BauernZeitung: Herr Schmutz, Sie haben Anfang September den Bereich Bildung beim SBV (Agriprof) übernommen. Worauf freuen Sie sich am meisten?


Martin Schmutz: Ich freue mich am meisten auf die vielen Kontakte mit den verschiedensten Partnern in der Berufsbildung und der Landwirtschaft. Ich bin überzeugt, dass wir nur gemeinsam die landwirtschaftlichen Berufe weiterentwickeln und im gesamten Gefüge des Bildungssystems optimal positionieren können. Dafür sollten wir alle am gleichen Strick ziehen.


Wo sehen Sie die Herausforderungen für die nächsten Jahre?

Eine der wichtigsten Herausforderungen wird es sein, die Attraktivität der Berufe im Berufsfeld Landwirtschaft hochzuhalten. Der Kampf um die Schulabgänger ist gross. Darüber wurde in letzter Zeit in der Presse viel geschrieben. Auch Gymnasien, kaufmännische und gewerbliche Berufe buhlen um die Gunst der zukünftigen Lernenden. Aufgrund des demografischen Knicks ist es wichtig, dass wir die Vorzüge unserer Berufslehre aufzeigen können: Vielseitigkeit, Selbständigkeit, Produktion von Nahrungsmitteln und das Arbeiten mit Tieren, Natur und Technik.


Die Evaluation zur neuen Grundbildung liegt mittlerweile vor. Wie fällt Ihr Fazit aus?  

Der Bund schreibt vor, dass die Berufe alle fünf Jahre evaluiert werden. Ziel der Evaluation war es, für die landwirtschaftliche Grundbildung nach der umfassenden Reform Stärken, Schwächen und allfällige Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Evaluation stützt sich auf eine breit angelegte Online-Befragung. Insgesamt nahmen fast 1400 Akteure daran teil, darunter Berufsbildner, Vertreter von Schulen, aber auch rund 520 Lernende. Grundsätzlich sind die Akteure mit der neuen Berufsbildung recht zufrieden. Als Stärken wurden unter anderem das Berufsprofil, die Struktur und der Aufbau des Bildungsplans, die Lernorte Betrieb, Überbetriebliche Kurse (ÜK) und Berufsfachschule sowie der mögliche

Lehrbetriebswechsel und der handlungsorientierte Unterricht hervorgehoben.


Wo gibt es Verbesserungspotenzial?

Es wurden vier Handlungsfelder definiert, die noch vertiefter geprüft und diskutiert werden müssen: der Inhalt des Bildungsplans, die Lerndokumentation, die Struktur und die Dauer der Qualifikationsverfahren sowie die Modellfrage, sprich die Verteilung der Lektionen über die Lehrjahre.


Nächste Woche finden die Berufsmeisterschaften Swiss Skills Bern 2014 statt. Erstmals sind auch die Landwirte und 
Landwirtinnen dabei. Sind sie bereit?

Ja, die fünf Landwirtinnen und 31 Landwirte sind motiviert und bereit, um den Schweizer Meistertitel zu kämpfen. Wie ich gehört habe, trainierten einige schon fast

wie Spitzensportler auf diesen Event hin.


Was erwartet das Publikum?

Das Publikum kann den Junglandwirten bei ihrem Wettkampf über die Schulter schauen, sich von der Motivation und vom Fachwissen überzeugen und fachsimpeln. Die Aufgaben sind sehr vielfältig. Paloxen laden und Geschicklichkeitsfahren bieten Action, da könnte die Nervosität beim einen oder anderen Kandidaten eine Rolle spielen. Es ist natürlich etwas anderes, dies unter Wettkampfbedingungen und vor viel Publikum zu machen als zu Hause auf dem Betrieb. Beim Melkwettbewerb, bei der Beurteilung von Rindern oder auch im Pflanzenbau kann der Zuschauer die Verknüpfung von Theorie und Praxis live miterleben. Filme zu den landwirtschaftlichen Berufen, Porträts der Teilnehmer(innen) sowie die laufende Aufschaltung der Zwischenresultate runden das Programm ab.


Warum ist es wichtig, dass auch die Landwirte sich an diesem Grossevent messen?  

An den Swiss Skills Bern 2014 präsentieren sich 129 Berufe im besten Licht. Das ist eine einmalige Plattform, um auch die Berufe des Berufsfelds Landwirtschaft einer breiten Öffentlichkeit in einer sympathischen und attraktiven Art zu präsentieren. Es zeigt, dass der Beruf Landwirt nicht etwa ein Exot, sondern ein Beruf wie jeder andere ist – einfach etwas anders. Die Swiss Skills sind beste Werbung für die Ausbildung, aber auch für die Landwirtschaft selber.


Auch die anderen landwirtschaftlichen Berufe präsentieren sich im Rahmen der Berufsmeisterschaften mit einer Ausstellung. Was erhoffen Sie sich davon?

