Welche Erwartungen hat die Bevölkerung an die Schweizer Landwirtschaft? Dieser Frage geht eine am Donnerstag publizierte Studie der Hochschule Luzern im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) nach. Für die Studie wurden 1141 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Erwartungen an die Landwirtschaft befragt. Sie mussten 26 typische Erwartungen nach ihrer Wichtigkeit ordnen.


42% sind ökologische Standards besonders wichtig


Dabei kristallisierten sich drei typische Erwartungshaltungen heraus: Besonders stark vertreten sind Personen mit einem ökologischen Erwartungsprofil (42%). Diesen sind das Tierwohl und die Einhaltung ökologischer Standards besonders wichtig. Sie legen Wert darauf, dass die Bauern innovative und ressourcenschonende Technologien einsetzen. Sie wollen genau wissen, woher landwirtschaftliche Produkte kommen und wie sie produziert wurden. Dafür ist ihre Distanz zu bäuerlichen Traditionen gross.

Ganz anders sieht es bei den Personen mit einem strukturbewahrenden Erwartungsprofil aus. Diese machen 33% der Befragten aus. Sie betonen die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Landwirtschaft, bestehende bäuerliche Strukturen und Traditionen sollten in ihren Augen bewahrt werden. Als deutlich weniger wichtig bewerten sie die wirtschaftliche Effizienz der Bauernbetriebe.

Etwas ganz anderes erwarten die Personen mit einem wirtschaftsorientierten Erwartungsprofil (25%). Sie wollen, dass die Landwirtschaft kostengünstig produziert. Eine breite Auswahl an inländischen Nahrungsmitteln zu günstigen Preisen ist ihnen wichtiger als ökologische Standards.

Bereits in einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2007 kristallisierten sich die gleichen Erwartungstypen heraus. «Dies zeigt, dass die Erwartungen der Bevölkerung an die Landwirtschaft recht stabil sind», sagt Studienleiter Andreas Brandenberg auf Anfrage der «BauernZeitung». Er leitet das Institut für Kommunikation und Marketing an der Hochschule Luzern. Bereits in der früheren Studie war das ökologische Erwartungsprofil am häufigsten, es hat im Vergleich zu 2007 leicht zugenommen, während die Zahl der Bewahrer(innen) etwas abgenommen hat.

Gemeinsamer agrarpolitischer Nenner


Die Erwartungen der Bevölkerung an die Landwirtschaft sind zwar in vielen Aspekten unterschiedlich, aber «trotzdem scheint es einen ‹gemeinsamen agrarpolitischen Nenner› zu geben», hält Brandenberg fest.

Ein breiter Teil der Bevölkerung wünscht sich «naturnah produzierte Nahrungsmittel». Ähnlich wichtig sind ihr «die Erhaltung des fruchtbaren Bodens» und die «Sicherung guter Lebensbedingungen für die in der Landwirtschaft tätigen Menschen».

Laut der Studie ist zudem der Wunsch nach einer «breiten Auswahl an regional und lokal produzierten Nahrungsmitteln» besonders stark verankert. Ebenfalls hoch, aber etwas weniger einheitlich bewertet wurden schonende Bewirtschaftungsformen und hohe Tierschutzstandards.

Ingesamt deutlich tiefer bewertet werden Erwartungen an die Effizienz, die Rentabilität und die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaftsbetriebe. Wie passt das zu den Meldungen, dass immer mehr Schweizer(innen) ennet der Grenze billige Lebensmittel einkaufen?

Ein Widerspruch ist dies für Andreas Brandenberg nicht per se: «Das Verhalten von Konsumentinnen und Konsumenten kann sich durchaus von dem unterscheiden, was die Bevölkerung als Steuerzahler von ‹ihrer› Landwirtschaft erwartet».

Schliesslich könne man auch Automobilist sein und trotzdem den öffentlichen Verkehr fördern wollen. Übrigens finden nur etwa elf Prozent der Befragten die Preise, welche die Bauern für ihre Produkte erhalten, zu hoch.

Direktzahlungen breit getragen


Generell zeigt die Studie einen grossen Goodwill in der Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft. Für knapp die Hälfte der Befragten sind die Direktzahlungen angemessen, für knapp einen Viertel eher zu tief.

Jeder dritte Befragte hält sie für zu hoch. Dabei variiert die Unterstützungsbereitschaft je nach Erwartungsprofil stark. Personen mit einem wirtschaftlichen Erwartungsprofil stehen den Direktzahlungen deutlich kritischer gegenüber als die Bewahrer(innen) oder die ökologisch Veranlagten.

Ingesamt zeige die Studie eine bemerkenswert hohe Übereinstimmung mit den Zielen des Landwirtschaftsartikels in der Bundesverfassung, so die Verfasser. Allerdings müsse das noch nicht bedeuten, dass man sich auch in den Instrumenten einig sei. «Die Kunst wird es sein, die Ziele des Landwirtschaftsartikels möglichst effizient zu erreichen», so Andreas Brandenberg.

Jeanne Woodtli