Wer mit dem Zug von Langenthal Richtung Burgdorf fährt, sieht etwas ausserhalb des Dorfes Riedtwil auf der rechten Seite den Oenzhof. Das grosse weisse Wohnhaus leuchtet schon von Weitem. Dort wohnt die 28-jährige Sara Affolter zusammen mit ihrem Mann, im September zogen sie ein. Vorher wurde das Elternhaus von Gerhard Affolter umgebaut.
Im April erhält die junge Familie Zuwachs, dann soll das erste Kind auf die Welt kommen. Eine spannende Zeit für Sara Affolter, die als Sozialpädagogin auch mit Kindern arbeitet. Sie ist seit drei Jahren im Kinderheim Friedau in Koppigen tätig, zur Zeit schwangerschaftshalber etwas reduziert.
Der Betrieb momentan
ein Nebenerwerb
Die letzten Jahre führten ihr Mann und sie den Oenzhof in einer Generationengemeinschaft mit den Schwiegereltern. Vor einem Jahr übernahmen sie den Hof ganz, und die Schwiegereltern zogen ins Dorf. «Wir haben uns vorgängig schon Gedanken gemacht», erzählt die junge Frau, die selber auf einem Bauernhof im Emmental aufgewachsen ist. «Wir wussten, es ist zwar eine
Belastung, kann aber auch eine grosse Chance sein.» 18 ha Land gehören zum Oenzhof, dazu 27 ha Wald, ein grosses Haus. Die Milchkühe waren verkauft worden, Mastschweine und Weidemastrinder sind im Moment die einzigen Tiere auf dem Hof. Dazu kommt Ackerbau und der Verkauf von Brennholz aus dem eigenen Wald – letzteres vor allem die Leidenschaft des Schwiegervaters.
Gerhard Affolter arbeitet zu 100 Prozent auswärts, als Berater für Futtermittel, Sara hat bis vor der Schwangerschaft ebenfalls 90 Prozent gearbeitet. «Im Moment ist der Betrieb eher ein Nebenerwerb», sagt sie und lacht. Doch mit einer Familie wäre es schon schön, mehr auf dem Hof sein zu können und weniger auswärts arbeiten zu müssen. «Wer weiss, vielleicht können wir sogar einmal etwas mit meinem Beruf verbinden», sinniert sie. Ideen hätte sie schon.
Im Moment steht jedoch anderes im Vordergrund. Sie absolviert gerade einen Gartenkurs am Waldhof in Langenthal und möchte sich, sobald es richtig Frühling wird, nicht nur ums Haus, sondern auch mehr ums «Drumherum» kümmern. «Dazu werde ich der Joker sein und immer dort mithelfen, wo es mich gerade braucht.» Gerne kümmert sie sich auch um die Kälbchen, die zur Mast auf den Hof kommen.
Platz für Flüchtlinge im grossen Haus
Weil das grosse Haus viel Platz bietet, haben sich Affolters bei der Flüchtlingshilfe und der Heilsarmee gemeldet. Sie würden gerne eine kleine Flüchtlingsfamilie oder ein Ehepaar aufnehmen. Es ist noch offen, ob und wann dies klappt. Doch es ist Sara Affolters Wunsch, hier einen Beitrag gegen das Flüchtlingselend leisten zu können. Sie ist sehr reisefreudig und war schon in vielen Ländern und auf fast allen Erdteilen unterwegs, auch im Nahen Osten. Das Schicksal der vielen Flüchtlinge lässt sie nicht kalt.
Schon nach dem Gymnasium ging sie für drei Monate in die USA, nach dem Studium in den Tschad, wo sie in einem Sozialprojekt mitarbeitete. Letztes Jahr unternahm sie mit ihrem Mann und Freunden eine grosse Töfftour, auf der Seidenstrasse fuhren sie bis nach Kirgistan. Eine spannende Erfahrung.
Spannend fand sie auch die Nationalratswahlen, an denen sie erstmals aktiv teilnahm, als Kandidatin auf der Liste der BDP. Sie interessiert sich für Politik, war aber bisher nicht selber engagiert. «Ich habe viele Leute kennengelernt, und wir wurden vom Berner Bauernverband gut unterstützt, das hat mich wirklich gefreut.» Ihr Ziel war es, mit den erhaltenen Stimmen nicht am Listenende zu landen, deshalb war sie mit dem 5. Platz mehr als zufrieden.
In einer Ecke des neu gestalteten Wohnbereichs blühen viele wunderschöne Orchideen. «Denen gefällt es anscheinend hier», meint Sara Affolter, die aber von sich nicht behaupten möchte, einen grünen Daumen zu haben. Doch sie liebt die Natur, bewegt sich auch gerne draussen, sei es beim Wandern, auf dem Snowboard, den Schneeschuhen oder dem Mountainbike. Sie singt in einer Band, und sie fotografiert gerne, nicht nur auf ihren vielen Reisen. Das nächste spezielle «Fotoprojekt» wird nicht mehr lange auf sich warten lassen
Renate Bigler-Nägeli