Die Aussicht aus Bettina Heidelbergers (27) Wohnzimmer ist atemberaubend, vor allem bei klarem Wetter. «Von hier aus sehe ich den Uetliberg und dahinter die Rigi. Das weckt schönste Erinnerungen.»
Nachdem die junge Bäuerin im Winter 2014 / 15 die Handelsschule am Strickhof absolvierte, suchte sie eine neue Stelle. Eigentlich hätte sie das neuerworbene Wissen gerne mit Erfahrungen in einem Büro vertiefen wollen. Sie fand aber nicht das Richtige.
So entschied sie sich für eine Stelle auf der Räbalp LU, am Wanderweg von Küssnacht auf die Rigi. «Die Zeit war streng, aber unvergesslich. Dabei wollten sie mich zuerst gar nicht einstellen, zu gross war die Skepsis gegenüber einer Zürcherin», lacht sie.
Der Schock des Lebens
Nach dem Alpsommer und bevor sie für ein paar Wochen mit ihrem Freund Roman Heidelberger in Kanada herumreisen wollte, suchte sich Bettina Morf, wie sie damals noch hiess, eine neue Arbeitsstelle.
Nach einem kurzen Gespräch bei einer Bäckerei in der Stadt Zürich war sie als Verkäuferin angestellt. Später erfuhr sie, dass sie ihres fröhlichen Lachens wegen – das von der Alpzeit und der Vorfreude auf ein baldiges Treffen mit dem Schatz in Kanada herrührte – angestellt wurde.
Doch zunächst ging es über den grossen Teich zu Roman Heidelberger, der während einiger Monate auf einer kanadischen Farm arbeitete. Die beiden genossen das gemeinsame Reisen und die herrlichen Landschaften im herbstlichen Kanada.
Zurück in der Schweiz nahm sie ihre Arbeit in der Bäckerei auf: «Das war der Schock des Lebens!» Die Hektik und die Unzufriedenheit von Kunden und zum Teil auch von Mitarbeitenden nahmen der fröhlichen Frau die Freude an der Arbeit.
«Viele Kunden haben die feinen Gebäcke ohne die geringste Wertschätzung in sich hineingestopft. Alles musste schnell und effizient gehen. Unter den Mitarbeitenden herrschte eine kühle Distanz. Es gab viel Personalwechsel und die Anstellungsbedingungen wären noch optimierungsfähig gewesen.»
Traumjob in der Landi
«Ich wollte schon immer in einer Landi arbeiten. Nach der Oberstufe habe ich dann die Lehr- stelle als Detailhandelsfachfrau in der nächstgelegenen Landi bekommen», erzählt Bettina Heidelberger begeistert.
Nach ihrer Arbeitserfahrung in der Stadt war für sie klar, dass sie wieder in einer Landi arbeiten wollte. Als sie hörte, dass in Neftenbach ZH ein neuer Laden aufgebaut werde, bewarb sie sich. Sie bekam die Stelle als Grünbereichsleiterin, kombiniert mit einem Teilbereich im Büro.
«Am Anfang war das ein Knochenjob, oft mehr als 100 Prozent. Aber damit ich habe bei der Anstellung gerechnet, weil ich schon am Lehrort Erfahrungen mit dem Aufbau eines neuen Ladens machen konnte.»
Fachausweis und Heirat
Von klein auf ist die junge Frau tief mit der Landwirtschaft und der Natur verbunden. Sie ist zusammen mit einem Bruder auf einem Bauernhof in Gerlisberg über dem Flughafen Kloten aufgewachsen.
Es verwundert darum auch nicht, dass sie sich vor gut zwei Jahren für den Besuch der Bäuerinnenschule am Strickhof in Wülflingen entschied und danach auch noch den Fachausweis Bäuerin erfolgreich abschloss.
Das Engagement für die Abschlussarbeit im Frühling fiel zusammen mit den Vorbereitungen für das Hochzeitsfest im Sommer 2016.
«Ich konnte mein Pensum bei der Landi etwas reduzieren – und mit gutem Einteilen habe ich, neben den Hochzeitsvorbereitungen, auch meinen beruflichen Abschluss gemacht», freut sie sich heute.
Neues gut abklären
Anfang des kommenden Jahres werden Heidelbergers Romans elterlichen Betrieb in Hochfelden ZH übernehmen. Ob und wie sie diesen allenfalls verändern werden, diskutieren sie häufig. Wichtig sind dabei Gespräche mit ihren Eltern.
Allenfalls werden sie die Milchproduktion zugunsten der Fleischproduktion mit Mastmunis aufgeben. Der Ackerbau mit Saatkartoffeln, Zuckerrüben, Raps und Getreide wird weiterhin ein starkes Betriebsstandbein sein.
Die junge Bäuerin sieht auch Potenzial in der Selbstpflückanlage mit Bohnen, die seit einigen Jahren viel Anklang bei Kunden aus dem Dorf und der Region findet. Daneben vermarkten Heidelbergers einen Teil ihrer Rapsernte als kalt gepresstes Öl über Läden in der Region.
«Neu haben wir auch Rapssamen als Zugabe im Brotteig, Salat oder Müesli im Sortiment. Vielleicht lässt sich das noch ausbauen.» Wichtig ist dem jungen Paar, dass sie für weitere Betriebszweige alles genau abzuklären, um sich nicht mit unnötiger Arbeit zu überfordern.
Margreth Rinderknecht