Werner Locher führt in Birmensdorf ZH einen auf die Milchwirtschaft ausgerichteten Bauernbetrieb. 60 Milch
kühe, Jungvieh zur Remontierung und jährlich 25 Mastkälber stehen in seinem Stall. Mit einer Höhe von 550 Metern über Meer liegt der Betrieb im Säuliamt zwar im Talgebiet, aber das Gelände ist hügelig, die Böden lehmig. Die Betriebsfläche umfasst 32,69 Hektaren, 13,62 Hektaren davon sind offenes Ackerland, 16,5 Hektaren Naturwiese. Werner Locher bewältigt die Arbeit auf dem Betrieb zusammen mit einem Mitarbeiter. Zu den Spitzenzeiten springen seine Frau und seine beiden Söhne ein.
Während 30 Jahren Milchbauer mit Leib und Seele
Bei der gegenwärtigen Bewirtschaftung des Betriebs entspricht der Arbeitsanfall vier Standardbeitskräften. Mit der heutigen Ertragssituation resultiert ein Ertrag pro Standardarbeitskraft von 20'000 Franken. Dies bei einem Produktionsertrag von 326'000 Franken. «Kühe waren immer meine Leidenschaft», sagt Werner Locher, der Geschäftsführer von BIG-M.
Schon mit vier Jahren habe er täglich zweimal seine Kuh von Hand gemolken. Während 30 Jahren habe er nach bestem Wissen und Gewissen versucht, die Milchproduktion zu optimieren, und er sei immer offen für die neusten Erkenntnisse der Viehzucht gewesen. Ihm sei eine nachhaltige Milchproduktion wichtig, bei der das Wohl der Tiere im Zentrum stehe.
Betrieb soll in der Familie weitergeführt werden
Werner Locher ist 62 Jahre alt. Bis zu seiner Pensionierung möchte er der Milchwirtschaft treu bleiben – auch wenn die Situation mit der neuen AP, dem Wechselkurs und den fallenden Preisen an den Märkten schwieriger geworden ist. Nach Werner Lochers Pensionierung will Sohn Kaspar den Betrieb weiterführen. Er setzt aber etwas andere Akzente als sein Vater. «Ich will nicht Millionär werden. Ich will aber auch nicht nur rackern, auf das gesellschaftliche Leben verzichten müssen und wirtschaftlich ständig mit dem Rücken zur Wand stehen», sagt der ausgebildete Landschaftsgärtner mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung zum Gartenbaupolier.
Kaspar Locher wünscht sich eine gewisse Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen. Er strebt eine finanzielle Sicherheit an. «Die gibt es momentan nur im Nebenerwerb», sagt er. Kaspar Locher will deshalb den Arbeitsaufwand auf dem Hof senken. Die arbeitsintensive Milchwirtschaft kommt für ihn nicht in Frage.
Weniger Arbeit, mehr Direktzahlungen
Wie soll der Betrieb Locher in Zukunft ausgerichtet werden? Mit Blick auf die Betriebsübergabe hat sich die Familie vom Bauernverband beraten lassen. Christoph Hagenbuch vom ZBV-Beratungsteam kam zu dem folgenden Lösungsvorschlag:
- Der Betrieb wird von ÖLN auf Bio umgestellt. Die Milchproduktion wird aufgegeben. Der Tierbestand reduziert sich auf
20 Mutterkühe.
- Mit der Umstellung auf Mutterkuhhaltung steigt der Anteil der extensiv genutzten Wiesen (neu 14 Hektaren) und Weiden (neu 6 Hektaren) markant an. Neu dazu kommen 5,36 Hektaren Buntbrache. Das Ackerland reduziert sich auf 5,67 Hektaren.
- Mit dieser Betriebsform reduziert sich die Zahl der Standardarbeitskräfte auf zwei. Der Betrieb kann ohne Fremdarbeitskräfte bewirtschaftet werden. Eine zusätzliche Erleichterung besteht darin, dass der gesamte Tierbestand während des Sommers auf der Alp ist. Zudem entfallen die fixen Melkzeiten.
- Mit diesem Umbau verbessert sich die Ertragslage: Wie der Beratungsdienst errechnet hat, erhöht sich der Ertrag pro SAK von 20'000 auf 31'000 Franken. In diesem Betrag sind die Direktzahlungen eingerechnet.
- Komplett anders sieht es aus, wenn man auf die Produktion an Kalorien abstellt: Mit der bisherigen Produktion (vor allem Milch, Käse und Fleisch) kann der tägliche Bedarf von rund 370 Personen über ein Jahr gedeckt weden. Im Mutterkuhmodell werden die Direktzahlungen zwar verdoppelt. Es kann aber gerade noch der Bedarf von 41 Personen gedeckt werden.
- Die Berechnungen des Bauernverbands sind mit einer Unsicherheit behaftet: Ob die ökologischen Konponenten der Direktzahlungen weiterhin in der bisherigen Höhe entrichtet werden, ist ungewiss.
Die Situation ist schwieriger geworden
Das Beispiel des Betriebs Locher zeige es eindrücklich: «Mit der neuen Agrarpolitik wird der wichtigste Verfassungsauftrag an die Landwirtschaft – die Versorgung der Bevölkerung – geschmälert.» Das sagte ZBV-Präsient Hans Frei. Die sichere Versorgung werde zunehmend an das Ausland delegiert.
Wie Hans Frei ausführte, ist die Situation für die Familienbetriebe im Kanton Zürich im Jahr 2015 schwieriger geworden: Die reduzierten Übergangsbeiträge haben auf produktionsbezogenen Betrieben eine eingeschränkte Liquidität zur Folge. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses hatte bereits ab Februar zu massiven Abzügen auf der Milchabrechnungen geführt. Dazu kommen der Preizerfall an den Märkten und Erträge, die wegen der Trockenheit reduziert worden sind. Die Landwirtschaft werde am Markt abgestraft, so Frei. «Der Kanton Zürich, der fünftgrössten Agrarkanton der Schweiz, ist von dieser Entwicklung besonders betroffen», stellte der Präsident des ZBV fest.
Christian Weber