Exportsubventionen sind ab 2021 für die Schweiz Tabu, das Schoggigesetz wird bis dann in seiner heutigen Form abgeschafft werden müssen. Welche Bedeutung hat das Ergebnis für Sie?

INEICHEN-FLEISCH: Die Schweiz ist bei WTO-Verhandlungen schon ab und zu unter Druck gestanden. Aber sie war noch nie so isoliert wie in Nairobi. Die WTO-Mitglieder kennen nun unsere Bedürfnisse für  Schokolade, Biskuits und Babynahrung. Sie werden deshalb aber auch sehr genau schauen, was wir jetzt mit den Exportsubventionen machen werden. Doch damit können wir gut leben.
 
Gerade der Bauernverband bemängelt, dass man die Exportsubventionen fallen liess, während andere Länder andere Instrumente weitgehend unbeschadet durch die Verhandlungen bringen konnten.

INEICHEN-FLEISCH: Mit der vollständigen Abschaffung der Exportsubventionen bis 2020 leistet die Schweiz tatsächlich einen grossen Beitrag. Aber auch die USA haben bei den Exportkrediten die Rückzahlungsfristen von 24 auf 18 Monate reduziert. Natürlich hätten wir die anderen Länder gerne zu mehr Konzessionen bewegt. Aber man muss die Kräfteverhältnisse berücksichtigen und akzeptieren. Denn während unter anderen die USA Exportkredite und Lebensmittelhilfe verteidigen wollten, gab es Entwicklungsländer, die die staatlichen Transport- und Vermarktungsbeiträge beibehalten wollten. Das heisst, eine breite Allianz von Ländern hatte ein grosses Interesse, dass man bei den Exportsubventionen etwas macht, aber mit anderen Instrumenten des Exportwettbewerbs weniger streng umgeht.
 
Eigentlich hat man schon 2005 beschlossen, dass Exportsubventionen aufgehoben werden sollten.

INEICHEN-FLEISCH: Im Grundsatz ja, aber das war an den Abschluss der Doha-Runde gekoppelt. Als sich 2013 in Bali erneut die Handelsminister zu einer Aufhebung der Exportsubventionen bekannten, stieg der Druck zusätzlich.
 
Das heisst, die Forderung der Land- und Ernährungswirtschaft, das Schoggigesetz nicht frühzeitig fallen zu lassen, war nie realistisch?

INEICHEN-FLEISCH: Nein, überhaupt nicht. Es wäre ausgeschlossen gewesen, eine Ausnahme für unsere Exportsubventionen zu erhalten und das Schoggigesetz in seiner heutigen Form ewig halten zu können. Warum hätte die Schweiz als einziges von 163 Mitgliedern eine so weitgehende Ausnahme erhalten sollen, wenn sogar Entwicklungsländer ihre Exportsubventionen abbauen müssen?
 
Welche Alternativen zum Schoggigesetz gibt es derzeit?

INEICHEN-FLEISCH: Es gibt Alternativen, die wir in den kommenden Monaten diskutieren werden. Wir müssen dabei eine WTO-kompatible Lösung finden. Allerdings liegt dieses
Dossier wieder bei meinen Agrarexperten und denjenigen des Bundesamtes für Landwirtschaft. Meine Aufgabe war es, die Verhandlungen zu führen. Was wir wollten war eine Schonfrist bis 2020. Und das haben wir erreicht.
 
Aber die entsprechende Fussnote im Vertragstext war während der Verhandlungen sehr umstritten.

INEICHEN-FLEISCH: Ja. Und wenn die Fussnote gefallen wäre, hätte ich die Verhandlungen blockieren müssen. Im Verlauf des letzten Verhandlungstages konnten wir das Verständnis für unser Problem verbessern.
 
Für wen ist das Ergebnis der Nairobi-Verhandlungen von Nutzen?

INEICHEN-FLEISCH: Ich denke, es ist gut für die WTO als Grundlage des multilateralen Handelssystems. Und es ist gut für die zahlreichen Entwicklungsländer, die nicht in Freihandelszohnen integriert sind. Die Verhandlungen haben gezeigt, dass man auch innerhalb der WTO zu Resultaten kommen kann. Allerdings scheint namentlich Indien mit den Resultaten nicht sonderlich zufrieden zu sein. Sie befürchten, dass sie ihre Vorzüge als Entwicklungsland verlieren, wenn man zwar weiterverhandelt, aber nicht unbedingt in der Struktur der Doha-Runde. Diese sieht nämlich für alle Entwicklungsländer weitgehende Ausnahmemöglichkeiten vor.

Interview Hansjürg Jäger

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