Die ungeübte Nase tut sich schwer, beim Identifizieren der Duftwolken, abgesondert von einer Vielzahl an Kräutern und Stauden. Ganz anders ergeht es Simon Meyer, Student der biologisch-dynamischen Anbauweise im vierten Lehrjahr. Er ist mitunter für das Duftspektakel verantwortlich.

Vom religiösen Zentrum zum Seminarbetrieb


Oberhalb vom Brienzersee BE befindet sich die Schweibenalp auf 1100 m ü. M. Gut versteckt eröffnet sich bei Strassenende eine unerwartete Landschaft. Die Schweibenalp war bereits vieles: ein Lungenkurort, ein Kinder-spital, ein spirituelles Zentrum usw. Letzteres ist nach wie vor präsent, nur nennt sich die Schweibenalp heute «Zentrum der Einheit». Getragen von einer Stiftung, steht im Zentrum der Vision der Schweibenalp eine ganzheitliche Lebenskultur, mit Platz für alle Religionen.


Beim Spaziergang durch das Zentrum kann der Besucher die unterschiedlichsten Bauten bestaunen: ein Tipi, eine Jurte, ein indischer Tempel stehen in unmittelbarer Nähe zu alten Bauernhäusern. Durch das Gelände ziehen sich zahlreiche kleine Wege, die zu Gemüsebeeten, Sträuchern oder Ruhezonen führen. Die Beete sind durch Baumstämme oder Steine abgegrenzt, natürliche Wärmespeicher.

Simon Meyer unterlässt es auf dem Spaziergang nicht, hie und da einen Kontrollblick zu machen, ein Blatt abzuzupfen um dann genüsslich darauf zu kauen. Es sei imposant, wie sich die Schweibenalp in den letzten drei Jahren entwickelt habe, schildert er.


Grösste alpine Permakultur der Schweiz


Fast während des ganzen Jahres finden Seminare statt. Über 35 Mitarbeiter zählt das Team. Das grosse, alte Gebäude auf der Alp ist heute ein Gästehaus für die Seminarteilnehmer. Knapp 10 00 Übernachtungen registrieren die Betreiber jährlich. Das Kursprogramm ist vielfältig: 
Einfache Yogakurse gehören ebenso dazu wie Speisepilz-
Anbaumethoden.


Speisepilzkurse? Richtig gelesen. Denn ein wichtiges Standbein der Schweibenalp ist der Permakultur-Seminarbetrieb, in welchem unter anderem der dort praktizierte permakulturelle Anbau von Gemüse, Stauden und Kräutern vermittelt wird. Auch eine Permakultur-Ausbildung ist im Angebot.

«Auf der Schweibenalp entsteht seit 2009 das derzeit grösste Permakultur-Projekt der Schweiz» erklärt Meyer. Der Begriff «Permakultur» stammt ursprünglich aus Australien und steht für eine «zukunftsfähige Landbewirtschaftungsmethode» (siehe Kasten). Rund ein Drittel der Mitarbeiter arbeitet für die Permakultur.


Die Gärtnerei – ein vielfältiges Biotop


Vor vier Jahren startete das Permakultur-Projekt. Und auf das bisher Erreichte ist Simon Meyer sichtlich stolz. «Wir wollen für die Lebensgemeinschaft der Schweibenalp und die Gäste unseres Seminarzentrums mit Hilfe der Permakultur ein nachhaltiges Versorgungsmodell mit Nahrungsmitteln, Energie und Baumaterialien bereitstellen», erklärt er.

Beim Gemüse sind das bald knapp 50 Prozent, die auf dem 20 Hektaren grossen 
Gelände produziert werden. Kürbis, Sellerie, Lauch und noch vieles mehr erhält sozusagen den Stempel «Made in Schweibenalp». Kartoffeln, Emmer und Dinkel werden im Auftrag auf einem Betrieb im Kanton Luzern produziert. «Dafür sind wir zu hoch gelegen», erklärt Meyer weiter.

Chaos mit System


Was für die geübte Gärtnerin aussieht wie ein heilloses Durcheinander, hat System. Perma-kultur, das beginnt mit dem Aufbau von sich gegenseitig unterstützenden Pflanzengemeinschaften (Symbiosen) und umfasst letztlich die gesamten Kreisläufe der Natur.

So wurden in den letzten drei Jahren 250 Obstbäume und Beerensträucher gepflanzt. Diese tragen nun langsam Früchte und sollen sich zu einer weiteren Einnahmequelle entwickeln. Die Förder- und Nutzpflanzen werden kombiniert, Nützlinge ersetzen die Schädlingsbekämpfung. Künstlicher Dünger, Fungizide, Insektizide usw. kommen auf der Schweibenalp nicht zum Einsatz.


Produkte werden auch am Markt verkauft


Obwohl der landwirtschaftliche Betrieb auf der Schweibenalp nicht einem typischen Betrieb entspricht, ist er Bio-zertifiziert. Weiter wird die Zusammenarbeit mit Pro Specie Rara gepflegt, insbesondere beim Herstellen von Samen von seltenen Kräutern. Abgesetzt werden die Produkte neben der eigenen Seminar- und Mitarbeiterküche auch auf verschiedenen Märkten in der Region.

«Wir waren überwältigt vom Feedback», erläutert Sarah Daum, ebenfalls Mitglied der Permakultur-Gruppe auf der Schweibenalp. Vor allem die Stauden hätten sie auf dem Markt in Bern restlos verkaufen können. Aber auch im hauseigenen Shop finden die selbst hergestellten Produkte wie Salben oder Gewürze einen guten Anklang.

Ausser Bienenvölker und Laufenten zur Schneckenregulierung gehören zum Betrieb keine weiteren Tiere. «Wir planen, ein paar Hühner und Schweine anzuschaffen», erläutert Sarah Daum. Aber da Tierhaltung sehr arbeitsintensiv sei, müsse ein solcher Schritt gut überlegt sein.


Integration ist auf gutem Wege


Die Stiftung Schweibenalp macht vieles anders, als man sich das eigentlich gewöhnt ist. Stösst man dabei nicht auf Unverständnis? «Unterdessen sind wir gut akzeptiert», erklärt Sarah Daum. Vor allem, wenn die Bevölkerung erst einmal auf 
Besuch gekommen sei, baue sich die Skepsis von alleine ab. «Wir pflegen viele Kooperationen mit lokalen Anbietern», sagt Simon Meyer. So seien für die Neubauten Anbieter aus der unmittelbaren Region berücksichtigt worden. Das habe geholfen, sich in der Region zu integrieren.


Julia Schwery

Mehr Infos zur Permakultur: www.alpine-permakultur.ch

Mehr Infos zur Schweibenalp: www.schweibenalp.ch