Verband auch so gelebt. Wir wollen uns für die Branche und die Bauernfamilien einsetzen und keine Parteipolitik betreiben. Die Parteien sind in den politischen Gremien und im Parlament wichtig für uns. Hier besteht ein guter Kontakt und hier wollen wir zusammenarbeiten. Aber Parolen und Handlungsgrundsätze werden rein aus Branchensicht gefasst.
Noch eine Frage: Seit der letzten DV ist erstmals in der langen Geschichte des SBV eine Frau im Präsidium vertreten. Welchen Einfluss wird dies auf die Arbeit und die Schwerpunkte des SBV haben?
RITTER: Es ist für
den SBV sehr wichtig, dass wir nun auch
eine Frau im Präsidium haben. Es ist unser grosses Ziel, neu auch Kompetenzen in den Bereichen Konsum und Ernährung aufzubauen. Wir möchten hier auch eine engere Zusammenarbeit mit den Konsumenten suchen. Der Erfolg am Markt hängt von der Unterstützung und der Kaufbereitschaft der Konsumenten ab. Christine Bühler versteht sehr viel im Bereich einer gesunden Ernährung. Wir sind sicher, dass wir damit unsere hochwertigen Produkte noch stärker am Markt positionieren können. Gesunde Ernährung ist heute ein grosses Thema, kein Wunder sind Kochsendungen im Fernsehen so erfolgreich.
ANDREAS WIDMER, MÜHLRÜTI SG: Die Zahl der Auszubildenden in der Landwirtschaft ist auf einem zu tiefen Niveau, und auch die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft lässt darauf schliessen, dass wir künftig zu wenig Bäuerinnen und Bauern haben werden. Was unternimmt der SBV dagegen?
RITTER: Es ist meine grösste Sorge, dass wir künftig zu wenig Nachwuchs haben. Wir haben wohl den schönsten Beruf, den es gibt, mit der engen Verbundenheit zu den Tieren und der Natur. Es ist aber notwendig, dass wir im wirtschaftlichen Bereich nicht abgekoppelt werden. Unsere landwirtschaftlichen Einkommen müssen mit den Verdienstmöglichkeiten in der übrigen Wirtschaft vergleichbar bleiben. Dasselbe gilt für die Altersvorsorge. Beides wird entscheidend dafür sein, ob sich zukünftig noch genug junge, motivierte Menschen für diesen Beruf entscheiden.
J. S., KANTON SG: Im Jahr 1989 haben wir auf unserem Betrieb den Stall komplett saniert, ebenso einen Güllenkasten neu erstellt und darauf eine Remise gebaut. Dann wurde die Liegenschaft neu geschätzt. Gutes Land 10,2 ha Ertragswert 267 00 Fr. Neuschätzung 2010: 11,3 ha Land 219 00 Fr. Es kann doch nicht sein, dass die Ertragswerte immer tiefer werden. Wir haben die Liegenschaft an den Schwiegersohn verpachtet und können im Haus bleiben. Wenn wir die Liegenschaft zum Ertragswert verkaufen, müssten wir uns bald beim Sozialamt melden. Wir haben auch keine grosse Altersvorsorge, da alles in den Betrieb investiert wurde. Diese Politik kann doch so nicht weitergehen. Zumindest sollten die Ertragswerte erhalten bleiben oder erhöht werden.
RITTER: Die Höhe des Ertragswerts hängt gemäss Formel mit der Ertragsmöglichkeit eines Betriebs zusammen. Das Kapital soll langfristig über den Ertrag aus der Landwirtschaft verzinst werden können. Diese Senkung der Ertragswerte zeigt auf, dass die Wertschöpfung, die in der Landwirtschaft erzielt werden kann, in den letzten Jahren zurückgegangen ist oder zumindest nicht gesteigert werden konnte. In Verbindung mit dieser Frage ist die Altersvorsorge ein grosses Thema. Ich bekomme immer wieder ähnliche Anfragen. Daher ist die Umfrage, die wir zurzeit durchführen, von grösster Bedeutung, damit wir wissen, wie es bei den Bauernfamilien bezüglich Altersvorsorge aussieht. Wir möchten hier in den kommenden Jahren auch politisch einen Schwerpunkt setzen. Die Höhe des Ertragswerts können wir nur steigern, wenn wir die Wertschöpfung in der Landwirtschaft erhöhen können.
Aufgezeichnet Jeanne Woodtli