Grönland, der grosse weisse Fleck auf der Nordhalbkugel, ist nicht nur Eis und Gletscher. Entlang der Küsten ist Grönland im Sommer grün und warm. Wegen des Klimawandels werden die Temperaturen in Zukunft weiter steigen. In Südgrönland, wo schon seit Jahrhunderten Viehwirtschaft betrieben wird, könnte sich eine ökologische Revolution zutragen. Ein Forscherteam der Universität Basel hat dies untersucht.
In Igaliku beginnt eine neue Ära
Subarktische und arktische Regionen sind besonders stark vom Klimawandel betroffen. In Südgrönland erwärmt sich das Klima schneller als im Rest der Welt und es kommt zu weitreichenden Veränderungen. Vor allem für die Landwirtschaft eröffnen sich dank der längeren Sommer neue Möglichkeiten.
Noch heute erinnern Ruinen an die Wikingerzeit im kleinen südgrönländischen Ort Igaliku (siehe Kasten). Damals hiess das Dorf noch Gardar. Das heutige Igaliku wurde im Jahr 1872 gegründet. Es leben knapp 30 Personen im Ort. Er ist geprägt von der Landwirtschaft, in erster Linie von der Schafzucht. Zurzeit wirtschaften vier Betriebe mit 1‘400 Schafen im Gebiet.
Das Forscherteam der Universität Basel hat die Felder der Bauern untersucht und sich die Frage gestellt, ob die zukünftigen Klimaveränderungen eine intensivere Landwirtschaft in Südgrönland begünstigen könnten. Es wurden Bodenproben entnommen und im Labor analysiert, ausserdem wurde die Vegetation kartiert und ein Vergleich mit den Schweizer Alpenregionen durchgeführt.
Alle untersuchten Flächen werden als Heuflächen genutzt. Ende Juli wird das Gras gemäht und im Winter den eingestallten Schafen verfüttert. Während die Wikinger ihre Felder einst an strategisch guten Orten anlegten, werden heute die Parzellen flächendeckend bewirtschaftet. Dabei werden die geographischen und natürlichen Voraussetzungen weniger beachtet. Dies zeigt sich dadurch, dass es teilweise grosse Unterschiede bei der Bodenqualität und Ertrag zwischen den Flächen gibt. Generell kann man sagen, dass die bereits zu Zeiten der Wikinger landwirtschaftlich genutzten Felder sich für eine landwirtschaftliche Intensivierung eignen.
Vergleicht man die Resultate aus Igaliku mit den Böden der Schweizer Alpen, so stellt sich heraus, dass die Nadelwälder in der Schweiz weitaus höhere Nährstoffvorräte aufweisen. Ausserdem hat sich die Landwirtschaft im Alpenraum entsprechend der Exposition unterschiedlich entwickelt: In den Nordalpen wurde die Weidewirtschaft und die Viehzucht zum wichtigsten wirtschaftlichen Standbein, in der inneralpinen Zone sowie in den südexponierten Südalpen entstand eine Kombination von Weidewirtschaft und Ackerbau.
Eine Schwierigkeit für intensive Landwirtschaft in Südgrönland besteht darin, dass die Böden relativ sandig bzw. steinig sind und eine geringe Dicke aufweisen. Die derzeitigen klimatischen Bedingungen in Südgrönland erleichtern die Bodenbildung nicht. Auf manchen Flächen könnte aber in Zukunft bei milderen Temperaturen das Bodenwachstum beschleunigt werden und somit auch mehr Landwirtschaft mit zum Beispiel Gerste betrieben werden.
Ist der Klimawandel Fluch oder Segen?
Die Durchschnittstemperatur in Südgrönland ist in den vergangen 30 Jahren besonders stark gestiegen, dadurch hat sich die Vegetationsperiode um zwei Wochen verlängert. Grönland erwärmt sich doppelt so schnell wie die meisten anderen Teile der Welt. Die Eisdecke der Insel schrumpft dramatisch und die Fjorde im Süden gefrieren häufig nicht mehr zu. Der Niederschlag sinkt und führt schon jetzt in den Sommermonaten zu Ernteausfällen. Auch der Wasserspiegel von Seen und Flüssen sinkt. Entscheidend für eine ausgedehnte Landwirtschaft in Grönland ist das Klima. Bei der Klimaerwärmung würde die Eisgrenze nach Norden verlegt und Ackerbaufläche könnte gewonnen werden.
Die grönländische Regierung hat in den Ausbau der Landwirtschaft investiert und möchte ebenso die riesigen Bodenschätze, die unter der Eisdecke vermutet werden, an die Oberfläche befördern. Zukünftig soll das Land weniger abhängig von aussen sein. Dennoch spaltet eine mögliche Ausbeutung der Mineralvorkommen die Politik und Gesellschaft. In welche Richtung Grönland gehen möchte, steht noch nicht fest.
Laut dem Forscherteam der Universität Basel wird Getreideanbau in Südgrönland in den nächsten 30 Jahren wohl nicht möglich sein. Die klimatischen und topographischen Standorteigenschaften sind nicht vergleichbar mit denen in Mitteleuropa. In weiterer Zukunft, wenn womöglich ein grosser Teil des Eisschilds geschmolzen ist, könnte es zu einer schnelleren Bodenbildung kommen, die intensivere Landwirtschaft ermöglichen würde. Grönland könnte in naher Zukunft aber bereits kälteresistente Pflanzen wie Randen oder Gerste anbauen und als Exporteur bedeutend werden. Diese Entwicklungen sind dennoch besonders vom Klimawandel abhängig, von dem nicht alle zukünftigen Auswirkungen bekannt sind.
Helena Barth, lid