Ein Herbstnachmittag im zürcherischen Brütten, wie man ihn sich dieses Jahr häufiger wünschen würde. Die Sonne scheint auf das Dach des Gewächshauses der Gemüsebauern Fischer und lässt die Temperatur steigen. Doch anders als erwartet ist die Luft nicht feucht-schwül, sondern das Innenklima bleibt erstaunlich trocken. "Dank unserem neuen Bewässerungssystem geben die Pflanzen weniger Wasser ab, weshalb die Luftfeuchtigkeit tiefer liegt", begründet Jungbauer Daniel Fischer.

Die Tomatenstauden der Sorte Cristal und Berner Rose stehen in Reih und Glied, am Boden verlaufen schwarze Wasserschläuche, neben den Tomatenstauden stecken Sensoren im Boden. Sie sind der zentrale Bestandteil der Bewässerungsanlage, die seit einem Jahr bei Fischers für Furore sorgt.

Bodensensoren melden Trockenheit

Auf dem Familienbetrieb der Fischers bauen Vater Max, Sohn Daniel und ein Angestellter auf etwa einer Hektare nach biologischen Richtlinien Tomaten, Auberginen, Gurken, Melonen, Peperoni, Bohnen, Radieschen und Kohlrabi an. Die Ernte verkaufen Fischers auf dem Wochenmarkt und zuhause im Hofladen im zürcherischen Brütten.


Seit Frühling 2013 werden die Pflanzen mit einem speziellen System der Schweizer Firma "Plant Care" bewässert: Der Bauer muss nicht mehr selbst giessen, sondern eine intelligente Steuerung übernimmt diese Arbeit. Die sieben Gewächshäuser sind je nach Bodenbeschaffenheit und Wasserbedarf der Pflanzen in 16 verschiedene Zonen eingeteilt.

Für jede Zone gibt es ein Ventil, das den Bewässerungsschlauch bedient. Insgesamt 21 Sensoren stecken über die Gewächshäuser verteilt in der Erde. Sie messen die Bodenfeuchtigkeit und melden diese per Funk an den Bewässerungscomputer, das Herzstück der Anlage. Dieser öffnet daraufhin das richtige Ventil – das Gemüse wird automatisch mit der richtigen Dosierung bewässert.

Technik ist exakter als der Mensch

Für jede Pflanze hat Fischer eine Bandbreite für den erlaubten Wassergehalt des Bodens eingestellt. "Beträgt der minimale Wert beispielsweise 45 Prozent, so geht die Bewässerung in Betrieb, sobald dieser Wert unterschritten wird. Das System schaltet automatisch ab, sobald der maximale Feuchtewert von beispielsweise 90 Prozent erreicht ist", sagt Fischer. Betrachtet man den Boden in den Gewächshäusern, sieht er trocken aus. Wo der Mensch schon lange den Wasserhahn aufdrehen würde, wartet das System aber noch. "Es braucht auch etwas Vertrauen in die Technik", räumt Fischer ein. Anfangs habe er oft das Gefühl gehabt, die Pflanzen würden vertrocknen. "Ich staune, wie wenig Wasser die Auberginen wirklich brauchen."

Wasser sparen und Ertrag steigern

Fischer hat mit der Einrichtung Erfolg. "Letztes Jahr sparten wir gegenüber der Vergleichsperiode zwei Drittel Wasser. Gleichzeitig schnellte der Ertrag im Vergleich zum Vorjahr und über alle Feldfrüchte hinweg gesehen im Durchschnitt um 45 Prozent in die Höhe." Wie das? Fischers Erklärung: Oftmals gebe der Mensch zu viel Wasser, was die Pflanzen stresse und in ihrem Wuchs hemme.


Die Anlage – Sensoren, Ventile und Computer – kostete etwa 7000 Franken. Man habe die Investitionen aber nach eineinhalb Jahren schon fast wieder herausgeholt, meint Fischer zufrieden. Die Reparatur- und Unterhaltskosten seien bescheiden und mit einer erwarteten Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren sollte das System auch noch eine Weile einwandfrei arbeiten.


