BAUERNZEITUNG: Bei Landwirtschaftspolitik denkt man nicht unbedingt als Erstes an die GLP. Wie wichtig ist sie für die Partei?
KATHRIN BERTSCHY: Landwirtschaft ist eigentlich eines der Kernthemen einer grünen, liberalen Partei. Sie zeigt auf, dass Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch sind. Denn Landwirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie sowohl ökonomisch betrieben wird, das heisst wettbewerbsfähig ist, und gleichzeitig auch ökologisch nachhaltig ist.
Wie soll diese Landwirtschaft aussehen?
BERTSCHY: Ich denke, man sollte den Mut haben in der Landwirtschaft globaler zu denken. Wenn man sieht, welche Herausforderungen auf diesen Planeten zukommen – Hitzeperioden, Wasserknappheit, Bevölkerungswachstum –, geht es vor allem darum, ressourceneffizienter zu produzieren. Heute haben wir in der Landwirtschaft viele Fehlanreize, die eine nicht standortgerechte Produktion begünstigen.
Aber gerade bei der Milchproduktion spricht man von einer sehr standortgerechten Produktion.
BERTSCHY: Im Hügel- und Berggebiet ist die Schweiz sicher prädestiniert dafür. In der Vergangenheit haben wir aber auch in den Gunstlagen eine massive Milchproduktion subventioniert. Dies schuf Fehlanreize, mehr Tiere zu halten, als man ernähren konnte. Dafür wiederum mussten Futtermittel importiert werden. Eine solche Landwirtschaft ist weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig. Das ist nach wie vor ein Problem der Schweizer Landwirtschaftspolitik. Viele der Direktzahlungen sind zu wenig auf die Ziele der Verfassung abgestimmt und fliessen letzlich in Gunstlagen, wo eine Subventionierung nicht angebracht wäre. Während der Anteil der Unterstützung für gemeinschaftliche Leistungen die zum Beispiel im Berggebiet erbracht werden und der Verfassung entsprechen, relativ gesehen gering ausfällt.
Hat nicht gerade die neue AP 2014–17 genau diese Umlagerung der Unterstützung vom Tal ins Berggebiet zur Folge?
BERTSCHY: Für uns ist sie nicht konsequent genug. Wir haben jetzt zwar keine Tierbeiträge mehr, aber wir zahlen immer noch einen grossen Anteil der Direktzahlungen auf die Fläche. Das begünstigt eine intensive Produktion. So wird eine Landwirtschaftspolitik gestützt, in der die Landwirte schwere Maschinen kaufen, Vorleistungen und Futter- und Düngemittel beziehen. So wiederum haben sie hohe Kosten, was sie abhängig macht. Und grosse Mengen produzieren lässt, um die Kosten reinholen zu können. Deshalb möchten wir, dass die Landwirte weniger kostenintensiv produzieren können.
Gegner der AP 2014–17 sagen, diese führe zu einer Extensivierung der Landwirtschaft.
BERTSCHY: Die paar Prozente Biodiversitätsbeiträge führen höchstens zu einer Reduktion der Intensivierung. Die Schweizer Landwirtschaft produziert auf einem Rekordniveau. Was in der Schweiz gefährdet ist, ist die Biodiversität – und zwar massiv!
Welche Haltung haben Sie gegenüber Agrarfreihandel?
BERTSCHY: Ich bin in einer liberalen Partei und befürworte grundsätzlich einen freien Handel in allen Sektoren. Es ist klar, dass es Standards braucht. Doch Freihandelsabkommen sind für die Schweiz von hoher Bedeutung. Ich habe nicht Bedenken, dass wir dann von Produkten minderer Qualität überschwemmt werden. Ich vertraue darauf, dass der Schweizer Konsument sehr wohl auf Qualität achtet. Was die Landwirtschaft betrifft: Der Abbau des Grenzschutzes kommt so oder so. Deshalb würden wir besser zusehen, dass die Landwirtschaft wettbewerbsfähiger wird, statt auf die Bremse zu treten, um dann überrumpelt zu werden. Die Schweizer Landwirtschaft ist gut positioniert und produziert hohe Qualität. Für Nischenprodukte könnte man im angrenzenden Ausland gute Absatzmärkte finden.
Stichwort Raumplanung: Viele Bauernvertreter sagen, dass das Bauen innerhalb der Landwirtschaftszone möglichst offen sein muss, damit der Landwirt als Unternehmer sich entfalten kann.
BERTSCHY: Ich war letztes Jahr im Aargau und habe mit Erschrecken die Tierproduktionsställe in der Landwirtschaftszzone gesehen. Gebäude, die ausserhalb der Bauzone stehen, sollten rückgebaut oder zonengerecht genutzt werden, also auch nicht für industrielle Tierproduktion auf ökologisch wertvollen Flächen. Das gehört für mich in eine Gewerbezone. Fruchtfolgeflächen sollten für ihren tatsächlichen Zweck gebraucht werden.
Viel zu diskutieren gibt auch immer der Bundeshaushalt. In welchen Bereichen muss gespart werden?
BERTSCHY: Opfersymmetrie ist ein wichtiges Stichwort. Es dürfen keine Eigeninteressen im Vordergrund stehen. Sparmassnahmen betreffen etwa die Armee, den Strassenbau, aber auch die Landwirtschaft. In der laufenden Legislatur wurde letztere jeweils von Sparmassnahmen ausgenommen. Hier wird die Opfersymmetrie verletzt.
Was halten Sie von der Initiative für Ernährungssicherheit des Bauernverbands?
BERTSCHY: Wir haben die Frage der Versorgungssicherheit bereits im Rahmen der AP 2014–17 diskutiert. Die Schweizer Landwirtschaft produziert auf Rekordniveau. Vermutlich war die Initiative ein Schnellschuss, sie ist inhaltlich unklar respektive stehen ihre Forderungen bereits in der Verfassung. Deshalb ist sie unnötig.
Dann wäre da noch die Fair-Food-Initiative der Grünen.
BERTSCHY: Der Ansatz ist grundsätzlich sympathisch. Aber man überträgt die Schweizer Anforderungen nicht auf die Vorleistungen aus dem Ausland wie z. . Futtermittel. Das soll nur angestrebt werden, was für mich ein Mangel ist. Ich unterstütze sie nicht.
Und was ist mit der Spekulationsstopp-Initiative der Juso?
BERTSCHY: Die Juso wollen den Hunger in der Welt und die Armut bekämpfen. Sie sehen die Problematik bei den schwankenden Nahrungsmittelpreisen und wollen deshalb den Derivate-Handel einschränken. Die Spekulation kann diese Preisschwankungen allenfalls noch verstärken, ist aber nicht alleinige Ursache. Ich finde es richtig, dass man hier genauer hinschaut. Andere Fragen sind aber wohl relevanter für Ernährungsengpässe. Dürre, Wasserknappheiten, der Klimawandel. Aber auch der starke Grenzschutz der westlichen Industrieländer behindert Entwicklungsländer, Handel zu betreiben und eine stabile Produktion auch für ihr eigenes Land aufzubauen. Die Initiative adressiert ein wichtiges Problem – aber mit dem falschen Ansatz.
Interview Hansjürg Jäger