Als die kleinsten Schafe der Welt leisten die Quessantschafe auf dem Weingut der Winzerfamilie Burkhart in Weinfelden eine grosse Arbeit. Nach dem Wimmet beginnt jeweils ihr saisonaler Einsatz. Der Vormittag im Thurtal ist neblig. Die Rebstöcke am Hang des Ottenbergs sind leer, der Wimmet ist vorbei, die Trauben sind im Fass.

Jetzt erst kann Michael Burkhart (34) aufatmen. «Die Problematik mit der Kirschessigfliege beschäftigt uns stark, und erst wenn alle Trauben gelesen sind, haben wir die Gewissheit, dass alles gut ist», sagt der junge Winzer.


Dass alles gut ist, sieht man dem jungen Mann an. Er strahlt, als er bei unserem Besuch Ende Oktober erzählt, dass er erst vor ein paar Tagen, zusammen mit zwei anderen Weinbauern aus der Region Weinfelden, vom Gourmetführer Gault-Millau zu den besten 20 Winzern der   Deutschschweiz auserwählt wurde.

Die Weichen für die Zukunft neu gestellt


«Wir arbeiten erfolgreich», sagt Michael Burkhart bescheiden, und meint damit den Rebbaubetrieb, den er seit mehr als zehn Jahren zusammen mit seinen Eltern in der siebten Generation führt. 2003 hat man hier die Weichen für die Zukunft neu gestellt und mit dem Bau des Weinkellers den ersten Schritt zum Selbstkelterer eingeleitet. «Nun begleiten wir den Wein von der Rebe bis zur Flasche», sagt er und erwähnt, dass es nicht mehr geht ohne Innovation, gepaart mit dem starken Willen, nachhaltig, naturnah und umweltverträglich zu produzieren.


Auf dem Hof von Vater Willi Burkhart gab es schon immer Tiere. Und vor noch nicht allzu langer Zeit frassen die Milchschafe das Gras zwischen den Reben weg. Deshalb  kam die Familie während des Versuchs, den Rebberg biodynamisch zu bewirtschaften, auf die Quessantschafe. «Wir achten auf einen vielseitigen Artenreichtum von Pflanzen und Tieren, setzen nur so wenig Pflanzenschutzmittel wie nötig ein und pflegen einen natürlichen Umgang mit Ressourcen», erklärt der junge Winzer. Dass die Quessantschafe

dabei eine ganz wichtige Rolle übernehmen, liege längst auf der Hand.


«Wir schätzen die Quessants als unsere Arbeiter»


Während Michael Burkhart von den Quessants erzählt, leuchten seine Augen. Durch ihr leichtes Gewicht – ein ausgewachsenes Quessantschaf wiegt zwischen 15 und 20 Kilogramm – und durch die kleine Statur eigneten sich die Schafe überaus ideal, um das Gras zwischen den Rebstöcken abzufressen. «Sie kommen wunderbar zwischen den Rebstöcken durch und suchen sich das saftigste Grün, das sie ganz nahe den Stöcken finden», so Burkhart. Auch mache ihnen das steile Gelände keine Mühe. Damit entlasten sie den Winzer und nehmen ihm das lästige Mulchen ab.

Weil die Schafe so klein und zierlich sind, verdichten sie den Boden nicht. Trotzdem vertrampeln sie im Weinberg die Mäusegänge und halten so die kleinen Nager fern. Für Burkhart eine klare Win-win-Situation. «Wir schätzen die Quessants als unsere Arbeiter.»

Die Herde ist auf knapp 50 Tiere angewachsen


Als die Winzerfamilie vor drei Jahren auf die Quessants kam, übernahm sie eine kleine Herde von acht Tieren, sieben Mutterschafe und ein kleines Böcklein. Heute ist die Herde bereits auf knapp 50 Tiere angewachsen.

Jedes Mutterschaf wirft jährlich ein Junges. Die Nachfrage nach Jungtieren sei vorhanden. Pro Tier werden zwischen 300 und 500 Franken bezahlt, erzählt Michael Burkhart. «Wenn die Tiere drei Monate alt sind, geben wir sie weiter.» Auch die jungen Böcklein seien gefragt und zwar bei regionalen Restaurationsbetrieben, die die Lämmer gerne als Spezialität servieren. «So ist halt der natürliche Kreislauf.»

Anspruchslos in der Haltung


Die Zwergschafe der Familie Burkhart haben noch anderweitige Verpflichtungen. Viele Hausbesitzer mit viel Umschwung fragen des Öfteren an, ob die Quessants ihnen nicht die mühsame Arbeit des Mähens abnehmen können, erzählt Michael Burkhart weiter. So verschönern seine Schafe auch mal den Schlossgarten oberhalb des Weinbergs, oder ein kleiner Teil der Herde ist momentan in der Region ausgeliehen, um ein Grundstück abzugrasen.


Weiter erzählt der Winzer, der vor ein paar Monaten zum ersten Mal Vater wurde, dass die Quessants anspruchslos zu halten seien. Sein Vater Willi oder er schauen täglich zweimal bei den Schafen vorbei. Zudem werden sie einmal jährlich geschoren. Ebenfalls eimal jährlich werden ihnen die Klauen geschnitten und wenn nötig werden sie

entwurmt. Die Schafwolle wird nicht weiterverwendet.

Die Quessants waren bis Weihnachten mehrere Wochen im Rebberg. Dann kehrten sie zurück in den Stall, bis sie ab dem Frühjahr bis in den Herbst wieder auf einer grossen Weide im Dorf das frische Gras fressen dürfen.

Bereiten Spaziergängern Freude


Damit die Jungtiere nicht vom Fuchs heimgesucht werden, lässt man diese nicht allzu früh hinaus. Michael Burkhart hält die Quessantschafe nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Einen Gewinn könne man mit den Tieren nicht erzielen. Dank des Verkaufs seien die Zahlen ungefähr ausgeglichen. Viel mehr sei es die Freude, die man mit den Schafen habe.

Es werde ihm auch immer von Spaziergängern zugetragen, dass die niedlichen kleinen Tiere in den Rebbergen sehr geschätzt werden und auch den Kindern viel Freude bereiten.

Das ist genau das, was die Familie Burkhart mit ihrem Weingut anstrebt. «Wir wollen auch für Familien ein attraktiver Ort sein, und dies nicht nur während des Tags der offenen Tür, sondern das ganze Jahr über.»

Ruth Bossert