Dem Gemüsebauern bleibt mehr Zeit

Abgesehen von Wassereinsparungen und besserem Ertrag hat sich die Investition laut Fischer auch aus einem anderen Grund gelohnt: "Ich habe nun mehr Zeit." Vorher habe er oder sein Vater selbst abwägen müssen, ob bewässert werden muss oder nicht. Jetzt übernimmt die Steuerung die Bewässerung und den beiden bleibt Zeit für andere Arbeiten auf dem Hof. Die Anlage sei einfach zu bedienen, was ebenfalls wichtig sei. "Man braucht kein Computercrack zu sein, um die Funktionsweise zu verstehen."

Der Computer ist lernfähig

Neben den Vorteilen sieht Fischer aber auch noch Verbesserungsmöglichkeiten. "Eines der Gewächshäuser weist eine kleine Steigung auf. Bewässert das System nur drei Minuten, erhalten die Pflanzen zuoberst zu wenig Wasser." Der innovative Gmüsler überlegt sich nun, im oberen Teil einen zweiten Wasserschlauch zu legen, um auch diesen Pflanzen genügend Wasser zuführen zu können. Es sei bei allen Kulturen so: Man müsse ausprobieren und experimentieren, wie man den Computer am Besten für die jeweilige Pflanze und deren Bedürfnisse einstelle. Denn die Grenzwerte muss man zuerst ermitteln und den Computer entsprechend programmieren.

Ganz alles geht doch nicht automatisch: "Unser Fachwissen ist immer noch gefragt", sagt Fischer. So kann er denn das Bewässerungssystem auch nicht vollständig sich selbst überlassen. Fischer beobachtet, wie die Pflanzen auf die Wassermenge reagieren, und optimiert wenn nötig die Einstellungen. Tritt irgendwo ein Problem auf, ist beispielsweise der Kontakt zu einem Sensor unterbrochen, sendet das System eine SMS an Fischers Handy und dieser kann den Fehler beheben. Der Computer "lernt" zudem selbst: Nachdem er bewässert hat, führt er eine Kontrolle durch. Ist das Resultat ungenügend, verändert der PC sein "Verhalten" bei der nächsten Bewässerung.

Mehr Präzision nötig

Dass Landwirte das Plant Care-System verwenden, darauf sind die Entwickler der Bewässerungsanlage angewiesen. "Wir sind keine Agro-Experten. Da sind wir froh, wenn wir bei Bauern wie Daniel Fischer bei der praktischen Anwendung dabeisein können", sagt Walter Schmidt, der das Bewässerungssystem mit Bodenfeuchtesensoren entwickelt hat.

"Die Landwirtschaft muss immer präziser werden", lautet sein Credo. Ein Beispiel: Für Grossverteiler müssen alle Tomaten die gleiche Grösse haben. Sind sie zu gross oder zu klein, werden sie zurückgewiesen. Die Automatisierung helfe der Landwirtschaft, genauer zu werden. "Das ist in der heutigen Zeit notwendig, Innovation ist gefragt", meint Schmidt. Seine Erfindung leiste dazu einen Beitrag. Zudem spare man Wasser, eine Ressource, die in Zukunft immer knapper werden wird.

Fussballplätze und Gärtnereien

Schmidt ist auch Gründer und CEO von Plant Care, der Firma in Russikon ZH, die nun seine Idee in die Tat umsetzt. Zusammen mit zwei Kollegen ist er dabei, das System laufend zu verbessern und den Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Die Anlage wird mittlerweile in den verschiedensten Bereichen verwendet: in der Landwirtschaft, in Gärtnereien und neuerdings auch, um den Rasen im Basler St. Jakob-Stadion zu überwachen.

"Das System lässt sich auch bei grossen Feldern einsetzen», schwärmt Schmidt: Dank zusätzlichen so genannten "Range Extendern" kann die Reichweite der Sensoren von 200 Metern auf bis zu 30 Kilometer ausgedehnt werden.


Über 50 Anlagen hat Plant Care in der Schweiz bereits installiert, etwa 25 davon bei Agrarbetrieben. Zudem werden die
 Bewässerungssysteme in Deutschland, Österreich, Spanien, Kolumbien und weiteren Ländern auf der ganzen Welt eingesetzt – häufig in Regionen, wo Wasser deutlich knapper und damit wertvoller ist als im Wasserschloss Schweiz.

Deborah Rentsch, lid