Schweizer Käse ist im Ausland gefragt, aber teuer. Weil in der EU durch das Russland­embargo Käse im Überfluss vorhanden ist, sinken die Preise der Konkurrenzprodukte, die Käseexporte aus der Schweiz sind 
deshalb rückläufig. Und das wiederum führt hierzulande zu Produktionsüberschüssen, wenn die Sortenorganisationen die Mengenfreigaben der Käsereien nicht reduzieren. Um Lagerüberbeständen vorzubeugen, reduziert deshalb die Sortenorganisation Gruyère per 1. April die Freigabemenge von 97 auf 90 Prozent der Referenzmenge. Bei den Emmentaler-Käsereien beträgt die Freigabemenge derzeit 53 Prozent. Die Bauern andererseits produzieren weiter Milch, die aber durch die tiefere Freigabe nicht zu Gruyère oder Emmentaler verkäst wird, sondern als Einschränkungsmilch auf den Markt kommt.


Mindestens zwei Prozent Einschränkungsmilch


Einschränkungsmilch ist die Milch, die von Käsereien bei den Bauern gekauft, aber dort nicht zum eigentlichen Sortenkäse verarbeitet wird. Stattdessen wird die Milch in den meisten Fällen an einen Milchhändler weiterverkauft.

Alleine durch die Einschränkung von Emmentaler und Gruyère sind dieses Jahr mindestens 65 Mio kg Milch zusätzlich auf dem Markt, die so keinen direkten Abnehmer haben. Das entspricht etwa 2% der in der Schweiz produzierten Milch. Branchenkenner sagen, dass bei der Produktionseinschränkung von Emmentaler etwa die Hälfte der freiwerdenden Milch deklassiert werden muss – letztes Jahr waren das 30 bis 40 Mio kg. Die andere Hälfte wird zu anderen Käsespezialitäten verarbeitet. Durch die Produktionseinschränkung beim Gruyère werden nun weitere 30 Mio kg Milch frei, die einen Abnehmer suchen.


Das Problem mit der Einschränkungsmilch ist, dass ­niemand darauf wartet. Die Unternehmen haben volle Auftragsbücher. Was folgt ist die Deklassierung von Käsereimilch zu C-Milch. Diese wird zu einem wesentlichen Teil von Cremo oder Emmi zu Milchpulver und Butter verarbeitet und muss exportiert werden.

Bei Emmi heisst es, dass der Anteil der Einschränkungsmilch aktuell doppelt so hoch sei wie im Vorjahr. Bei Cremo werden derzeit Verhandlungen geführt, wie die zusätzlichen Mengen verarbeitet werden sollen. Es ist dies vor allem Milch, die von Gruyère-­Käsereien kommen wird. Für Phi­lippe Bardet von der Sortenorganisation Gruyère ist klar, dass die Bauern die Milch am besten nicht produzieren sollten. «Die Käsereien und Bauern haben bis Ende Jahr Zeit, die Mengen anzupassen. Und ich gehe davon aus, dass ein grosser Teil der überschüssigen Milch gar nicht erst geliefert wird.»

Mehr Spezialitäten aus Einschränkungsmilch


Emmentaler-Käsereien kennen die Einschränkungsmilch schon lange – und sie haben sich damit arrangiert. Denn etwa die Hälfte der Einschränkungsmilch wird in der Zwischenzeit zu anderen Käsespezialitäten verarbeitet, die in den Statistiken als Hart- oder Halbhartkäse geführt werden. Diese Käse sind allerdings umstritten, weil sie häufig günstiger sind und zudem die Sortenkäse im Absatz konkurrenzieren. Ob die Innovationskraft der Käsereien zu dieser Entwicklung führte, oder ob es doch der Druck durch die Milchmengen war, lässt sich nicht klar sagen. Experten gehen davon aus, dass eine Kombination von beiden Faktoren die Käsereien in Bewegung setzte und dafür sorgte, dass nicht die ganze Einschränkungsmilch im Molkereimilchmarkt landete.

Käsereien, die aus der Einschränkungsmilch keine andere Produkte herstellen, verkaufen ihre Milch weiter – in den meisten Fällen an Milchhändler oder Produzentenorganisation wie die Genossenschaft Zentral­schweizer Milchproduzenten (ZMP). Manche versuchen auch, direkt an grosse Milchverarbeitungsbetriebe wie Emmi, Hochdorf oder Cremo liefern zu können, was aber selten möglich ist. Neben dem logistischen Mehraufwand haben die Käsereien aber noch ein anderes Problem: steigende Produktionskosten der Sortenkäse. Denn durch den Auslastungsrückgang steigt der Druck auf die Margen. Bei der ZMP hat man den Milchpreis für überschüssige Milch weiter nach unten korrigiert, wie Geschäftsführer Pirmin Furrer sagt. «Der ZMP-Preis für ausserhalb der Basisvertragsmenge gelieferte Milch beträgt 35 Rappen für jedes Kilo Milch, exklusiv Zuschläge bzw. Abzüge.»

Doch auch die geschützte und gestützte A-Milch gerät in die Bredouille, weshalb der Richtpreis per 1. April um drei Rappen auf 65 Rappen je Kilo franko Rampe gesenkt wird. Weil aber noch zusätzliche Milch durch die Einschränkung der Sortenorganisationen auf dem Markt verfügbar ist, entsteht zusätzlicher Preisdruck – auch auf das A-Segment.

Die Dachorganisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP) fordert deshalb in einer Mitteilung vom Dienstag Detailhändler und Verarbeiter auf, die Milchpreise für A-Milch nicht unter den Richtpreis zu senken. Gemäss SMP haben aber mehrere Organisationen Preissenkungen angekündigt, obwohl sie bereits auf dem Preisniveau von 65 Rappen für A-Milch sind. Laut SMP würden hier Verarbeiter und Detailhändler ihr Wort nicht halten und unnötigerweise Wertschöpfung vernichten.

Stabile Preise für Sortenkäse


Immerhin bleiben durch die Massnahmen die Preise bei den Sortenkäse stabil. Heinz Wälti präsidiert die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland und hielt an einem Vortrag bei den Milchproduzenten der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland am Dienstag erneut fest, dass er den Preis an der Ladenfront im Ausland um kein Jota senken werde:  «Das vernichtet nur Wertschöpfung, ohne dass wir wesentlich mehr Käse verkaufen könnten.» Ausserdem seien die Lagerbestände derzeit gesund, was es zu verteidigen gelte. Auch bei Gruyère folgt man dieser Strategie. Für Molkereimilchlieferanten wird es damit insbesondere im April und Mai, wenn saisonal am meisten Milch produziert wird, noch ungemütlicher.

Hansjürg Jäger