Eidgenössische Forschungsanstalt Wädenswil, 1982: Alfred Aeppli und Ueli Gremminger sind auf der Suche nach einer neuen Apfelsorte. Gut lagerfähig, robust gegenüber Krankheiten, beliebt bei den Konsumenten soll sie sein. Die beiden Züchter kreuzen diversen Sorten miteinander, insgesamt knapp 7'000 Sämlinge entstehen. 1'100 überstehen den ersten Selektionsprozess, 48 den zweiten.

Übrig bleibt am Schluss eine Kreuzung aus Maigold, Idared und Elstar. Sie trägt die Nummer "FAW 5878". Konsumenten zeigen sich bei Degustationen begeistert – von der leuchtendroten Schale, dem knackig und saftigen Fruchtfleisch und dem fruchtigen Aroma. Auch bei den Obstproduzenten kommt die neue Sorte an: gute und regelmässige Erträge, grosses Erntefenster, gut Lagerfähigkeit. Schnell ist klar: Dieser Apfel hat Potenzial.


Murten, Expo 2002: Die Forschungsanstalt Agroscope tauft im Rahmen der Landesausstellung "FAW 5878" auf den Namen "Diwa". Die Endung -wa deutet auf Herkunftsort den Wädenswil hin. Diwa ist nicht einfach eine Apfelsorte wie Gala, Golden Delicious oder Braeburn. Diwa ist eine Marke, eingetragen in einem Register und urheberrechtlich geschützt. Davon zeugt das ® hinter dem Namen. Im Verkaufsgestell prangt auf den Äpfeln ein Kleber mit der Aufschrift "Diwa". Der Schriftzug ist kunstvoll gestaltet, ein Logo mit Wiedererkennungswert. Beworben wird der Diwa-Apfel mit einem eigenen Slogan: "Nie ohne meine Diwa." Und natürlich hat der Markenapfel auch einen eigenen Auftritt im Internet (www.diwa-apple.ch).

Äpfeln eine Identität geben
Der Diwa-Apfel wird professionell gemanagt und vermarktet wie Markenuhren oder Markenkleider. Dafür ist Michael Weber zuständig. Er ist Geschäftsführer der Varicom GmbH, welche die Neuzüchtungen der Forschungsanstalt Agroscope in den Markt einführt. Spricht man mit ihm, fallen Worte wie "Branding", "Markt-Positionierung", "Markenprofil" oder "Markenimage" – Begriffe, die gemeinhin kaum mit Äpfeln in Verbindung gebracht werden. "Selbst für die Werbeagentur, mit der wir zusammenarbeiten, war es neu, dass man Äpfel zu Marken aufbauen kann", erklärt Weber.


Marken würden Konsumenten Orientierung bieten, sie stünden für Werte, hätten ein Image. Und sie seien ein Instrument, um sich von den vielen anderen Apfelsorten, die um die Gunst der Konsumenten buhlen, abzuheben.
Weber hat gemeinsam mit einer Werbeagentur eine Positionierung der Marke ausgearbeitet und darauf aufbauend eine Werbekampagne entwickelt. "Unser Zielpublikum sind urbane, junge und sportlich aktive Menschen, die gesund leben wollen", so Weber.


Vermarktet wird der Diwa-Apfel im so genannten Clubsystem (siehe Kasten). Dafür muss eine entsprechende Lizenz bei der Varicom GmbH erworben werden. Wer dies nicht tut, darf zwar den Diwa anbauen und verkaufen, muss das allerdings unter dem Sortennamen "Milwa" tun.

Markenäpfel boomen
Das Modell hat Erfolg: So konnten die Obstbauern aufgrund der regen Nachfrage die Anbaufläche stark erweitern, von einer Hektare im 2004 auf 100 Hektaren im 2013. Der Boom ist aber nicht nur auf Diwa beschränkt, Markenäpfel sind generell auf der Überholspur (siehe Grafik). So wurde deren Anbaufläche im letzten Jahr ausgedehnt, während diejenige von Nicht-Markenäpfeln wie Gala, Golden Delicious oder Maigold reduziert wurde.

Mittlerweile werden Markenäpfel auf rund 525 Hektaren kultiviert, was 14 Prozent der Apfel-Anbaufläche entspricht. Derzeit sind knapp 20 Apfel-Marken auf dem Markt.
"Die hohe und konstante Qualität der Clubsorten sehen wir als Hauptgrund für den Erfolg. Dadurch resultiert ein tolles Geschmackserlebnis beim Kunden, der die hohe Qualität schätzt", erklärt Urs Peter Naef, Mediensprecher der Migros. Der Anteil Markenäpfel sei in den letzten Jahren gestiegen, deren Anteil liege derzeit bei 15 Prozent.
Ähnlich tönt es bei Coop, Mediensprecher Urs Meier: "Die Clubsorten erfüllen in der Regel die Geschmackswünsche einer breiten Kundschaft. Sie tragen Namen, die Interesse wecken, und geniessen eine hohe Bekanntheit." Bei Coop machen Clubsorten inzwischen rund einen Viertel des Umsatzes aus.

Wie viele Markenäpfel verträgt der Markt?
Ob der Wachstumskurs bei Markenäpfeln anhält, ist allerdings fraglich. Denn Markenäpfel sind – wie alle Markenprodukte – im Hochpreissegment angesiedelt. Dieses werde nicht unbeschränkt wachsen, gibt Georg Bregy, Direktor des Schweizer Obstverbandes, zu bedenken. Je mehr Markenäpfel angebaut würden, desto mehr verlören diese an Exklusivität. Und weil immer mehr Marken auf den Markt drängten, bestehe die Gefahr der Verdrängung.

Michael Wahl, LID