Agrotourismus Graubünden bringt die Landwirtschaft und den Tourismus auf ungewöhnliche Art zusammen. So war der Flimser Hotelier Christoph Schmidt am vergangenen Wochenende mit seiner jungen Familie zu Besuch auf dem Biobauernhof von Barbara und Sep Candinas in Sumvitg.
Eier einsammeln und beim Zäunen helfen
Den Aufenthalt des Hoteliers auf dem Biobauernhof könnte man wohl als ultraschnelle, aber sehr intensive Schnupperlehre bezeichnen. Sep Candinas nahm sich Zeit für seinen Besuch, und dieser durfte so ziemlich alles ausprobieren, was er wollte.
Nach dem Frühstück, als wir dazu stiessen, hatten Christoph Schmidt – der Hotelier vom Schweizerhof in Flims – und seine Söhne gerade Eier eingesammelt. «Es sind genau 116!», erzählten Matteo und Nicolas ganz stolz. Ihr Papa war unterdessen am Mähen und seinem zufriedenen Gesichtsausdruck nach machte ihm diese Arbeit so richtig Spass.
Das erste «Paar» unter vielen
Danach ging es ans Holzen, was schon etwas kräfteraubender war. Christoph Schmidt, der auch Geschäftsleitungsmitglied der Weissen-Arena-Gruppe ist, liess sich auf viele Herausforderungen ein. Alltägliches für den Bauern war für ihn mehr oder weniger neu. Sep Candinas Tiere beweideten gerade eine Wiese vor dem Dorf, wo der Hotelier ihm beim Umzäunen zur Hand gehen konnte.
Das erste «Paar» hat sich somit gefunden, und auch im Val Müstair sind einige Bauern und Hoteliers bereit für den Austausch und wollen damit ihre Zusammenarbeit stärken. Das Anliegen von «Bauer sucht Hotelier» ist es, Menschen und Unternehmen zusammenzubringen, spielerisch, aber doch mit Relevanz.
Die Initiative wird von der Geschäftsstelle Agrotourismus Graubünden verantwortet und steht unter dem gemeinsamen Patronat von Bündner Bauernverband und Hotelleriesuisse Graubünden.
Rund um die Uhr einsatzbereit
Sep Candinas und Christoph Schmidt sind dabei, weil sie einmal hinter die Kulissen eines ganz anderen Betriebs schauen wollten. So fuhr Schmidt mit seinen beiden Söhnen bereits am Freitagabend nach Sumvitg, wo sie von der Familie Candinas herzlich willkommen geheissen wurden.
Nach dem Abendessen durften die Jungs ihrem Vater beim Hühnereinbringen helfen, den Eseln gute Nacht sagen, um dann selbst zufrieden ins Bett zu gehen. Die Erwachsenen genossen den Abend und führten ein interessantes Gespräch.
Hotelier und Bauer fanden viele Parallelen; so führen beide ein Geschäft, können selbst planen, sind aber auch selbst verantwortlich, dass alles klappt, wie es soll. Auch müssen beide sieben Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag im Einsatz oder zumindest einsatzbereit sein. So kamen die Männer denn auch zum gemeinsamen Fazit: «Ob Bauer oder Hotelier, es braucht Liebe und Leidenschaft für das, was man macht.»
Investitionen um ändernden Vorschriften zu entsprechen
Sep Candinas und Christoph Schmidt interessierten sich auch für die finanziellen Aspekte des anderen Betriebs, und auch da stellten sie einige Parallelen fest. Sowohl im Hotel als auch im landwirtschaftlichen Betrieb braucht es dauernd Investitionen, um à jour zu sein und den immer strenger werdenden Vorschriften gerecht zu werden.
Candinas zeigte sich beeindruckt, welche Beträge die Schweizerhof-Besitzer allein schon für die Löhne der rund
30 Angestellten in die Hand nehmen müssen. Jeder wollte wissen, was den anderen am meisten beschäftigt, und so kam man auf Themen wie Nachhaltigkeit und Nachfolgeplanung zu sprechen und tausend Fragen und Antworten folgten.
Weil Schmidt am Abend so sehr vom Caumasee geschwärmt hatte, entschloss sich der Bauer für eine morgendliche Fahrt aufs Maiensäss ob Laus. Nach einem kurzen Fussmarsch dann, konnte er Schmidt «seine» Perle zeigen, den wunderschönen Lausersee und der Flimser war sofort bezaubert.
Als sie wieder im Dorf ankamen, stiess auch die Hotelierin Sandra Schmidt mit Baby Emilia dazu, und alle genossen das Bauernfrühstück, um dann mit Gummistiefeln und Arbeitsbekleidung an die oben aufgezählten Arbeiten zu gehen.
Im Juli werden die Bauern zu Hoteliers
Mit vielen neuen Eindrücken genossen alle das Mittagessen in der Pergola. Möglichkeiten für eine nachhaltige Zusammenarbeit gäbe es viele, konkrete Ideen wurden jedoch noch nicht besprochen.
Eigentlich sind alle bereits ausgelastet, aber vielleicht ergibt sich ja doch noch etwas. «Potenzial besteht sicher, gerade so ein perfektes Frühstück in dieser wunderbaren Umgebung wäre doch toll für unsere Gäste», meinten die Schmidts.
Doch vorerst luden sie die Candinas ein, ein Wochenende bei ihnen im Hotel zu verbringen, um dort hinter die Kulissen zu schauen.
Susi Rothmund