Das Berufsfeld Landwirtschaft besteht neben dem «grossen Bruder» Landwirt aus verschiedenen kleinen, interessanten Spezialberufen: Obstbauer, Gemüsegärtner, Winzer, Weintechnologe und Geflügelfachmann. Mit der Ausstellung zeigen diese vielseitigen Berufe Präsenz und sind nah bei den zukünftigen Lernenden, aber auch bei den Konsumenten. Die ganze Breite des Berufsfelds kann dadurch sichtbar gemacht werden.


In den landwirtschaftlichen Berufen mangelt es an Nachwuchs. Ein Fachkräftemangel droht. Aus welchen Gründen können die Ausbildungsplätze nicht mehr mit genug Lernenden besetzt werden? Sind die landwirtschaftlichen Berufe nicht (mehr) attraktiv oder hat es die Branche versäumt, auf die Bedürfnisse der jüngeren Generationen zu reagieren?

Diesen Herbst haben wieder rund 1000 Lernende die Ausbildung zum Landwirt EFZ angefangen. Dies deutet auf eine recht stabile Situation hin. Die Branche braucht gut ausgebildete Fachleute in der Landwirtschaft selber, aber auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Unter diesen Voraussetzungen fehlen uns rund 250 Lernende pro Jahr. Man könnte also von einem Fachkräftemangel reden, das ist richtig, auch wenn ich das Wort nicht besonders mag. Ich persönlich würde dies eher positiv formulieren: gut ausgebildete Fachkräfte haben beste Berufsaussichten. Trotz allen Unsicherheiten im politischen und wirtschaftlichen Umfeld ist Landwirt ein toller Beruf. Die Vielseitigkeit der Lehre und des Berufs ist einmalig. Die Möglichkeit des Lehrbetriebswechsels ermöglicht den Einblick in verschiedene Betriebe, Betriebszweige und vor allem auch in verschiedene Bauernfamilien und Landesgegenden. Die Möglichkeit eines Wechsels über die Sprachgrenzen hinaus ist ebenfalls sehr attraktiv. Wie bereits erwähnt sind beim Landwirt die Zahlen stabil geblieben, während sie bei einigen anderen gewerblichen Berufen stark

gesunken sind. Die landwirtschaftliche Ausbildung ist also nicht so schlecht aufgestellt. Aber wir müssen dran bleiben, die Attraktivität für junge Leute hochzuhalten.


Wie wollen Sie oder die Branche das angehen?

Die Berufsbildung ist eine Verbundaufgabe. Das heisst, dass wir uns alle zusammen auch bei der Berufswerbung engagieren müssen. Die Vorteile, das Positive, Schöne und Abwechslungsreiche des Berufs sind hervorzuheben. Das gelingt am besten, wenn wir über Personen, unternehmerische Bauernfamilien, Erfolgsgeschichten und Karrieren berichten. Wir müssen aber vor allem auch schauen, dass Landwirt in der Bevölkerung als moderner, vielseitiger und zukunftsträchtiger Beruf wahrgenommen wird. Junge Leute wollen einen Beruf lernen, in dem sie Zukunft sehen. Landwirte sind immer noch gesucht. Das Image eines Berufs ist bei der Berufswahl mitentscheidend. Wir setzen auf die Präsenz an Bildungsmessen, Gewerbeausstellungen, an Tagen der offenen Türen oder wie gerade jetzt aktuell an den Swiss Skills Bern 2014. An Bedeutung gewinnen werden in Zukunft noch verbesserte Kontakte zu den Berufsinformationszentren (BIZ) in den Kantonen und eine gute Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen der Oberstufe.


Was kann ein einzelner Landwirt tun, um seine freie Lehrstelle zu besetzen?

Die meisten Kantone führen ein Lehrstellenverzeichnis. Eine attraktive, sympathische und mit etwas Humor gespickte Vorstellung des Betriebs und der Betriebsleiterfamilie stellt bereits eine sehr gute Visitenkarte dar. Eine grosse Rolle spielt natürlich auch die Mund-zu-Mund-Propaganda: Betriebsleiterfamilien, die einen guten Draht zu den jungen Leuten finden, sich ehrlich um eine gute Ausbildung bemühen und auch fachliche wie menschliche Kompetenz besitzen und die Lernenden nicht nur als Arbeitskraft sehen, werden einfacher Lernende finden. Auch negative Beispiele machen schnell die Runde. Kurzfristig kann auch ein Inserat in einer Fachzeitschrift oder ein Telefon zum Lehrlingsverantwortlichen des Landwirtschaftlichen Zentrums zum Erfolg führen. Warum nicht auch einmal mit der Oberstufe der Region Kontakt aufnehmen und sich für einen Themennachmittag auf dem Bauernhof zur Ver-fügung stellen? Dadurch könnte man sich direkt bei potenziellen zukünftigen Lernenden ins beste Licht rücken. Aber eines ist klar: jeder Betriebsleiter muss hier die Lösung suchen, die zu ihm, seiner Familie und seinem Betrieb passt.

Interview Jeanne Woodtli