Fischingen liegt zwar  im Kanton Thurgau. Und doch gibt es hier keine Apfelhaine. Auch keine grossen Beerenplantagen und weite, flache Felder. Hier ist nicht Mostindien. Hier befindet sich das einzige Berggebiet im Kanton. Und hier betreibt Familie Odermatt Milchwirtschaft. Der Hof in der Halden oberhalb von Fischingen liegt zwar nur auf 750 Metern über Meer, das Gelände ist aber steiler als auf mancher Alp. Hinter dem Stall ragt eine Nagelfluhwand in die Höhe, vor dem Stall geht es ein stotziges Tobel hinunter. Genau dieses Tobel wurde Oder-matts fast zum Verhängnis.

Bei jedem grösseren Gewitter rutschen Brocken  ins Tal.


Als Damian und Heidi Odermatt mit ihren Töchtern Maria und Ramona den Hof vor neun Jahren übernahmen, schien mit dem Hang noch alles in Ordnung zu sein. Unterhalb der schmalen Zufahrt zum Wohnhaus, die unter dem Stall hindurchführt, blieb auf der leicht abschüssigen Wiese sogar noch Platz genug, um einen Traktor zu parkieren. Erst danach ging es steil nach unten. Doch der Hang hielt nicht. Bei jedem grösseren Gewitter, in langen Regenphasen und bei der Schneeschmelze rutschten grosse Brocken ins Tal. Ganze Bäume und Büsche verschwanden über Nacht. Und der Abhang kam der Zufahrt immer näher. Es wurde so eng, dass die Räder des Traktors über den Abgrund hinausragten, wenn Damian vorsichtig unter dem Stall hindurchzirkelte. In der Kiesstrasse taten sich Risse auf.


Bei jedem Durchfahren ein mulmiges Gefühl


«Ich hatte jedes Mal beim Durchfahren ein mulmiges Gefühl», so Damian Odermatt. «Wir mussten etwas unternehmen.» Mehrmals liessen Odermatts die vorhandenen Verbauungen verstärken, investierten viel Geld und sicherten den Hang im Jahr 2012 erneut mit massiven Betonröhren. Doch schon wenige Monate nach der Sanierung kam der nächste Rutsch – das ganze Fundament gab nach, alles war wieder kaputt. Geologische Abklärungen ergaben: Es gibt nur eine Lösung. Der Hang muss mit langen Eisenankern im Fels gesichert werden. Ansonsten wird die Zufahrt eher früher als später abrutschen, und auch der Stall ist nicht sicher.

Also engagierten Odermatts sofort eine spezialisierte Baufirma, auch wenn die Ersparnisse der Bergbauern bei Weitem nicht reichten, um den offerierten Rechnungsbetrag zu bezahlen. «Wir hatten gar keine Wahl», so Damian. «Ohne gesicherten Hang war unsere Existenz bedroht.» Die Abklärungen mit den Versicherungen zogen sich dahin, weil noch kein Gebäude direkt betroffen war. Wie viel Geld Odermatts von der Versicherung erhalten werden, ist nach wie vor nicht ganz klar.

Rasche Hilfe war dringend nötig


Inzwischen war der Bau jedoch schon lange fertig, von der Baufirma kam Mahnung auf Mahnung, doch nach ersten Anzahlungen war kein Geld mehr vorhanden. Da wandten sich Odermatts an die Schweizer Berghilfe.

Der ehrenamtliche Experte Martin Reich erkannte vor Ort sofort, dass rasche Hilfe nötig war. Schon kurz darauf konnten Odermatts die offenen Rechnungen endlich vollständig bezahlen. Im Budget des Betriebs klafft immer noch ein Loch, und anstehende Investitionen müssen so lange wie möglich herausgeschoben werden.

Doch zumindest kommen keine eingeschriebenen Briefe mehr, und Odermatts können wieder zuversichtlicher in die Zukunft schauen. Und das beruhigende Gefühl geniessen, auch bei einem schweren Gewitter nicht immer Angst haben zu müssen, dass die Zufahrt samt dem Stall das Tobel hinunter verschwindet.


Der Abwanderung entgegenwirken


Die Berghilfe ist eine durch Spenden finanzierte Stiftung mit dem Ziel, die Existenzgrundlagen und Lebensbedingungen der Schweizer Bergbevölkerung zu verbessern. Die Unterstützung trägt dazu bei, Wirtschafts- und Lebensräume zu entwickeln und der Abwanderung aus dem Berggebiet entgegenzuwirken. 2014 unterstützte die Schweizer Berghilfe 631 Projekte mit über 28 Millionen Franken und löste damit ein Mehrfaches an Investitionen aus, die lokal Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen. Die Berghilfe trägt das Zewo-Gütesiegel.

Max Hugelshofer, 
Schweizer Berghilfe