«Es gibt heutzutage keine Schnäppchen – ausser vielleicht den Kopfsalat zum halben Preis beim Grossverteiler!» Rolf Gasser spricht Klartext. Der Sicherheitsberater der Kantonspolizei Zürich ist für die Sensibilisierung der Bevölkerung auf Trickbetrügereien zuständig.

Er weiss über die einschlägige Szene genau Bescheid. Und er kennt auch die Grundmuster, warum sich Menschen immer wieder ködern lassen, Wildfremden viel Geld anzuvertrauen.


Lockende Gewinne machen blind


«Gier ist einer der grössten Beweggründe, Betrügern aufzusitzen», erklärt der Fachmann. Via E-Mails, Telefonate, manchmal auch an der Haustür werden die Opfer plötzlich unerwartet mit dem vermeintlichen Glück konfrontiert: Ein teurer Wagen kann ganz günstig übernommen werden. Man hat im Lotto gewonnen. Eine Investition in Immobilien winkt mit riesigen Gewinnen. Wer kurzfristig Geld verleiht, erhält das Darlehen mit horrenden Zinsen zurück. Die Lederjacke, die ein Hausierer anbietet, ist ganz billig. Welch ein Angebot!


Allerdings: Handeln muss man gleich. Zeitdruck ist eine ganz entscheidende Waffe der Betrüger. Wer sich nicht sofort rigoros abgrenzt, wird mit weiteren Mails und Telefonaten bombardiert. Zeit zum Nachdenken bleibt keine mehr.

So grenzt man sich ab


Doch was heisst abgrenzen? «Auffällige E-Mails sollte man nicht öffnen, sondern gleich löschen, auf gar keinen Fall aber beantworten», rät Rolf Gasser. «Zwielichtige Angebote am Telefon klemmt man mit ‹Nein 
danke› einfach ab und legt auf.» Eine Haustür lässt sich schliessen und sichern, auch wenn der Vertreter auf der Fussmatte noch am Reden ist.

Sich nicht auf das Gegenüber einzulassen ist in diesen Fällen nicht unhöflich, sondern klug.

Hilfsbereitschaft darf Grenzen kennen


Druck ist auch bei angeblichen Hilferufen von Verwandten und Bekannten im Spiel. Sie sitzen scheinbar irgendwo im Ausland fest und brauchen finanzielle Unterstützung. Sie könnten sich das Studium nicht finanzieren, eine Geschäftsidee nicht umsetzen, wenn die Oma, der Onkel nicht sofort unterstützt. Und davon hängt doch die ganze Zukunft ab!

Doch nichts ist so dringend, als dass man nicht mit einer nahestehenden Person oder der Polizei Rücksprache halten könnte. Allerdings wird auch hier den Opfern keine Zeit gelassen, lange zu überlegen. Rolf Gasser schildert: «Nach dem Erstkontakt ruft vielleicht schon fünf Minuten später ein angebli
cher Anwalt an und macht Druck, die Zahlung zu überweisen. Kurz darauf folgen weitere Telefonate.»

Suche nach traditionellen Namen im Telefonbuch


Doch wie gerät man überhaupt in den Fokus von Kriminellen? Warum rufen sie gerade hier an und melden sich vielleicht mit einem lockeren «Rate wer dran ist?»


«Telefonbücher werden bewusst nach traditionelleren Namen durchkämmt», erklärt Rolf Gasser. «Und dann ruft ein Profi an, jemand, der extrem einfühlsam und gefitzt ist, in einem scheinbar lockeren Geplauder Informationen herausfiltert, die er ein paar Sätze später einbringt, als seien sie eigenes Wissen.»

Auf das Bauchgefühl hören


Gegen Trickbetrüger gefeit ist niemand. Denn zum einen arbeiten die Täter nicht allein. Das macht ihre Szenarien überzeugender. Und sie sind meist brillant. Rolf Gasser schildert sie als sehr gerissen und empathisch: «Sie sind die besten Verkäufer, treten perfekt und gepflegt auf. Es ist gewaltig, was sie den Leuten alles aufbinden können. Das Auge taugt hier nicht, um misstrauisch zu werden.»


Da hilft nur Hören auf die Intuition. Zumeist hätten die Opfer von Beginn an ein seltsames Gefühl, merkten eigentlich, dass etwas nicht stimmen könne, berichtet Rolf Gasser. Doch dann seien sie zu höflich, zu hilfsbereit, liessen sich zu sehr bedrängen oder von versprochenen Gewinnen blenden, um dem schlechten Gefühl zu vertrauen. Und was danach bleibt, sind ein geplündertes Konto und Scham.


Wachsamkeit schützt


Den verbrecherischen Organisationen lässt sich das Handwerk kaum legen. Denn diese operieren vom Ausland aus, aus Osteuropa etwa oder Afrika. Da die kriminellen Handlungen aber nicht in den entsprechenden Ländern selbst geschehen, zeigen deren Sicherheitsverantwortliche wenig Interesse, etwas gegen die Betrügermafien zu unternehmen.

Selber wachsam sein ist darum unabdingbar. «Seien Sie nicht zu vertrauensselig, geben Sie in Gesprächen nicht zu viel von sich preis. Setzen Sie klare Grenzen, brechen Sie dubiose Kontakte unerbittlich ab», fasst Rolf Gasser zusammen. «Vergewissern Sie sich vor einem Geldtransfer allenfalls auch bei der Polizei, ob die Sache ihre Richtigkeit haben kann. Denn Geld, das einmal ausbezahlt wurde, sehen Sie nie wieder.


Sanna Bührer Winiger