"Wir kaufen Ihre Kirschen!", heisst es im Inserat. Egal, ob die Menge klein oder gross sei, sauber geerntet und frisch müssten sie sein. Hinter dem Inserat, das kürzlich in der Landwirtschaftspresse geschalten wurde, steckt die Distillerie Willisau (Diwisa).
Nach zwei Jahren mit kleinen Kirschenernten würden sich die Lager allmählich leeren, Nachschub sei dringend nötig, erklärt Betriebsleiter Adrian Affentranger. Es sei das erste Mal, dass man sich in Form eines Inserates aktiv um Brennkirschen bemühen müsse.
Historisch kleine Ernten
Die Diwisa ist nicht die einzige Distillerie, die dringend Kirschen benötigt. "Schweizer Brennkirschen sind derzeit gesucht", bestätigt Josef Christen vom Schweizer Obstverband. Die Lagerbestände an Kirsch aus Schweizer Kirschen seien weitgehend aufgebraucht.
Grund dafür sind die historisch kleinen Ernten in den letzten zwei Jahren. So wurde etwa im 2013 wegen schlechten Wetters mit 1'500 Tonnen 60 Prozent weniger geerntet als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Importe steigen
Die Erntemengen an Brennkirschen schwankt von Jahr zu Jahr teils erheblich – wetterbedingt. Dass Brennkirschen nun aber zum knappen Gut geworden sind, hat nicht nur meteorologische Gründe.
Ebenso entscheidend sind die fundamentalen Veränderungen des Marktes in den letzten 15 Jahren. Bis Ende der 1990er Jahre erlebte der Anbau von Brennkirschen eine Hochblüte. Selten seien unter 10'000 Tonnen geerntet worden, erinnert sich Hansruedi Wirz, Präsident des Früchtezentrums Basel. Entsprechend hoch war die Kirschproduktion, in einem Spitzenjahr wie 1992 waren es 11'000 hl reinen Alkohols.
Goldene Ära vorüber
Ab 1999 waren die goldenen Jahre zu Ende. Die einheimischen Fruchtbrände verloren ihre Vorzugsstellung: Indem der Steuersatz für Importspirituosen demjenigen inländischer angepasst wurde, wurde die Einfuhr ausländischer Spirituosen billiger.
Im Jahr 2005, im Zuge der Bilateralen II, wurde der Zollschutz weiter abgebaut. Fortan konnten ausländische Obstbrände zu einem reduzierten Zollsatz importiert werden; Schweizer Brenner durften zudem Kirschen aus dem Ausland importieren und den daraus gebrannten Schnaps erst noch als "Schweizer Kirsch" verkaufen.
Sinkende Preise
Als Folge dieser Entwicklung gerieten Schweizer Obstbrände im Allgemeinen und Schweizer Kirsch im Speziellen mehr und mehr in die Defensive. Die Importe nahmen zu, die inländische Produktion hingegen sank und damit die Nachfrage nach Schweizer Brennkirschen.
Die Preise purzelten in den Keller. Teilweise erhielten die Obstbauern gerade noch 60 Rappen pro Kilo (Zum Vergleich: 1975 waren es 1,20 Fr./kg). "Das hat Spuren hinterlassen", resümiert Wirz. Die Produzenten verloren das Interesse an der Brennkirschenproduktion, Bäume wurden nicht mehr gepflegt, die Früchte nicht mehr geerntet. In den letzten zehn Jahren wurden durchschnittlich gerade noch 3'500 Tonnen gepflückt, während es 1998 – im Jahr vor der Einführung des Einheitssteuersatzes – über 10'000 Tonnen waren.
Viele Brennkirschen erwartet
Heuer wird mit guten Erträgen gerechnet, auf 4'000 bis 4'500 Tonnen wird die Brennkirschen-Ernte geschätzt. Ob diese Menge auch wirklich im Fass landen wird, ist noch ungewiss. "Bis vor 15, 20 Jahren war es selbstverständlich, die Brennkirschen zu pflücken", sagt Wirz. Das habe sich geändert. Heute würden die Bauern wegen der tiefen Preise die Früchte häufig nur noch ernten, wenn gerade keine weiteren Arbeiten auf dem Betrieb zu erledigen seien.
Komme hinzu, dass heutzutage immer weniger Leute auf den Betrieben arbeiten und sich Bauern zunehmend auf einzelne Betriebszweige spezialisieren würden, so Wirz.
Um das Pflücken wieder attraktiver zu machen, hat das Produktzentrum Destillate des Obstverbandes den Richtpreis um 20 auf 1.09 Rp./kg (für Suisse Garantie-Kirschen) erhöht – so viel wie seit Jahren nicht mehr.
Auch Schnapsbrenner Adrian Affentranger hofft, dass er seine gewünschten Mengen erhält. "In den Köpfen der Bauern ist fest verankert, dass man mit Brennkirschen kein Geld verdienen kann." Mit dem Inserat wolle man ein Signal setzen – dass Schweizer Brennkirschen wieder gefragt seien.
Michael Wahl, lid