Es gibt Menschen, die reden darüber. Und es gibt Menschen, die machen es. Einer davon ist Lorenz Bärtschi aus dem bernischen Kriechenwil. Schon in seinen Jugendträumen wusste er, für was sein Herz schlägt. «Ich hatte schon von klein auf eine Schwäche für Ziegen», blickt der engagierte Landwirt lachend zurück. Für ihn war klar: Wenn er einmal den Betrieb übernehmen sollte, wollte er lieber Ziegen anstatt Kühe melken.


Ohne Mithilfe der Politik


Natürlich spielt dabei das Umfeld eine wichtige Rolle für das Entstehen, Umsetzen und Gelingen von Ideen. Kreativität und Innovation finden überall statt – vielleicht erst recht, wenn die Umstände schwieriger sind. «Die prekäre Situation auf dem Kuhmilchmarkt gibt mir heute recht», sagt ein zufriedener Lorenz Bärtschi.  Er hat mit der Ziegenhaltung eine Nische gefunden, die stark am Wachsen ist. Zurzeit löst er einen Milchpreis von Fr. 1.35.


Mit seinem selbst kreierten Käse «Chèvre de Berne», einem Halbhartkäse aus thermisierter Ziegenmilch, hat er den Geschmack der Konsumenten getroffen. Mit diesem Käse schaffte er es sogar in die Regale von Coop und Migros. 

Bärtschi hat scheinbar das Unmögliche möglich gemacht und dies ohne Mithilfe von Verbänden und Politik. «Ich will nicht sagen, dass dies einfach war und in Zukunft einfach sein wird», räumt der Junglandwirt ein. «Wenn man ein Produkt lancieren will, heisst es auf die Leute zugehen, Gespräche führen, verhandeln, Werbung machen und seine Ideen bestmöglich zu verkaufen.»

Betrieb für Konsumenten öffnen


Auch den Betrieb gegenüber für die Konsumenten zu öffnen, wie dies Lorenz Bärtschi letzten Sonntag, anlässlich der «Stallvisite» gemacht hat, ist für den Landwirt wichtiger denn je. «Den Leuten aufzeigen, wie die Tiere gehalten werden und wo die Nahrungsmittel ursprünglich herkommen, ist die beste Reklame für die Schweizer Landwirtschaft», ist er überzeugt.


Anfang Oktober 2013 waren die ersten Ziegen auf Bärtschis Betrieb eingezogen. 70 Ziegen, davon 20 Milchziegen und 50 Jungtiere der Rasse Weisse Deutsche Edelziege hat der Junglandwirt aus Österreich in die Schweiz importieren können.

Doch musste zuvor ein Stall gebaut und ein interessierter Verarbeiter gesucht werden, der auch die Garantie für den nötigen Absatz gab.  «Deswegen schaltete ich ein Inserat, wo einer der ersten Interessenten Emmi war. Nach Gesprächen und deren Scheitern ging die Suche weiter und ich erhielt schliesslich drei Monate später die Zusage von der Käserei Räz in Uettligen BE.»
 

Gute Zusammenarbeit


«Unsere Zusammenarbeit läuft bis zum heutigen Tag hervorragend», sagt ein zufriedener Landwirt. Die Milch liefert er alle zwei Tage in der Uettliger Emmentaler-Käserei ab. Dort wird sie weiter zu «Chèvre de Berne» verarbeitet und dieser bleibt solange im Keller bis er auf Bestellung ausgetragen wird. 

Und wie heisst das Betriebsgeheimnis seines Käses? «Ich kann nur so viel sagen: Der «Chèvre de Berne» ist eher durch Zufall so entstanden, wie ihn heute die Leute im Laden kaufen können.» Und weiter? «Mehr sage ich nicht!», lacht Lorenz Bärtschi.

Die Umstellung auf Ziegen sei aber nicht ganz billig, gibt er zu. «Ein neuer Stall mit 150 Milchziegen inklusive Melkanlage kostet gegen 450 bis 500  000 Franken. Dazu kommt der Kauf der Ziegen (zirka 600 Franken pro gesundes Tier)», da müsse man schon überlegen und rechnen, ob man die Investition tätigen will oder nicht.


Es hat sich viel getan


In den letzten Jahren hat sich also bei Lorenz Bärtschi viel getan. 2012 hat er den elterlichen 17-Hektaren-Betrieb übernommen, den Ziegenlaufstall gebaut, einen Abnehmer für seine Milch gesucht, einen Ziegenkäse kreiert und ab 1. Januar 2016 den Betrieb den Bio-Richtlinien angepasst.


Von der Idee angetrieben, Ziegenmilch zu produzieren, ist er Tausende Kilometer gefahren und Betriebe in Österreich, Deutschland und Frankreich besucht. Heute hält er im grosszügigen Laufstall zirka 150 Ziegen, davon 70 Muttertiere. «Der Platz würde für 150 Muttertiere reichen und auf dieses Ziel arbeite ich hin», sagt der Landwirt. «Aber ohne Abnehmer, kein Wachstum», ist er sich bewusst. «Jetzt bin ich im Gespräch mit Coop Basel und ich erhoffe mir, dass mein Biokäse nicht nur regional, sondern auch national in die Verkaufsregale kommt.»


Gegen zehn Tonnen Käse


Acht bis zehn Tonnen Käse kommen pro Jahr zusammen. «Da unsere Ziegen vor allem Raufutter (getrocknete Luzerne und Weide zur freien Verfügung) und während des Melkens im 16er-Stand etwas Kraftfutter erhalten, sind die Leistungen von 400 bis 500 kg pro Jahr und Ziege auch nicht sonderlich hoch», so der Ziegenbauer.


Die Ausbeute liegt zur Freude von Produzent und Käser bei knapp 15 %. «Die Nachfrage will ich so fördern, dass der ‹Chèvre de Berne› ein beliebtes, rares Produkt bleibt. Das ist mein Ziel.» Nur so werde ein Milchpreis von Fr. 1.50 realistisch. Ob Bärtschi in Zukunft das ganze Jahr Milch liefern wird, oder nur im Frühling und im Sommer, steht noch offen. «Wenn ich auch im Winter melken möchte, müsste ich meine Ziegen synchronisieren, damit diese nicht nur im Frühling Junge kriegen. Als Biobauer geht mir das aber eigentlich gegen den Strich.»


Einzigartig, saisonal hergestellt und nicht das ganze Jahr kaufbar: «Das wäre vielleicht ein gutes Verkaufsargument», überlegt sich Lorenz Bärtschi.


Peter Fankhauser

Weitere Informationen unter: www.ziegenspezialitaeten.ch