Nein, schön sehen die roten Traubensorten von Markus Frei in Uesslingen am Iselisberg nicht aus. Obwohl der Farbumschlag bereits eingesetzt hat, wirken sie weisslich - nicht wie mit Puderzucker bestäubt sondern eher mehlig-fleckig, als ob sie von einer Krankheit befallen wären. Die Trauben von Markus Frei vom Gutsbetrieb Engel sind aber nicht krank. Sie sind in einer Versuchsreihe mit dem Tonmineral Kaolin gespritzt worden, das als Mittel gegen die Kirschessigfliege eingesetzt wird. Und vonseiten dieses Insekts droht in diesem Jahr eine grössere Gefahr als 2015. Damals setzte ein ausgesprochen trockener und heisser Sommer der Vermehrung der Kirschessigfliege Grenzen.


Aufkommen begünstigt


An einer Medienorientierung vom Dienstag bezeichnete Markus Leumann die aktuelle Lage als angespannt. Wie der Rebbaukommissär der Kantone Schaffhausen und Thurgau ausführte, ist die aktuelle Population hoch. Im Juli habe es in der deutschen Schweiz zwar einzelne heisse Tage gegeben, aber auch viele Niederschläge, was das Aufkommen der Kirchessigfliege begünstigte. Othmar Lampert stellte fest, dass die Kirschessigfliege dieses Jahr an Beeren-, Kirschen- und Zwetschgenkulturen erheblichen Schaden angerichtet hat. Dank des feuchten Wetters sei die Population stetig angestiegen und greife nun auf die reif werdenden Trauben über.

Natürlich und nicht tödlich

Für den Präsidenten des Branchenverbands Thurgauer Weinbau geniesst Kaolin bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege Priorität. Das Tonmineral Kaolin ist ein natürlicher Bestandteil von Böden und tötet die Kirschessigfliege nicht ab. Es soll die Kirschessigfliege vielmehr davon abhalten, ihre Eier auf den Traubenbeeren abzulegen, weil die bespritzten Früchte nicht mehr die vertrauten Duftstoffe aussenden. Die Staubkrümel erschweren zudem die Eiablage. Und die Erfahrung zeigt, dass das Insekt seine Eier vorzugsweise auf blauen Früchten ablegt.

Zwar gesteht Othmar Lampert ein, dass mit Kaolin behandelte Trauben auch für Weinbauern optisch gewöhnungsbedürftig aussähen. Aber gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass Kaolin den Einsatz von Insektiziden eindämmt. Und solche sollten im Urteil von Lampert nur im äussersten Notfall eingesetzt werden. Denn mit dem Einsatz von Insektiziden würden auch Nützlinge im Rebberg dezimiert. Einen etwas anderen Akzent in seinen Ausführungen setzte Christian Roth, der Präsident des Branchenverbands Schaffhauser Wein.

Tiefer Behang der Trauben

Der diesjährige Behang der Trauben sei tief, gab er zu bedenken. Das liege an einem späten Frost, aber auch am Mehltau. Gerade Trauben für Spezialitäten mit einer eher dünnen Haut würden von Kirschessigfliegen bevorzugt. Da sei die Gefahr gross, dass es zu sehr tiefen Erträgen komme. Dies wirke sich nicht nur negativ auf das Portemonnaie des Rebbauern aus. Eine mangelnde Lieferbereitschaft führe auch dazu, dass die Konsumenten auf Weine aus anderen Regionen ausweichen und die Schaffhauser Weine so an Marktanteilen verlieren würden. Aus all diesen Überlegungen bedauert Roth, dass die Weinbauern keine zusätzlichen Hilfsmittel in Form von bewilligten Insektiziden im Köcher hätten, wie dies etwa in Deutschland der Fall sei.


Wirkung hält nicht lange an


Wenig vom Einsatz von Insektiziden im Kampf gegen die Kirschessigfliege hält Patrik Kehrli von der Forschungsanstalt Agroscope. Durch deren Einsatz würden lediglich die adulten Tiere eliminiert – und dies nur für eine kurze Zeit, gab der Spezialist für die Kirschessigfliege im Weinbau zu bedenken. Bereits nach kurzer Zeit sei die Wirkung des Spritzmittels verflogen. Allfällige Eier und Maden, die sich bereits im Innern der Traubenbeeren befinden, könnten ihre Wirkung trotz des eingesetzten Insektizids entfalten. Für Kehrli ist nicht die Zahl der Fänge von Kirschessigfliegen das Mass für die Bedrohung, sondern die Anzahl an effektiv in die Traubenbeeren abgelegten Eiern. Mit dieser Haltung stiess der Agroscope-Spezialist bei den anwesenden Weinbauern auf eher geringes Verständnis.

Einsatz von Netzen evaluiert

Neben dem Kaolin-Einsatz laufen am Iselisberg auch verschiedene Versuche, welche den Einsatz von engmaschigen Netzen im Traubenbereich evaluieren. Markus Frei vom Gutsbetrieb Engel hat damit 2014 gute Erfahrungen gemacht, und dies bei einer Sorte Tafeltraube, die besonders gerne von Kirschessigfliegen angeflogen wird. Die Einnetzung hat allerdings einen gravierenden Nachteil: Sie ist äusserst arbeitsintensiv und sehr teuer - dermassen teuer, dass sie sich im Weinbau nur für Spezialitäten lohnt.

Christian Weber