«Der Streit um den Milchpreis erreicht einen neuen Höhepunkt.» Mit diesen Worten kündigt die "Tagesschau"-Moderatorin Cornelia Boesch am Freitagabend gegen 19.37 Uhr den nächsten Beitrag an. Es ist der Beitrag über den von der Migros geplanten Ausstieg aus der Branchenorganisation Milch, der Ende Jahr vollzogen werden soll. Wenn die Hauptausgabe der "Tagesschau" des Schweizer Fernsehens die Milchpolitik thematisiert, dann handelt es sich in der Regel um etwas Gröberes.

Und so hat BOM-Vizepräsident und Milchbauer Ruedi Bigler einiges zu tun. 24 Stunden, nachdem er vom Austrittsentscheid in Kenntnis gesetzt wurde, ist er immer noch wütend. Wütend auf den «stümperhaften Boykottaufruf» und auf die Politik.

Die Migros will aus der BOM austreten. Damit verlieren Sie den einen der zwei wichtigen Detailhändler. Hat die BOM ein Problem?

Ruedi Bigler: Für die BOM ist das sicher nicht gut. In einer Branchenorganisation ist wichtig, dass die grossen Akteure vertreten sind. Nur so kann man zusammen Probleme bereden und Lösungen entwickeln. Wenn einer der zwei grossen Detailhändler und die viertgrösste Molkerei fehlen, dann ist das nicht gut.

Sie sind BOM-Vizepräsident. Wann wurden Sie vom Migros-Entscheid in Kenntnis gesetzt?

Migros hat mich etwa eine Stunde bevor sie die Medienmitteilung verschickt hat in Kenntnis gesetzt. 

Wie ist die Stimmung 24 Stunden später?

Ich habe sicher schon bessere Momente erlebt. Es ist schlecht für uns Produzenten, wenn wir innerhalb der Branche nicht mehr gemeinsam an einem Tisch sitzen und Lösungen entwickeln können. Insbesondere, weil wir mit Migros einen Musterschüler verlieren. Migros hat bis jetzt immer die Entscheide mitgetragen und hat sich im Gegensatz zu anderen BOM-Mitgliedern an die Abmachungen gehalten. 

Migros beklagt sich über die Ränke- und Profilierungsspiele anderer BOM-Mitglieder. Zu Recht?

Ich möchte das anders formulieren: Ich verstehe Migros, dass sie sich nicht korrekt behandelt fühlt. Und ich verstehe, dass sie das Gefühl hat, dass Ränke- und Profilierungsspiele stattfinden. Ich gehe davon aus, dass der stümperhafte Boykottaufruf von Leuten, die die Sachlage nicht kennen, bei Migros ziemilch schlecht angekommen ist. Und wenn man dann noch im Bundeshaus von ebenjenen Leuten als Sündenbock vorgeführt wird, dann begreife ich, dass man das schlecht erträgt. Man hat mit dem Boykottaufruf auf den Falschen geschossen. 

Die SMP sagt, sie hätte deeskalierend gewirkt und alles versucht, die Migros als BOM-Mitglied zu halten.

Das unterstütze ich und sehe ich gleich. Meiner Meinung nach sind gewisse Bauernvertreter das Problem, die zwar sagen, dass sie sich für die Bauern einsetzen, ohne zu wissen, wie der Markt funktioniert. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Es ist richtig, dass der Bauernverband und die SMP auf die Rückbehalte und Abzüge Druck machen. Aber der eigentliche Milchpreis wird am Markt gemacht, nicht in der Politik. 

Die Migros betont, dass der Entscheid kein Schnellschuss war.

Im Nachhinein muss ich mich selbst auch an der Nase nehmen. Nach der ersten Aussprache im Bundeshaus (in der Pfingstwoche, die Red.), habe ich gehört, dass Elsa etwas lauter darüber nachgedacht hat, die BOM zu verlassen. Ich habe das dann nicht ganz so ernst genommen, wie dies vielleicht gut gewesen wäre.

BOM-Präsident Peter Hegglin sagte, er wolle versuchen, die Migros umzustimmen. Wie sehen Sie das?

Das ist sicher unsere Aufgabe im BOM-Präsidium. Wir müssen alles daransetzen, dass die Migros auf den Entscheid zurückkommt. Aber das ist schwierig, denn der Entscheid ist gereift. Und er wurde von der Geschäftsleitung in Zürich gefällt. 

Wie wollen Sie die Migros umstimmen?

Konkret kennen wir die Argumente noch nicht. Aber wir versuchen, der Migros aufzuzeigen, warum es von Vorteil ist, in der BOM vertreten zu sein. Ein wesentlicher Grund ist, dass Migros auch weiterhin Entscheide mitgestalten könnte.

Interview Hansjürg Jäger