Wenn das Bauchgefühl nicht stimmt, bleibt Simon Häfeli auf dem Boden. Es ist schon vorgekommen, dass er auf dem Flugplatz umgedreht hat. "Wenn in der Luft etwas passiert – wenn du mit diesen kleinen Maschinen zum Beispiel in ein Gewitter gerätst, dann kommst du nachher in der Zeitung, und zwar das letzte Mal", stellt er klar.
In der Luft im Element
Aber einmal gestartet, ist er in seinem Element. "Man muss etwas frech sein, dann kommt man durch", sagt er. Und präzisiert sofort: Damit sei nicht Risikofreudigkeit gemeint, sondern Unerschrockenheit. Mit Selbstvertrauen, an das Können angepasst. Simon Häfeli nutzt die Mietmaschinen des Flugplatzes Birrfeld. An diesem Tag startet er eine vierplätzige Robin mit einem maximalen Abfluggewicht von 1000 Kilo und 210 km/h Höchstgeschwindigkeit. Es tönt abenteuerlich, wenn er vor dem Start die umfangreiche Checkliste durchgeht. Der 25-Jährige relativiert: Viel Elektronik habe es heute auch in den Traktoren. Das Fliegen an und für sich sei keine Zauberei; die grössten Herausforderungen seien das Landen und die Vorbereitung der Flüge durch die vielen Lufträume. "Mit der Rübenmaus durch den abendlichen Stossverkehr in Baden zu fahren, verlangt genauso Aufmerksamkeit." Viel Verkehr gebe es andererseits auch in der Luft. Und grenzenlos ist die Freiheit schon gar nicht. "Wenn du ohne Einflugbewilligung in einen gesperrten Luftraum fliegst, gibt es hohe Sanktionen." Viele Privatpiloten würden sich darum gerne auf bekanntem Gebiet bewegen. Er hingegen liebt neue Routen.
Popstar im Flugzeug
"Die Schweiz ist schön, aber klein", findet Simon Häfeli. In 15 Minuten hat er das Seetal abgeflogen, in 45 Minuten ist er vom Birrfeld in Locarno. Dort gibt es zwar eine phänomenale Pizza, aber das Erlebnis nutzt sich. Diesen Sommer flog er mit einem Kollegen nach Korsika. Der Küste entlang entdeckten sie aus der Luft herrliche Buchten, überflogen luxuriöse Privatjachten, erlebten ungemütliche Turbulenzen im Küstenwind. "Das gehört dazu." Seine heikelste Situation im Cockpit: Ein Leistungssensor stieg aus, die Landung gelang trotzdem, aber den Flieger musste er stehen lassen und im Zug nach Hause fahren. Andere Überraschungen sind willkommener. Etwa, als sich der Passagier eines Routine-Rundflugs als Popstar Alvaro Soler entpuppte, der sich nach seinem Auftritt am Argovia-Openair die Schweiz aus der Luft ansehen wollte.
Mit Nebenjobs finanziert
Simon Häfeli war noch im Kindergarten, als ein Luftfotograf seinen Helikopter auf dem Hof der Familie stationierte. Er nahm den Jungen manchmal mit auf einen Flug. Von da an wollte dieser selber in die Luft. Mit 15 Jahren begann er neben der Landwirtschaftslehre die Ausbildung als Privatpilot. Mit 17 Jahren hatte er die Lizenz in der Tasche, finanziert aus seinem Lehrlingslohn und Nebenjobs. Einem anderen Traum hingegen trauert er ab und zu nach: Militärpilot wäre er gerne geworden. Aber die Anforderungen schreckten ihn ab, "dass ich es nicht mal versucht habe, das reut mich". Linienpilot lockt ihn weniger. Von einem Kollegen weiss er, dass dort viel Routinearbeit und Autopilot angesagt sind. Sein kleines Motorflugzeug hingegen steuert er selber – es gibt ihm die Freiheit, die er liebt.
Die Flugzeugmiete kostet rund 200 Franken pro Stunde. Verdienen darf Simon Häfeli als Privatpilot nichts. Aber er schreibt seine Flüge auf Facebook aus und nimmt für seine jährlichen 50 bis 60 Flugstunden meistens Passagiere mit; so kann er die Kosten aufteilen. Während seiner Grundausbildung lud er einmal einen Landwirtschaftslehrer auf einen Flug ein. Dieser arbeitet mittlerweile als Fluglehrer auf dem Birrfeld, während Simon Häfeli wieder an der Liebegg ist für seine Weiterbildung zum Meisterlandwirt.
Vielseitige Nebenjobs
Auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb in Seon mit Milchwirtschaft, Ackerbau und Lohnunternehmungen ist Simon Häfeli zu 100 Prozent angestellt. Sie seien gut eingerichtet, sagt er. Freizeit lasse sich organisieren. Wobei das ein dehnbarer Begriff ist: Neben dem Vollzeitpensum als Landwirt fährt er aushilfsweise LKW und bedient im Herbst die Rübenmaus des Rübenumschlags Aargau. Auf dem Flugplatz Birrfeld arbeitet er stundenweise im Büro und ist mittlerweile einer der stellvertretenden Flugplatzleiter. Wenn die Zeit für einen Ausflug in die Luft reicht, geniesst er den weiten Horizont, den Überblick, die Distanz zu irdischen Kleinigkeiten. "Es ist ein idealer Ausgleich zur Körperarbeit in der Landwirtschaft. Eine Kopfsache, die oft hohe Konzentration verlangt, bei der ich aber auch entspannen und abschalten kann." Gerne betrachtet er den Boden, den er tagtäglich bearbeitet, zwischendurch aus der Luft – oder, noch lieber, entdeckt Neuland.
rae
Die Zentralschweizer Ausgabe der BauernZeitung porträtiert in den nächsten Ausgaben im Rahmen der Sommerserie Bäuerinnen und Bauern mit aussergewöhnlichen Hobbys.