In einem "Aufruf an alle Bauern und Unterstützer der Bauern" ruft eine Gruppe von Nationalräten zum Boykottieren der Migrosläden auf: "Unglaublich, die Migros verhindert die längst gerechtfertigte Milchpreiserhoehung von drei Rappen! Lieber jedes Jahr tausend Landwirtschaftsbetriebe weniger in der Schweiz, aber ein paar Migros Golfplätze dafür mehr. Aufruf zum Boykottieren der Migrosläden während den nächsten Wochen", heisst es in einer SMS, die seit gestern in bäuerlichen Kreisen zirkuliert.

Schneeballeffekt wie bei den Schlachtkühen

Der Aufruf ist eine Reaktion auf die offenbar durch Migros verhinderte A-Richtpreis-Erhöhung an der Vorstandssitzung der Branchenorganisation Milch vom vergangenen Mittwoch. Der "Blick" hatte gestern berichtet, Emmi-Chef Riedener weise jede Schuld für die unveränderten 65 Rappen pro kg franko Rampe weit von sich. Im Gegenteil habe die Migros geblockt (BauernZeitung Online berichtete).

Ziel der Urheber ist ein Schneeballeffekt: Jeder Empfänger solle diese SMS an 10 bis 50 Ihm bekannte Bauernbetriebe weiterleiten, so dass mit dem Aufruf die ganze Schweiz abgedeckt werden könne. Die Urheberschaft ist eine ähnliche wie im vergangenen August, als mit einer SMS-Lawine dazu aufgerufen wurde, Schlachtkühe vorläufig nicht zu verkaufen weil der Kuhpreis rasant um Fr. 1.20 runtergerissen worden war.

Aebi und von Siebenthal distanzieren sich

Zum Ad-hoc-Komitee gehörten damals unter anderen die SVP-Nationalräte Toni Brunner, Andreas Aebi, Erich von Siebenthal und Marcel Dettling. Beim Migros-Boykott sind nicht mehr alle an Bord. Bereits distanziert hat sich Nationalrat Andreas Aebi, der im SMS ebenfalls erwähnt war. Er wolle zuerst mit der Migros reden, sagte er auf Anfrage, er werde sich nächste Woche im Bundeshaus mit Migros-Vertretern treffen. Nicht dabei sei auch von Siebenthal, das könne er so sagen, erklärte Aebi. Offenbar ist das SMS zu früh in Zirkulation gegangen.  

Sicher dabei sind aber Emil Zwingli aus Wattwil SG, Peter Allemann aus Untervaz GR, Wendolin Casutt aus Falera GR, Ruedi Bachofen aus Aathal, Martin Haab aus Mettmenstetten ZH und Markus Gerber aus Bellelay BE. Es sei skandalös, dass die Migros beim Richtpreis klemme, sagt Gerber auf Anfrage, vor allem wenn man sehe, dass das Unternehmen eine sehr gute Wertschöpfung habe mit seinen Milchprodukten und keine Überschussverwertung finanzieren müsse.

"SMS-Text ist eine Frechheit"

Nicht alle Milchproduzenten stehen hinter dem Aufruf. Ein Lieferant der Migros-Tochter Estavayer Lait SA (Elsa) erklärt gegenüber der BauernZeitung, der Text des Aufrufs sei eine Frechheit. "Wir sind Elsa-Produzenten. Klar hätten wir gegen einen höheren Milchpreis nichts gehabt. Aber alle anderen Verarbeiter sollen erst mal die gleichen Rahmenbedingungen mit ihren Lieferanten schaffen und soviel vom Richtpreis ausbezahlen, wie das bei Elsa der Fall ist", so der Produzent.

Die Meldung wurde 15.55 ergänzt mit dem Statement von Andreas Aebi.

akr