Susan Richli bringt die Blüten der zartrosa «Aphrodite» dicht an ihr Gesicht und atmet tief ein. Sie bückt sich wieder, schneidet einen Stiel der dunkelrosa «William Shakespear». Über 500 Rosenstiele hat sie im Morgentau mit ihrer Angestellten schon geschnitten. Ein grosser Teil ist für die Schafuuser Wiiprob am Wochenende bestimmt. Die Blüten von «rosartig» zieren so manches Fest.
Die 48-jährige Bäuerin aus Osterfingen SH hatte noch nie Rosen gepflegt, ehe sie ein Ausflug zu einer Rosenschauanlage machte. Da hat es sie gepackt. In der Osterfingen Trotte fand fast jedes Wochenende ein Fest statt, wobei die Blumen stets von auswärts kamen. «Das kann es doch nicht sein!», dachte Susan Richli, und pflanzte im Jahr 2007 mit ihrem Mann Hans-George 700 Rosen an. «Ich habe viele Bücher gelesen, es war ein ‹Learning by Doing›!»
Die Verantwortlichkeiten sind klar definiert
Damals hatte sie noch keinen Kühlraum, nur einen Selbstbedienungskasten vor dem Haus. Die Werbung beschränkte sich auf «von Mund zu Mund». Schon im ersten Jahr hatte sie meist zu wenig Schnittrosen. Jedes Jahr wurde dazugepflanzt, bis es etwa 2800 Rosenstöcke waren. Heute füllt sie während der Saison täglich drei Selbstbedienungskästen, ist zwei Tage am Schaffhauser Bauernmarkt dabei und hat eine rege Kundschaft. «Rosartig» wuchs zu einem wichtigen Betriebszweig heran.
Die gelernte Internationale Telefonistin schätzt die Kontakte, die ihr die Rosen ermöglichen. «Sprache, Länder, Geografie, die waren für mich wichtig», sagt Susan Richli. «Ich wollte eigentlich mal Reiseleiterin werden.» Dann lernte sie Hans-Georg kennen und kam nach Osterfingen ins Haus «zum alten Sternen». «Jetzt mache ich halt Osterfinger Gartenpfad- und Rosenfeldführungen», sagt sie und lacht.
Nebst dem Rosenfeld bewirtschaften Richlis eine Hektare Reben, sieben Hektaren Ackerland und Wiesland für etwa 50 Mutterschafe. Ein grosser Teil der Arbeit lastet auf der Bäuerin, da ihr Mann vollzeit auswärts arbeitet. Die drei Kinder zwischen 15 und 20 Jahren sind in der Schule oder der Lehre. Bei den schwereren Arbeiten kann sich Susan Richli aber voll auf ihre Familie verlassen: «Die Verantwortungen sind klar definiert.»
Stress ist, wenn das Wetter nicht passt
Zeit, um einfach mal in die Stadt zu gehen, gibt es nicht. Aber das stört Susan Richli wenig. Lieber ist sie schon um die Tagwache im Rosenfeld. «Am Morgen riecht es so fein», sagt sie. «Dort ist Ruhe und Frieden.» Etwa zweieinhalb Stunden lang schneidet sie alte Blüten ab und frische Stiele für den Verkauf.
Zu Hause, im ehemaligen Kuhstall, wird es dann hektischer. Die Rosen wollen sortiert, entdornt, gesteckt und zu den Kunden gebracht werden. Eine Frau vom Dorf hilft ihr mehrere Tage pro Woche. Bei Mehrarbeit steht ihr noch eine zweite Person bei. Es können auch mal Aufträge für 1000 Rosenblüten einkommen. «Was mich stresst, ist, wenn das Wetter nicht passt», sagt Susan Richli, «oder wenn ich Bestellungen bekomme und nicht sicher bin, ob ich dann genug Rosen habe.»
Weil der Morgen den Rosen gehört, geht es erst am Nachmittag in die Reben. Diesen Sommer war sie oft alleine dort. «Es geht doch niemand in die Reben, wenn es so heiss ist», erklärt die Rebfrau. Sie weiss aber, wenn sie mit den Rebarbeiten in Verzug kommt, brauchen alle Arbeiten viel mehr Zeit. Das Ehepaar Richli hat die Rebparzellen unter sich aufgeteilt. Hans-Georg macht seine nach der Arbeit. An Samstagen helfen auch mal die Kinder mit.
Familientisch am Abend
Zum Kochen vom Abendessen gehts nach Hause. Dann ist die Familie zusammen am Tisch; jeder hat etwas zu erzählen. So lange die Kinder noch heim kommen, möchte ihre Mutter für sie da sein. Bei so viel Arbeit braucht es Auszeiten. Diesen Sommer genoss die ganze Familie eine Woche Ferien in der Bretagne. Im Winter gibt es zwei Wochen Skiferien. «Was ich auch sehr schätze, ist ein Wochenende fort mit meinem Mann», sagt Susan Richli.
Im Winter, wenn die Rosen ruhen, kann sich die geschäftige Frau endlich mal hinsetzen mit einem Kaffee, in aller Ruhe die Zeitung lesen und sich über die neusten Rosensorten informieren.
Marianne Stamm