Fast jede Woche treffen Meldungen über tödliche Arbeitsunfälle auf Bauernhöfen ein. Vor Kurzem wurden ein Landwirt und sein Angestellter in einem Silo tot aufgefunden, und diese Woche verstarb ein Landwirt durch einen tragischen Unfall mit seinem landwirtschaftlichen Fahrzeug. Laut Erhebung der BUL (Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft) verloren letzes Jahr
26 Personen ihr Leben durch Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft.
Unfälle mit Motorfahrzeugen am häufigsten
Spitzenreiter sind dabei tödliche Unfälle mit Motorfahrzeugen (elf) wie auch Unfälle mit Tieren oder verschiedenen Maschinen (je vier). Aber auch tödliche Arbeitsunfälle beim Holzen sind immer wieder ein Thema. Die Landwirtschaft ist somit diejenige Branche mit der dritthöchsten Unfallhäufigkeit bezogen auf 1000 Arbeitnehmende. Laut BUL ereigneten sich in den letzten zehn Jahren total 462
registrierte tödliche Unfälle in der Landwirtschaft. Diese hohen Zahlen an Todesfälllen will die BUL zusammen mit der Agriss (Kontrolle, Information, Schulung, Analysen) reduzieren. Unfallverhütung, Prävention und Kurse, wo erlernt wird, die Sicherheitsmassnahmen zu verbessern, sind ihre Kernanliegen.
Kinder immer im Auge behalten
Tödliche Arbeitsunfälle auf Bauernhöfen sind immer wieder tragisch und schmerzvoll und wenn noch Kinder im Spiel sind, trifft dies die Bauernfamilien besonders stark. Kinder sind auf Bauernhöfen fast nicht zu «überwachen». Sie interessieren sich für alles und sehen keine Gefahren. Oft begleiten sie ihre Väter bei ihren Arbeiten und werden von ihnen auf den Maschinen mitgenommen. Dass diese Entscheidung weitreichende Folgen haben kann, zeigen immer wieder tragische Unfälle. Ruedi Burgherr, Geschäftsführer von der BUL und Agriss sagt klar und deutlich: «Die Anzahl der Kinderunfälle ist nach wie vor viel zu hoch.» Mit der Kampagne «Kinder sicher und gesund auf dem Bauernhof», welche kürzlich gestartet ist, versucht BUL auf die Gefahren aufmerksam machen.
Unfälle passieren, wenn Kinder von Traktoren fallen und überrollt werden. Häufig verletzten sich die Kinder auch an landwirtschaftlichen Geräten, wo scharfe Messer oder Kanten hervorstehen. Folgende Massnahmen können helfen, Kinderunfälle zu reduzieren:
- Kinder nur auf geeigneten Traktorensitzen mitfahren lassen und anschnallen.
- Anbaugeräte sind nicht zum Mitfahren geeignet.
- Maschinen sind nur in Bewegung zu setzten, wenn Kinder im Sichtfeld sind.
- Funktionen aller Schutzvorrichtungen an der Maschine sicherstellen.
- Zündschlüssel aller abgestellten Fahrzeugen abziehen.
Bauern stehen vermehrt unter Druck
Viele Unfälle passieren auch mit dem Umgang von Maschinen und Fahrzeugen. Denn bei Betriebsstörungen und Stresssituationen werden die einfachsten Sicherheitsregelen missachtet. Landwirte wie auch Lohnunternehmer sind immer mehr einem hohen Erfolgsdruck ausgesetzt. Dieser ist sowohl wetter- als auch einkommensbedingt. Alles sollte gleichzeitig gemacht werden. Laut BUL häufen sich aber die landwirtschaftlichen Unfälle, welche durch Senioren und Quereinsteiger ohne Ausbildung verursacht werden. Und seit diesem Jahr gibt es immer mehr schwerere Unfälle auf Betrieben, welche vorgängig durch Agri-Top (Förderung der Arbeitssicherheit und der Gesundheit im Betrieb) kontrolliert wurden.
Auch auf den Feldern gehen viele Fahrer am Hang zu hohen Risiken ein. Denn immer noch gibt es eine grosse Anzahl an Traktoren ohne Fahrerschutz. Oft sind den Landwirten auch die Gefahren durch hydraulische Antriebselemente oder elektronische Steuerungskomponenten zu wenig bekannt.
