Die Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld wollen dafür sorgen, dass Schweizer Zucker auch in Zukunft gekauft wird und nicht durch billigen Importzucker aus der EU ersetzt wird. Allerdings ist der Importdruck derzeit sehr hoch, denn in der EU ist der Zuckerpreis in den letzten zehn Monaten von 700 Euro auf 508 Euro pro Tonne eingebrochen.
Dass der Preis in der EU derart abstürzt, ist eine Folge des einsetzenden Verdrängungskampfs der insgesamt 103 europäischen Zuckerfabriken. Diese bereiten sich auf den nahenden Quotenausstieg vor – denn auch die europäische Zuckermarktordnung soll liberalisiert werden. Und das hat Auswirkungen auf die Schweiz.
Preisdruck aufgrund von Marktordnung
Dass sich die europäischen Zuckerpreise auf den Inlandpreis auswirken, liegt zu einem guten Teil an der geltenden Marktordnung. Wie Urs Furrer von der Föderation der Schweizer Nahrungsmittelindustrien (Fial) sagt, erfolge die Änderung des Grenzschutzes immer zeitverzögert. «Das System ist nicht so ausgereift, dass sofort reagiert werden kann.»
Die Schweiz erhebt derzeit eine Grenzabgabe von rund 140 Franken pro Tonne Zucker. Für die Festlegung der Grenzabgabe werden kurzzeitige Preisänderungen nicht berücksichtigt, was zu Verzögerungen führt. Sinken die europäischen Preise stark, kommt der Schweizer Zuckerpreis unter Druck.
Wie Guido Stäger, Direktor der Schweizer Zucker AG sagt, hilft auch der Faktor Swissness nur sehr bedingt. Denn Hauptabnehmer für Schweizer Zucker ist die Lebensmittelindustrie, und diese würde die Preise drücken, sobald dies möglich sei.
Für Furrer hingegen ist klar, dass höhere Rohstoffpreise beim Export von verarbeiteten Lebensmitteln ein Problem darstellen. Weil für Zucker als Bestandteil von landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen, die in die EU exportiert werden, keine Ausfuhrbeiträge gewährt werden, ist es für die Lebensmittelindustrie wesentlich, auch auf Rohstoffe zurückgreifen zu können, die preislich konkurrenzfähig sind.
Bund soll
Grenzschutz prüfen
Man sei mit dem Bund im Gespräch, sagt Guido Stäger – man favorisiert ein Schwellenpreissystem, weil dadurch der Zoll flexibler an die Marktentwicklungen angepasst werden könne.
Wie aus verlässlicher Quelle zu erfahren ist, hat das Bundesamt für Landwirtschaft eine Analyse der aktuellen Umsetzung der Grenzbewirtschaftung vorgenommen. Wie es heisst, erlaube das Berechnungsschema einen rechtskonformen und vorhersehbaren Vollzug. Trotzdem prüfe die Bundesverwaltung nun Handlungsoptionen, denn der Quotenausstieg in der EU dürfte sich auf den Handel mit der Schweiz auswirken.
Hervorragendes Rübenwetter und ein Entscheid
Allerdings kommt es nicht von ungefähr, dass die Produktion derart hoch ist. Denn neben einem ausgezeichneten Rübenjahr hat auch die Anbauplanung das Ergebnis beeinflusst. Weil die Ernteergebnisse in den letzten Jahren eher durchschnittlich waren, blieben die Zuckerlager leer. Doch mit leeren Lagern können die Ertragsschwankungen nicht ausgeglichen werden. Ausserdem hat die Zuckerfabrik in Lagersilos investiert, die gefüllt werden sollten. In der Folge drängte sich eine Korrektur der Anbauflächen auf.
So hatte man im letzten Jahr 1000 zusätzliche Hektaren unter Vertrag genommen und liess etwas mehr als 20 00 Hektar Rüben anbauen. Heuer können daraus 300 00 t Zucker hergestellt werden – in einem normalen Jahr sind es 240 00 t. Der Überschuss könne erst im nächsten Jahr verkauft werden, sagt Guido Stäger dazu. Damit sind nun auch die Zuckerlager wieder gefüllt. Damit aber im nächsten Jahr wieder ungefähr die Bedarfsmenge produziert wird, haben sich Zuckerfabrik und Zuckerrübenpflanzer darauf geeinigt, die Anbauflächen um 5 Prozent zu reduzieren. «Dabei setzen wir auf freiwillige Stilllegung von Flächen», sagt Samuel Keiser, Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Zuckerrübenpflanzer.
Es bleibt
schwierig
Dass unklar ist, wie sich der europäische Zuckermarkt entwickeln wird, macht die Situation für die Landwirte und die Zuckerfabriken nicht einfacher. Von einer bald eintretenden Entspannung spricht jedenfalls niemand. Samuel Keiser sagt, dass die schwierige Marktsituation gemeinsam gemeistert werden müsse. «Wichtig ist, dass die Anbaubereitschaft erhalten bleibt», meint Keiser. Denn die Zuckerrübe sei eine hervorragende Kultur für die Fruchtfolge und passe bestens zu den Schweizer Produktionsbedingungen.
Keiser wird auch im nächsten Jahr seine 6 Hektaren pflanzen - und versucht, optimistisch zu bleiben. «Entscheidend ist der Deckungsbeitrag», meint er. Wenn dieser zu tief sei, würde er Alternativen in Erwägung ziehen. Vorerst steht das aber nicht zur Diskussion.
Hansjürg Jäger