«Ich empfinde es als Erniedrigung gegenüber unserem Berufsstand», so Ueli Josi aus Wimmis BE. Er äussert sich zur unangemeldeten Tierschutzkontrolle, die jeden Winter auf verschiedenen Betrieben durchgeführt wird. Normalerweise findet sie in Abständen von vier Jahren statt. Das aber nur, wenn auf dem geprüften Betrieb keine Beanstandungen gemacht werden mussten. Sonst kommt der Kontrolleur vorher. Für Ueli Josi ist es mehr als unglücklich, dass sich jemand unangemeldet Haus und Stallungen nähert und Eintritt verlangt. Er würde ein vorgängiges, kurzfristiges Anmelden begrüssen.


Hinterfragt Bildungswesen


«Wenn ich mit meinen Tieren einen ganzen Winter rumsafte, kann ich das nicht in einem einzigen Tag alles wieder in Ordnung bringen», erklärt Ueli Josi auf Anfrage der BauernZeitung. Der Lehrmeister hinterfragt auch gleich das Bildungswesen. «Wir sind ausgebildet, Tiere zu halten und für sie die Verantwortung zu tragen. Wenn das nicht so ist, fehlt es an der landwirtschaftlichen Ausbildung», ist er sicher. Zahllose Betriebsvergleiche vorzunehmen aber nicht mehr zu wissen, wie eine Kuh zu behandeln sei, findet der Lehrmeister fragwürdig. Schliesslich sei es ein wirtschaftlicher Aspekt, immer gleich den Tierarzt rufen zu müssen. Gute Beobachtung und enge Zusammenarbeit mit einem Tierarzt, verbunden mit Vertrauen, wäre sinnvoller, ist er sicher. Er gehört zu einer Reihe von Bauern, die mehr Eigenständigkeit und Selbstverantwortung fordern.

Diskussion Wasseraufnahme

Zu dieser Sorte Landwirt gehört auch Samuel Graber, Horrenbach BE. Der Präsident der Schweizer Kälbermäster sagt, er habe mehrheitlich von zufriedenstellenden Winterkontrollen vernommen. Eine ständige Diskussion führt er allerdings um die Wasserabgabe an Kälber ab dem ersten Lebenstag. «Ein Irrsinn!», ist Graber sicher. Wasseraufnahme sei erst nach Verabreichen von Raufutter relevant, also laut Tierschutzgesetz nach 14 Tagen. Der Kälbermäster weist darauf hin, dass eine gewisse Gefahr bestehe, dass zu warmes Wasser eingenommen werde und dadurch die Schlundsonde aktiviert werde. So gelangt das Wasser in den Labmagen, statt wie dafür vorgesehen in den Pansen. Die unangenehme Folge für Tier, Tierhalter und schliesslich auch Konsument: Antibiotikaeinsatz.


Genau diesen heiklen Punkt spricht auch der Leiter der Kon­trollen, Marcel von Ballmoos vom Verein Kontrollkommission für umweltschonende und tierfreundliche Landwirtschaft (KUL) in Jegenstorf, an. «Langsam geläufig, aber für Bauern teils unverständlich», so von Ballmoos zur Massnahme, den Kälbern ab dem ersten Lebenstag Wasser anzubieten.

Der Leiter spricht von einem guten Stand nach den Winterkontrollen. «Der grosse Teil der Betriebe erfüllt die Anforderungen», sagt er. Man müsse nur von einem ganz kleinen Teil Kenntnis nehmen, bei dem es zu Diskussionen komme. Im Bereich Tierschutz seien die Informationen heikler, ist er überzeugt. Obwohl die Winterkontrollen seit Jahren gleich ablaufen und gleiche Massnahmen, nämlich Tierschutz und die Programme BTS und RAUS geprüft werden, entstehen grössere Emotionen als bei den sich ständig ändernden Kontrollen im Sommer, deren Anforderungen eigentlich anspruchsvoller erscheinen. Dort hat der Landwirt meist keine Möglichkeit mehr, alles selbst zu wissen und einfach

aus dem Ärmel schütteln zu können. 

Neben den Diskussionen um die Wasseraufnahme bei Kälbern gibt die Beschäftigung der Schweine zu reden. Diese beiden Punkte verursachen immer wieder Beanstandungen. Die qualitativen Dinge, wie von Ballmoos sie nennt. Bauliche Anpassungen seien vielerorts vorgenommen worden. Die meisten relevanten Übergangsbestimmungen im Tierschutzbereich sind am 31. August 2013 abgelaufen. In der Zeit bis heute hätten noch nicht alle Betriebe eine Grundkontrolle verfügt bekommen, daher seien auch jetzt noch Dinge teils nicht überprüft.

«Irgendwann fehlt einer von euch»

Die Kontrolleure machen seit geraumer Zeit eine Zusatzausbildung. Der Amtliche Fachassistent Tierschutz, wie vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen neu vorgeschrieben wird. Der Lehrgang dauert drei Tage und schliesst mit einer Prüfung ab. Die standardisierte Schulung des Bundes erhöhe die Qualität der Kontrolle, ist der Leiter der Kontrollen überzeugt. Vereinzelt kommt es zu heftigen Erlebnissen. Von Auseinandersetzungen oder Gerichtsfällen spricht von Ballmoos allerdings nicht. Aber Sätze, wie: «Irgendwann fehlt einer von euch» würden schon unter die Haut gehen. Für Kontrolleur Fritz Mosimann ist klar: «Der Druck auf die Bauern wird immer grösser.» Vernachlässigungen in der Tierhaltung seien nie böser Wille. Manchmal leide die Tierhaltung, weil der Landwirt  aus wirtschaftlichen Überlegungen einer auswärtigen Tätigkeit nachgehen müsse.


Baulich und qualitativ

Einen Aspekt, den es zu beachten gilt, nennt Fritz Mosimann die Kontrolle der baulichen und qualitativen Massnahmen. «Der Stall ist nicht einfach abgenommen», erklärt er. Wenn also auf dem Läger der Rinder plötzlich Kühe gehalten werden, sind das zwei paar Schuhe. Darum komme auch bei einem Neu- oder Umbau der Meter zum Zuge, weil es sich um eine Umnutzung handle.

Die Bilanz der Winterkontrollen scheint positiv. Aber der Druck der Bauern bleibt weiterhin ein grosses Thema.


Simone Barth