BAUERNZEITUNG: Sie sind seit 2008 Preisüberwacher. Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten sieben Jahren verändert?


STEFAN MEIERHANS: Die Anzahl und der Inhalt der Beschwerden hat sich verändert. In den letzten zehn Jahren haben sich die Meldungen ungefähr verdoppelt.


Neben den Gebühren ist auch der administrative Aufwand gestiegen. Können Sie diesen auch überwachen?


MEIERHANS: Nicht in jedem Fall. Ein Beispiel: Wir kümmern uns um die Import- und Export­abläufe. Deren Kosten werden teilweise durch politische Entscheide verursacht, die ich nur indirekt beeinflussen kann.

Im landwirtschaftlichen Bereich habe ich die administrativen Kosten nicht untersucht. Eine Rolle mögen sie bei den Tiermedikamenten spielen, die ich untersucht habe und wo ich nach wie vor Druck mache. Derzeit läuft ausserdem eine Untersuchung bei den Futtermühlen. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Futtermittel in der Schweiz teurer als im Ausland sind, ob da die Administrativkosten dazugehören, kann ich mindestens momentan nicht sagen. Sicher haben aber politische Entscheide auch hier Einfluss.


Können Sie das konkreter ausführen?


MEIERHANS: Auf einen staatlichen Entscheid basiert insbesondere der Zollansatz auf Importgetreide. Er soll die inländische Produktion schützen und den Kostennachteil der inländischen Produktion ausgleichen. Gleichzeitig wird durch den Zoll aber das Fleisch teurer, was wiederum dazu führt, dass mehr Konsumenten im Ausland Fleisch einkaufen. Beim Einkaufstourismus ist es dann so, dass nicht nur das Fleisch, sondern alle Lebensmittel im Ausland eingekauft werden. Und damit gehen dem Detailhandel Einnahmen verloren. Als staatliche Remedur wird das Einfuhrregime für Fleisch angepasst werden, zum Schutz der einheimischen Produktion wird nun die Freigrenze für private Importe reduziert. Man versucht, drohende Umsatzeinbussen mit dem Schliessen der Grenzen abzuwenden. Der Schutzzoll des Getreides zieht also eine Kettenreaktion nach sich, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht erkennt.


Ist die Forderung nach inländischer Getreideproduktion aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?


MEIERHANS: Es ist ein Entscheid, den die gewählten Politiker fällen. Gleichzeitig sind drei Initiativen vorhanden, die sich mit der Landwirtschaft auseinandersetzen. Und alle drei fordern mehr Grenzschutz. Mir ist es aber ein Anliegen, dass man in der Kenntnis der Ursache entscheidet und die Konsequenzen im Blick hat. Als Preisüberwacher bin ich natürlich an günstigen Endkundenpreisen interessiert. Wenn die Politik Bedarf an Strukturerhaltung sieht, sollte dies nicht über Preisstützung, sondern über andere Massnahmen wie etwa Direktzahlungen erfolgen – gerade auch wegen der vorher geschilderten Kettenreaktionen


Wie beurteilen Sie, ob die Preise zu hoch sind?


MEIERHANS: Zum Beispiel im Vergleich zum Ausland. Das europäische statistische Amt weist für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke in der Schweiz

einen Indexwert von gut 150 aus – in der EU ist der Lebensmittelpreis folglich um gut 33 Prozent tiefer. In diesem Sinne erachte ich die Lebensmittel in der Schweiz als zu teuer. Andernfalls hätte der Einkaufstourismus gerade bei Lebensmitteln nicht so stark zugenommen.


Andererseits gibt der Schweizer Durchschnittskonsument etwa zehn Prozent des Einkommens für Lebensmittel aus. Im Vergleich ist das relativ tief.


MEIERHANS: Ich halte das für eine falsche Vergleichsbasis. Sie nützt der Familie, die mit 4000 Franken monatlich über die Runden kommen muss und deshalb einen wesentlich höheren Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgibt, rein gar nichts. Und wenn solche Vergleiche mit dem Ausland die hohen Preise rechtfertigen sollen: Wozu arbeiten wir in der Schweiz dann im Vergleich auch mehr als im umliegenden Ausland – etwa einen Tag mehr als die Franzosen, und das bei weniger Ferien? Hinzu kommt, dass im Landesindex für Konsumentenpreise die Krankenkassen nicht eingerechnet sind. Denn in Deutschland z. . wird die Krankenkasse direkt vom Lohn abgezogen und ist gar nie Teil des verfügbaren Einkommens.  


Was ist denn für Sie ein guter Preis für Schweizer Produkte?


MEIERHANS: Ein wettbewerblicher Preis. Das ist in der Regel ein kostenbasierter Preis, mit einem angemessenen Gewinn. Das soll so sein, um Investitionen und Innovationen gewährleisten zu können.


Und für Lebensmittel?


MEIERHANS: Auch hier gilt: Ein wettbewerblicher Preis – also ein ähnlicher wie im Ausland. Betrachten wir Luxemburg oder Österreich, die eine durchaus vergleichbare Wirtschaftsleistung aufweisen wie die Schweiz: Beide haben eine Landwirtschaft in alpinen und voralpinen Räumen, doch sind dort die Lebensmittel günstiger. Man kann offenkundig auch bei hoher Wirtschaftsleistung tiefe Lebensmittelpreise erreichen. Und wenn man das Preisgefüge betrachtet, kann es eben nicht egal sein, wenn Lebensmittel teurer sind.


Aber ein Argument für die teureren Lebensmittel sind auch die Arbeits- und Produktionskosten.


MEIERHANS: Bei den Produktionskosten bin ich einverstanden, da gibt es noch Handlungsbedarf – gerade bei Tierarzneimittel- und Futtermittelpreisen sind die Preise bei uns teurer.

Andererseits stelle ich gerade in bäuerlichen Kreisen eine gewisse Ängstlichkeit fest. Häufig kaufen Landwirte ihre Maschinen in der Schweiz ein und lassen sie auch hier warten, obwohl die Grenzen offen sind. So wird es manchmal den internationalen Firmen erleichtert, in der Schweiz höhere Preise zu verlangen. Ein anderes Thema ist die Marktmacht im Detailhandel. Mit dem Markteintritt von Lidl und Aldi hat sich insbesondere für mittelständische Metzgereien die Situation verbessert. Denn auch Aldi und Lidl haben erkannt, dass die Kunden regionale Produkte schätzen. Und das zeigt, dass Wettbewerb im Detailhandel auch den vorgelagerten Stufen hilft.


Interview Hansjürg Jäger