Vegan ist Ansichtssache. Nicht nur, was die Ernährungsweise betrifft, sondern auch, welche Lebensmittel überhaupt vegan sind. Dass sie keine tierischen Zutaten enthalten sollen, ist klar. Fleisch, Fisch, Eier, Milch oder Milchprodukte haben in veganen Lebensmitteln nichts verloren. Aber wie sieht es mit den Zusatz- und Hilfsstoffen aus, die von Tieren stammen? Ist ein reines Weizengebäck auch noch eines Veganlabels würdig, wenn in der Bäckerei Bienenwachs als Antihaftmittel verwendet wurde? Kann ein Wein vegan sein, wenn sowohl Gelatine als auch Hühnereiweiss, zum Schönen verwendet wurden? Die geplante Definition der EU, mit der künftig eine freiwillige Kennzeichnung veganer Lebensmittel möglich sein soll, verneint beides: "Die Bezeichnung Vegan ist nicht anzuwenden, wenn es sich um Tiere oder tierische Erzeugnisse handelt oder wenn Erzeugnisse aus, oder mithilfe von Tieren oder tierischen Erzeugnissen hergestellt wurden."

Strenge Richtlinien

Sigrid Alexander vom FiBL, welche die Tagung organisiert hat, ergänzt: "Bereits heute dürfte es einen veganen bio-dynamischen Wein eigentlich gar nicht geben." Denn im biodynamischen Landbau werden Hornkiesel- und Hornmistpräparate eingesetzt, bei denen sowohl das Horn als auch der Mist von Nutztieren stammt. Manche Vegan-Labelinhaber tolerieren das nicht: Das "Vegan Organic Network" verbietet bei der Vergabe seines Vegan-Labels jegliche Düngung mit Mist oder Wurmkompost; es erlaubt nicht einmal den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf tierischer Basis, wie gezüchteten Nützlingen. Die eingefleischten Veganer der "Vegan society Japan" gehen in Kooperation mit der "Veganen Gesellschaft Deutschlands" sogar noch einen Schritt weiter: Sie vergeben ihr Label "vegan plus" nur an Produkte, bei denen auch sämtliche Geräte, die für die Herstellung benötigt werden, sowie die Produktions- und Lagerräume ausschliesslich für vegane Lebensmittel eingesetzt werden.

Vegan ist nicht zwingend Bio

Für die Mehrheit der Konsumenten ist der Begriff vegan weniger eng. Laut einer deutschen Umfrage erwarten 61% der Befragten lediglich, dass vegane Produkten keine tierischen Bestandteile enthalten. Rund 37% der Befragten gehen davon aus, dass auch die Zusatzstoffe rein pflanzlicher Natur sind.

Oft scheinen die Konsumenten vegan mit sogar mit Bio gleichzusetzen. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: "Konventionelle vegane Produkte verdrängen häufig Bio-Angebote aus dem Regal", weiss Annette Sabersky von Bio-Food-Tester, "insbesondere in Reformhäusern gibt es viele nicht-bio-zertifizierten vegane Produkte wie zum Beispiel Pflanzen-Käse."

Auch vegane Shrimps, fleischlose "Poulet"-Gerichte, Ei-Ersatzprodukte oder milchfreie Joghurts werden nicht zuletzt aus Kostengründen oftmals nicht in Bioqualität angeboten. "Bio" ist bei den Dutzenden, oder sogar Hunderten von Vegan-Labels, die derzeit auf dem Markt sind, offenbar kein zugkräftiges Kaufargument. Genauso wenig wie Regionalität oder Fairtrade bei der veganen Ernährung eine grosse Rolle zu spielen scheint. Diese Art veganer Mainstream ist deshalb schlecht für die Biobranche. Auch, weil die meisten Biobetriebe Nutztiere halten, um den Nährstoffkreislauf zu schliessen.

Die Mehrzahl der Schweizer Biobetriebe liegt im Berggebiet, wo ausser Gras nicht viel wächst. Und dieses Gras kann praktisch nur über Wiederkäuer verwertet werden. "Zweidrittel der Schweizer, aber auch der weltweiten Landwirtschaftsfläche, sind Grünland", erklärt Bernadette Oehen vom FiBL. Klima oder Topografie erlauben oft nichts anderes, und selbst im Ackerbau macht ein Anteil Kunstwiesen Sinn: "Zur Lockerung der Fruchtfolge und um über die Leguminosen Stickstoff in den Boden zu bringen." Viehlose Biobetriebe, vor allem mit Gemüsebau, kaufen in aller Regel tierische Dünger zu.

Vegan produzierende Betriebe verwenden entweder synthetische Düngemittel – das ist aber im Biolandbau nicht erlaubt – oder aber sie verarbeiten das Gras von Grünland und Kunstwiesen zu Kompost, Mulch oder Biogas und verwenden es dann zum Düngen. Die tierischen Raufutterverwerter werden in diesem Fall durch energieintensive Technik ersetzt.

Das ist nicht ganz einfach, wie Oehen weiss: "Vegan als alleiniges Anbausystem ist noch nicht fertig entwickelt. Die grösste Herausforderung ist die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit."

Mehr Einkommen = weniger Fleisch

Der Konsum tierischer Produkte nimmt mit steigendem Einkommen zuerst zu, aber später wieder ab. Trotzdem ist die Veganer-Bewegung derzeit noch keine Bedrohung für die Schweizer Landwirtschaft. Gemäss einer 2014 vom Institut GfK durchgeführten Studie essen nur zwei Prozent der Befragten überhaupt kein Fleisch. Schätzungsweise jeder Zehnte davon, also 0,2 bis 0,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung, ernährt sich rein vegan.

Etwa 40% der Bevölkerung dürften "Flexitarier" sein, das sind Leute, die öfter mal auf auf ein Stück Fleisch verzichten. Sie bewege sich damit in die Richtung, die Oehen empfiehlt: "Heute könnte rund die Hälfte der 1,4 Milliarden Rinder weltweit von Grasland ernährt werden. Die andere Hälfte des Rindviehs wird von Ackerfrüchten ernährt, also von Produkten, die auch der Mensch essen kann. Eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte ist deshalb sinnvoll."

Eveline Dudda, lid