Walter Münger wollte mit 60 seine Vorstandsämter und Mandate abgeben. Er wollte sich um seine 75 Braunviehkühe und um Haus und Hof in Muolen SG kümmern. Er wollte sicherstellen, dass die nächste Generation den Einstieg in die und er den Ausstieg aus der Landwirtschaft in Ruhe finden und gestalten kann.

Heumilch macht munter

Es ist Mittwoch, die Garage in Küssnacht am Rigi SZ noch ziemlich kalt.  Walter Münger ist 61 und wie seine Vorstandskollegen trotz der morgendlich kühlen Luft schon auf Betriebstemperatur. Münger begrüsst gut 25 Journalisten, Milchbauern, Käser und Verbandsfunktionäre zur ersten Jahresmedienkonferenz von Heumilch Schweiz. Seit Viertel vor Fünf ist er auf den Beinen. Zuerst hat er sich über den schönen Morgen gefreut. Dann über die Milch seiner Braunviehkühe. Um halb sieben Uhr ging er ins Haus, hat geduscht, sich umgezogen, einen Kaffee getrunken. Kurz vor sieben Uhr fuhr er los, von Muolen nach Küssnacht. Drei Stunden und ein kleines Frühstück später will er die anwesenden Journalisten überzeugen, die Idee der Heumilch in die ganze Schweiz, ja sogar in die ganze Welt zu tragen.

«Heumilch basiert auf der Fütterung, wie sie sich die Evolution vorgestellt hat. Im Sommer Gras, im Winter Heu vom eigenen Betrieb», erklärt Walter Münger einleitend. Für ihn ist klar, dass Heumilch mit der traditionellsten und besten Fütterung seiner Kühe gleichgesetzt werden kann. Dafür müssen er und alle anderen Heumilchproduzenten auf die Produktion, die Lagerung, sogar den Handel mit Grassilage verzichten (siehe Tabelle). Dafür produzieren nach Ansicht von Münger die Milchbauern das, was die Konsumenten wollen: Milch aus Gras, von gut gehaltenen Tieren auf Höfen, wo auch die Familie in der Milchproduktion eine Perspektive sehen kann. Walter Münger will mithelfen, dass sich die Dinge für die Milchbauern zum Positiven wenden können.

Unterwegs wie geplant

Gleichzeitig folgt er dem von Pirmin Furrer vorgespurten Weg. Furrer ist Geschäftsführer der Genossenschaft Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) und hat von 2014 bis 2016 massgeblich an der Ausarbeitung des Projektes  «Heumilch» mitgewirkt.

Da Heumilch in der ganzen Schweiz produziert werden soll, hat man im Juli 2016 den Verein Heumilch Schweiz gegründet. Dieser ist nicht direkt mit der ZMP verbunden. Ausserdem hat sich Furrer beim Projekt zurückge-
zogen und Walter Münger davon überzeugt, das Präsidium des neuen Vereins zu übernehmen.  Da war Münger schon 60 und wollte eigentlich aussteigen. Doch nach einem langen Gespräch und einigen Tagen Bedenkzeit wurde klar, dass Münger doch das Gesicht von Heumilch Schweiz werden will. «Er ist einer der überzeugtesten Heumilchproduzenten in der Schweiz», sagt Furrer. Münger kommt aus der heumilchkritischen Ostschweiz. Und Münger ist kommunikativ. Spricht der Meisterbauer von Heumilch, leuchten seine Augen, strahlt sein Gesicht.

Österreich als Vorbild

«Uns muss es gelingen, das so zu machen, wie in Österreich. Es braucht mehr Emotionen im Verkauf», sagt Walter Münger. So werde in Österreich ganz anders über Heumilch berichtet. «Viel positiver, viel schöner, viel besser. Das müssen wir auch schaffen», sagt er. Und so ist er auch stolz darauf, mit den österreichischen Vorbildern zusammenarbeiten zu dürfen. «Gnüssend jetzt denn emol de Karl. Jetzt gspürender emol öschterrichischi Liideschaft», sagt er in der kalten Garage in Küssnacht am Rigi  den Anwesenden. Karl Neuhofer kommt aus Strasswalchen im österreichischen Salzburgerland, ist Obmann der Arbeitsgemeinschaft Heumilch Österreich und so etwas wie der oberste Heumilchbauer in Europa. «Heumilch ist ein Premiumprodukt aus dem Alpenbogen, das in der ganzen EU verkauft werden kann», sagt Neuhofer. Er ist angereist, um die letzten Zweifel an der Heumilch auszuräumen, hält ein Plädoyer für eine etwas andere Milchproduktion, bei der alle in der Wertschöpfungskette ihre Kosten gut decken können. Er sei überzeugt, dass Walter Münger der richtige Präsident für Heumilch Schweiz sei. Dass der Ostschweizer reden und Präsident sein kann, hat er schon oft bewiesen. Und immer noch will Münger als Präsident das tun, was nötig ist. Und er will es mit Kraft, Leidenschaft und Blick nach vorne tun. Dass Münger es dabei nicht bloss beim «Präsidentsein» bewenden lässt, sondern auch Einfluss nehmen will, versteht sich damit von selbst.

Heumilch ist nicht nur beliebt

Und das ist auch nötig. Denn Heumilch hat auch in der Milchbranche einen schweren Stand. Sie differenziere sich zu wenig am Markt, sagen die einen. Das Label überfordere die Konsumenten, sagen die anderen. Die Heumilch wird selbst innerhalb der Landwirtschaft kritisch betrachtet. Als Eindringling, als zusätzliches Label, auf das die Welt nicht gewartet hat.

Tatsächlich dürften die Kritiker einen Punkt verbuchen: Heumilch unterscheidet sich für den Konsumenten nur in Nuancen von der IP-Suisse-Wiesenmilch oder Biomilch (siehe Tabelle). Der wesentlichste Unterschied in den Reglementen ist der konsequente Siloverzicht. Während der Biomilchmarkt insgesamt relativ gut funktioniert, ist Wiesenmilch nur in den Regionen der Migros Aare und Luzern erfolgreich. Dem Konsumenten nachhaltigere Milch
zu verkaufen ist hartes Brot. Und die Heumilch hat trotz ihrem vielversprechenden Namen vorerst keinen einfacheren Stand.

Davon lässt sich Walter Münger nicht beirren. Und Heumilch-Vizepräsident Sepp Werder, der zuerst der Heumilch skeptisch gegenüberstand, legt nach: «Um einen guten Käse zu machen, braucht es Heumilch. Und es wird immer Heumilch brauchen, um wirklich guten Käse herzustellen.» 

«Für zwei Drittel aller Schweizer Käse braucht es Heumilch als Rohstoff», sagt Walter Münger. Mit Silomilch können die etablierten Schweizer Käsesorten gar nicht hergestellt werden.

Dass der Weichkäsehersteller Baer ab 22. Mai in 480 grösseren Coop-Verkaufsstellen in der ganzen Schweiz Camembert, Brie und Tomme aus Heumilch verkaufen wird, zeigt, dass das Interesse für das in der Schweiz noch junge Produkt durchaus vorhanden ist.

Und Walter Münger? Nach der Medienkonferenz ist er zufrieden und denkt schon weiter. An die nächsten Gespräche mit den Detailhändlern. Er will der Marke Heumilch und ihren Produkten in allen Schweizer Detailhandelsketten zum Durchbruch verhelfen.

Hansjürg Jäger