Gerade mal 0,8 Hektaren gross ist der durchschnittliche Landwirtschaftsbetrieb in Nepal, insbesondere im so genannten Berg- und Hügelland, in dem die meisten Bauern leben. Deshalb erstaunt es nicht, dass die Bauern, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, noch einem oder mehreren Nebenerwerben nachgehen, damit sie über die Runden kommen.
Einige Landwirtinnen und Landwirte sind auch Lehrer in der Dorfschule. Oder sie betreiben zusätzlich einen kleinen Laden oder ein Gästehaus für die lokale Bevölkerung und, während der Saison im Frühling und Herbst, für die Touristen. So auch Familie Sherpa im Dorf Monju auf 2'800 Metern über Meer. Das Dorf befindet sich im Distrikt Solukhumbu im nordöstlichen Himalaja-Gebirge, wo auch der höchstgelegene Berg der Welt, der Mount Everest liegt.
Drei-Generationen-Betrieb
Besitzerin des ein Hektar grossen Landwirtschaftsbetriebs sowie des Monju Guest House ist Doma Sherpa, 65 Jahre alt. Die Hauptbewirtschafter beider Betriebe sind jedoch ihr Sohn, Pempa Dorsi Sherpa, sowie dessen Frau, Ngimale Sherpa, beide um die 40 Jahre alt. Auch deren beide Söhne, Nima Owdi und Prubasoma, 15 und 10 Jahre alt, helfen tatkräftig daheim mit, sofern sie nicht gerade die Schule besuchen.
Die Produktion auf ihrem Landwirtschaftsbetrieb richtet die Drei-Generationen-Familie Sherpa ganz auf ihre Selbstversorgung sowie auf die Verpflegung der Gäste in ihrem Restaurant aus. Auf der etwa 0.4 Hektaren grossen Parzelle bei ihrem Wohn- und Gästehaus pflanzt sie vor allem Kartoffeln, aber auch etwas Gemüse, wie Bohnen oder Karotten, an. Zudem stehen dort auch 25 Apfelbäume, klein gewachsene Hochstämmer. Mit den Äpfeln bäckt die Familie Apfeltorten für ihre Gäste. Das Getreide, vor allem Weizen und Gerste, baut Landwirt Pempa Dorsi auf Parzellen an, die weiter vom Haus entfernt liegen.
Innovation Gewächshaus
Als grösste Innovation auf ihrem Betrieb bezeichnet Bäuerin Ngimale das Gewächshaus, das sie vor einigen Jahren erstellt haben. Darin produzieren sie Tomaten, Spinat, Gurken und Salat. Dank dem Gewächshaus ist die Speisekarte ihres Restaurants vielfältiger und attraktiver geworden. Insbesondere ermöglicht das Treibhaus schon im März/April, nebst September/Oktober die wichtigste Saison im Trekking-Tourismus, die Produktion von frühem Salat und etwas Gemüse für die Gäste.
Familie Sherpa hält auch zwei Kühe, Yak-Mischungen, für die Versorgung mit eigener Milch. Zudem liefern die Kühe Dünger für die Ackerkulturen. Eigentlich verbilligt der Staat Saatgut und Düngemittel; eine termingerechte Versorgung, insbesondere in entlegene Regionen, mehrere Tagesmärsche entfernt von der nächsten Strasse, gibt es aber praktisch nicht.
Vor allem Subsistenzwirtschaft
Landwirtschaft ist das Rückgrat von Nepals Wirtschaft: Etwa 70 Prozent der Bevölkerung finden darin eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung. Dabei werden nur etwa 20 Prozent der Gesamtfläche Nepals landwirtschaftlich bewirtschaftet, da sich das Hochgebirge Himalaja quer entlang der Grenze zu China durch den ganzen Norden Nepals zieht und zudem ein grosser Teil der Landfläche bewaldet ist.
Die drei sehr unterschiedlichen Klimazonen unterteilen Nepal querdurch in drei gürtelförmige Streifen. Das landwirtschaftlich nutzbare Land ist darin so verteilt: Im Hochgebirge des Himalajas liegen 24 Prozent der Landwirtschaftsfläche, in der tiefer gelegenen Berg- und Hügelzone 56 Prozent und im dem wenig über dem Meeresspiegel gelegenen Terai mit tropischem Klima 20 Prozent. Trotz dieses geringen Anteils flächenmässig, wird im Terai am meisten produziert mit der grössten Vielfalt an landwirtschaftlichen Produkten, da das tropische Klima eine Produktion rund ums Jahr ermöglicht.
Wichtigste Kulturen sind Reis, Weizen und Mais
Reis, Weizen und Mais werden in Nepal am meisten angebaut: Im Terai und in der Hügel- und Bergzone dominieren Reis-basierte Anbausysteme, gefolgt von Weizen oder Mais als zweiter Kultur. In der Hochgebirgsregion werden eher Mais, Hirse, Gerste und Buchweizen angebaut. Hier ist, bedingt durch das kältere Klima, nur eine Hauptkultur pro Jahr möglich. Tee, Kardamon, Agrumen, Ingwer und Kaffee werden im Hügelland angebaut, während die Früchte wie etwa Mango, Papaya und Bananen eher vom Terai stammen.
Die geringe landwirtschaftliche Betriebsfläche sowie die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Sektoren haben zur Folge, dass die meisten nepalesischen Bauern Subsistenzlandwirtschaft betreiben. Denn wegen fehlender Infrastruktur an Strassen und Stromversorgung und mangels finanzieller Ressourcen bewirtschaften die Bauern ihre Betriebe mit traditioneller Technologie.
Die Jungen wandern aus
Eine Ausnahme bildet das Terai: Hier hat eine gewisse Mechanisierung in der Landwirtschaft stattgefunden. Die fehlenden und unattraktiven Beschäftigungsmöglichkeiten bewirken, dass sehr viele junge Leute Nepal verlassen und vor allem in die Golfstaaten und nach Malaysia arbeiten gehen. Dieser Trend nimmt jedes Jahr zu. Die Folge: Die landwirtschaftliche Arbeit obliegt den Zurückgebliebenen: alten Leuten und Frauen.
Wo es Beschäftigungsmöglichkeiten, so wie im Dorf Monju durch den Tourismus gibt, bleiben die jungen Leute eher im Lande. Der ältere Sohn von Familie Sherpa, Nima Owdi, kann sich auf jeden Fall sehr gut vorstellen, den Betrieb seiner Eltern dereinst einmal zu übernehmen.
Brigitte Weidmann, lid