Schutzausrüstung beim Holzen nicht vergessen
Nicht nur rund um den Bauernhof passieren schreckliche Unfälle. Auch beim Holzen im Wald ist schon mancher Landwirt gestorben. Hier sind vor allem die Todesfälle bei privaten Waldbesitzern am höchsten. Mangelnde Ausbildung, eine ungenügende Ausrüstung in Verbindung mit einer dürftigen Schutzausrüstung sind die häufigsten Ursachen. Und einen Baum fällen muss gelernt sein: Wie und wo mache ich die Fallkerbe, in welche Richtung fällt der Baum, habe ich das Umfeld auch genug gross abgesichert? Und das wichtigste: Man soll nie alleine in den Wald holzen gehen.
Achtung: Gärgase bei der Silage
Schon mancher Landwirt musste sein Leben lassen beim Einfüllen der Silos. Und in zwei, drei Monaten werden viele von diesen zum ersten Mal geöffnet, um die erste Silage zu ent-
nehmen. Arbeiten in der Höhe sind gefährlich und können bei Unaufmerksamkeit zu einem schweren Sturz aus mehreren Metern führen. «Daher ist es wichtig, dass sich eine Person
bei Arbeiten auf Hochsilos genügend gegen Absturz sichert», sagt Ivo Lehmann von der Agriss. Daher sollte bei der Einfüllöffnung auf dem Silo ein Netz gespannt werden, ein Geländer auf der Plattform montiert werden und an der Leiter einen Rückenschutz vorhanden sein. Diese baulichen Vorschriften werden meistens eingehalten. Durch die immer grösser werdenden Silos fühlen sich manche Landwirte jedoch auch mit diesen Kollektivschutzmassnahmen nicht mehr sicher.
Beim ersten Mal Öffnen der Silos heisst es, diese sehr gut zu lüften, bevor man sie betritt, denn es bilden sich dort tödliche CO2- und andere Gärgase. Gärgase sind Luftmischungen, die bei Gärprozessen entstehen. Sie enthalten einen höheren Kohlenstoffdioxidanteil als normale Luft und sind schwerer als diese. Deshalb sinken sie auf den Boden des Silos und bilden dort
einen sogenannten «Gärgas-See». Unfallopfer werden im schlimmsten Fall fast ohne Vorwarnung bewusstlos und fallen zu Boden und ersticken.
Wanderer und die Mutterkuhhaltung
Aber nicht nur Maschinen und Fahrzeuge können zur tödlichen Falle werden. Immer wieder hört man von Unfällen, welche von agressiven Stieren verursacht werden. Und immer öfters sind Wanderer, die auf eine Mutterkuherde mit Kälbern treffen, ein grosses Problem. Ein tragisches Beispiel, dass sich kürzlich ereignet hat, ist eine 77-jährige Wanderin, die ohne Hund unterwegs auf einem Wanderweg im Graubünden war. In diesem Gebiet befand sich eine Herde Mutterkühe mit Kälbern, eingezäunt auf der Weide, wo der Wanderweg hindurchführte. Die Wanderin wollte durch einen Teil der Herde durchgehen und wurde dabei von mehreren Mutterkühen angegriffen und tödlich verletzt.
Hier herrsche Handlungsbedarf, sind sich alle einig. Mit Warntafeln sollen die Wanderer noch vermehrt auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden. Es werde auch diskutiert, einzelne Wanderwege auszuzäunen. Denn, passiere ein Unfall, könne man die Bauern rechtlich in die Pflicht nehmen. Da die Mutterkuhhaltung in Zukunft noch zunehmen wird, müssen sich auch die Wanderer vermehrt anpassen.
Ein steigendes Unfallrisiko bilden auch die Pferdehalter. Von den 110'000 Equiden, welche in der Schweiz leben, werden zirka 85 Prozent auf landwirtschaftlichen Betrieben gehalten. Wie Vera Bracher von Agriss sagt, verunfallen jährlich ungefähr 6600 Personen im Pferdesport. Sei es beim Reiten, Fahren oder bei der Pflege des Pferdes bis zum Verladen. Das Unfallrisiko im Pferdesport sei aber nicht grösser als in anderen Sportarten, die Verletzungen seien aber häufig schwerwiegender.
Peter Fankhauser