Von Gewerkschaften und Bauern angefeindet, unter Beschuss wegen Waffenexporten und Freihandelsabkommen - am Ende schien es der angeschlagen wirkende Volkswirtschaftsminister niemandem mehr recht machen zu können. Doch richtig rund ist es dem Berner FDP-Bundesrat in der Regierung nie gelaufen.

Die Wahl ging noch glatt: Als es 2010 die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz zu bestellen galt, setzte sich der Berner Patron dank linker Stimmen gegen die damalige St. Galler Sicherheitsdirektorin Karin Keller-Sutter durch. Als Präsident des Industrieverbands Swissmem hatte er in den Krisenjahren mit demonstrativer Distanz zu den Banken und seinem Bekenntnis zum Werkplatz Schweiz gepunktet.

Liberaler Spagat

Im Amt schien sich Schneider-Ammann dann aber nicht entscheiden zu können, ob er den Dingen in liberaler Manier ihren Lauf lassen oder ob er ihnen als Regierungsmitglied seinen Stempel aufdrücken sollte. Oft genug entschieden andere für ihn, oder die Dinge nahmen ihren Lauf.

Als exemplarisch gelten die Verhandlungen über eine Stärkung der flankierenden Massnahmen, die die Sozialpartner 2013 unter Schneider-Ammanns Schirmherrschaft aufgenommen hatten. Am Vorabend der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative Anfang 2014 hatte Schneider-Ammann keine Resultate vorzuweisen. Heute weiss man, dass ein kleines Zugeständnis an die Linke wohl ein anderes Abstimmungsergebnis bedeutet hätte.

Die Probleme hatten schon früher begonnen. Als Schneider-Ammann im November 2010 sein Amt antrat, ächzten Tourismus- und Exportindustrie unter dem starken Franken. Wenige Monate später stellte er ein zwei Milliarden Franken schweres Hilfspaket in Aussicht. Geplant waren sogar direkte Subventionen für Unternehmen. Der Widerstand der Wirtschaft war dann aber so stark, dass der Bundesrat zurückkrebsen musste.

Zweifelhaftes Denkmal

Während dieser Vorfall inzwischen vergessen ist, könnte sich Schneider-Ammann mit seinem unermüdlichen Einsatz für die Schweizer Rüstungsindustrie ein dauerhaftes Denkmal gesetzt haben. Gegen Ende seiner Amtszeit hatte er im Bundesrat endlich eine Mehrheit für den Export von Waffen in Bürgerkriegsländer. Der Entscheid sorgt auch bei Bürgerlichen für Unbehagen.

"Jobs-Jobs-Jobs!" lautet das Mantra des Volkswirtschaftsministers. Doch der Deindustrialisierung des Landes hatte er wenig entgegenzusetzen. Bei der Übernahme von Alstom durch General Electric etwa gab Schneider-Ammann nach Gesprächen mit der Chefetage Entwarnung. Wenige Monate später musste er hilflos den Abbau von 1400 Schweizer Jobs zur Kenntnis nehmen.

Schneider-Ammanns Fachkräfteinitiative ist zwar besser als ihr Ruf. In Bundesbern gilt sie inzwischen aber als Sinnbild für das Wirken des Berner Bundesrats. Während das Land jahrelang auf handfeste Massnahmen wartete, machte Schneider-Ammann mit Vielfliegerei und häufigen Auslandreisen von sich reden.

Viele Feinde

Der Aktivismus forderte seinen Tribut. Wenn der Minister Bundesbern wieder einmal mit einem Aussetzer erschreckte, verwies sein Stab auf das enorme Pensum. Auch die ständigen Anfeindungen zehrten offensichtlich an den Kräften.

Die Bauern hatte Schneider-Ammann schon mit der neuen Landwirtschaftspolitik auf die Strasse getrieben. Kaum hatte der Ernährungssicherheits-Artikel für etwas Ruhe gesorgt, machte Schneider-Ammann Freihandelspläne für die Landwirtschaft und eine Reorganisation bei Agroscope publik. Es dauerte Monate, bis Bauernpräsident Markus Ritter wieder mit ihm sprach.

Wegen des EU-Forschungsprogramms überwarf sich der Volkswirtschaftsminister bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative mit Bundesratskollegin Simonetta Sommaruga. Im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen brachen die Gewerkschaften mit dem einstigen Vorbeter der Sozialpartnerschaft. Die Digitalisierer haben den Glauben ob der Flut folgenloser Berichte und Initiativen längst verloren.

Hölzerner Auftritt

Zusätzlich kratzten Offshore-Konten, ein Korruptionsskandal im Seco oder Bürgschaften für die marode Schweizer Hochseeflotte an Schneider-Ammanns Ruf. Viele dieser Pannen hatten lange vor dessen Wahl in den Bundesrat ihren Lauf genommen. Andere gehen auf Entscheide des Gesamtbundesrats zurück. Dennoch blieben sie in der öffentlichen Wahrnehmung oft an Schneider-Ammann hängen.

Als Wirtschaftsführer hatte er als Brückenbauer gegolten. Als Bundesrat gelang es ihm nur selten, Allianzen zu schmieden und Begeisterung für seine Projekte zu wecken. Viel mehr Aufmerksamkeit erregt Schneider-Ammann mit seinen Ansprachen, die nicht einmal abgelesen richtig gelingen wollen. Die Rede zum Tat der Kranken mag weltweit für Schmunzeln gesorgt haben. In Bundesbern sorgte der hölzerne Auftritt selten für Heiterkeit.

Nur beim Abschluss des Freihandelsabkommens mit China schien das Publikum dem Wirken des Volkswirtschaftsministers Respekt zu zollen und seinen Enthusiasmus zu teilen. Dabei gäbe es auch andere Entwicklungen zu würdigen: Die Arbeitslosigkeit ist trotz Zuwanderung tief, die Zahl der Stellen steigt, immer mehr Frauen arbeiten. Auch die Berufsbildung und die Hochschulen haben von Schneider-Ammann profitiert.

Erfolgreicher Unternehmer

Trotzdem dürfte er als Bundesrat in Erinnerung bleiben, der nie ganz im Amt angekommen ist. Als jener Magistrat, bei dem man sich stets fragte, warum er nicht Unternehmer geblieben ist. Denn als solcher war er bemerkenswert erfolgreich.

Der Sohn eines Emmentaler Tierarztes war Anfang der 80er-Jahre als ETH Elektroingenieur ins Geschäft des Schwiegervaters eingestiegen. Mit dem Baumaschinenbau-Unternehmen Ammann fuhr er eine erfolgreiche Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie. Er rettete nicht nur die 800 Schweizer Arbeitsplätze durch die Krise der 1990er-Jahre, sondern baute die Firma aus und erhöhte die Zahl der Stellen in der Schweiz auf 1200.

Den Umsatz konnte er mehr als vervierfachen. Zudem gehört er zu den Rettern der Bieler Firma Mikron. Als der Vater zweier erwachsener Kinder die Firma im Herbst 2010 in die Hände der sechsten Generation der Familie übergab, lag der Umsatz bei rund einer Milliarde Franken. Die "Bilanz" führt die Familie Schneider-Ammann in der Liste der 300 reichsten mit einem geschätzten Vermögen von 425 Millionen Franken.

sda