Gerade wieder verschwindet ein Zug im neuen Gotthard-Basistunnel. Es wirkt ziemlich aufgeräumt am Nordportal in Erstfeld: Die Überführung und das Trassee der alten Gotthardstrecke sind rückgebaut. Im engen Tal ist nun sogar wieder etwas Fläche freigeworden.

Ursprünglich sollte hier das Abkühlbecken für das warme Drainagen-Wasser aus der Neat gebaut werden, bevor dieses in die Reuss abgelassen worden wäre. Doch weil das Wasser deutlich kälter als angenommen aus dem Stollen kommt, war dieses nicht mehr nötig.

Ein Glücksfall für das Startup-Unternehmen Basis 57, das nun dort direkt vor Ort die grösste Fischzuchtanlage der Schweiz bauen kann. Gemäss Businessplan liegt der Investitionsbedarf für Gebäude und Anlagen bis ins Jahr 2020 bei knapp 18 Mio. Franken. Kürzlich erhielt die Firma die Konzession zur Nutzung von 100 Liter frischem Bergwasser pro Sekunde, das eine Temperatur von 12 bis 15 Grad hat. «Die perfekte Temperatur für die Zucht von Zander», sagt Basis57-Geschäftsführer Stefan Baumann.

In drei Jahren sollen von hier aus die ersten frisch verarbeiteten Filets ausgeliefert werden. Geplant ist eine grosse Anlage für Fischmast, Verarbeitung und Veredelung mit einer Kapazität von jährlich 600 Tonnen Speisefischen aus der Schweiz.

Grosses Interesse an regionalem Zander 

Ein ehrgeiziger Plan zweifellos, denn noch ist nicht viel zu sehen von einer Fischzucht. Zurzeit sind Büro und Testbecken in der ehemaligen Kläranlage gegenüber vom Tunneleingang untergebracht. Im Kaffeeraum schwimmt ein Tilapia im Aquarium. Ein blinder Passagier, der im Rahmen von Tests mit einer Ladung Pangasius-Jungfischen den Weg nach Uri fand, erklärt Baumann.

Das bereits vor zehn Jahren gegründete Unternehmen führte in den letzten Jahren umfangreiche Studien mit Fischen durch, die sich hier für die Zucht eignen könnten. Darunter auch weniger bekannte einheimische Fische wie die Trüsche. «Der Testbetrieb zeigte aber, dass die Vermarktung von Trüsche extrem schwierig wäre», sagt Baumann.

Der Zander kristallisierte sich schliesslich als idealer Fisch heraus. Zum einen ist die Nachfrage nach dem grätenlosen Speisefisch gross und die Preise sind entsprechend hoch. Da die Zander-Wildfänge aus den einheimischen Gewässern seit Jahren rückläufig sind, werden die Fische heute mehrheitlich aus Osteuropa importiert. Das Interesse an nachhaltig produziertem Zuchtzander aus der Region ist deshalb gross, insbesondere auch bei Grossverteilern.

Zuerst kommen die Jungfische  

In den nächsten Wochen soll nun in Erstfeld zuerst die Anlage für die Besatzfischzucht erstellt werden. Sie bildet die Basis für die Zukunft der Fischzucht. Zum einen wachsen hier die eigenen künftigen Speisefische heran. Zum anderen sollen von hier aus auch Jungfische verkauft werden. Denn die Zanderzucht ist noch eine relativ junge Disziplin, liegt aber offenbar im Trend. «Zurzeit besteht europaweit ein grosser Mangel an Zander-Jungfischen», sagt Baumann.

Damit will die Firma erstmals Geld verdienen, bisher finanzierte sie sich über Förderbeiträge, zinslose Darlehen des Kantons und über die Aktionäre. Ein Agraringenieur mit Spezialisierung in Aquakultur und ein Fischwirt bereiten zurzeit alles vor, damit voraussichtlich Ende Jahr die ersten Satzfische mit einem Gewicht zwischen 5 und 10 Gramm ausgeliefert werden können.

Doch die Satzfischzucht ist anspruchsvoll. Zuerst müssen eigene Zuchtlinien von robusten Mutter- und Vatertieren aufgebaut werden. Die frisch geschlüpften Fischchen für die Aquakulturen werden zuerst mit selbstproduzierten Salzwasserkrebsen gefüttert, ehe sie allmählich auf Trockenfutter umgestellt werden. Da die kleinen Zander unterschiedlich schnell wachsen, müssen sie zudem laufend aussortiert werden, da sonst die Grösseren die Kleinen auffressen würden. Hier sind geübte Augen des Fischwirtes gefragt.

Köningszander vom Bauernhof 

Der Fischkonsum nimmt in der Schweiz tendenziell zu. Im letzten Jahr verkaufte der Detailhandel knapp 23'000 Tonnen Fisch, nur etwa vier Prozent davon stammten aus Schweizer Seen und Zuchtanlagen. Die Nachfrage nach einheimischen Fischen wäre da, offenbar sind die Leute auch bereit, für regionale Qualität etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

Der Königszander der beiden Landwirte Thomas Muri und Reto Kaufmann kostet drei bis vier Mal mehr als eine Forelle aus einheimischer Zucht und doppelt so viel wie ein importierter Zander. In ihren beiden Kreislaufanlagen in Schötz und Kottwil produzieren sie in grossen Becken jährlich rund zwölf Tonnen Zander, den sie unter der eigenen geschützten Marke an spezialisierte Fischhändler verkaufen.

Sie starteten vor drei Jahren ins Zander-Abenteuer. Das Interesse in der Bevölkerung und in den Medien war am Anfang sehr gross. Zu gross offenbar, denn heute lassen sie nur noch ausgewählte Kundschaft in die Räume mit den Becken. «Wir wollen so auch verhindern, dass Krankheitskeime in die Anlage gelangen», erklärt Kaufmann. Denn sie verzichten bewusst auf die Behandlung der Fische mit Antibiotika. Solche Erkenntnisse gehören zum Lehrgeld, das Pioniere oft bezahlen müssen.Zudem darf man nicht vergessen: Es ist erst seit wenigen Jahren überhaupt möglich, Zander in Aquakulturen zu halten. «Das Know-how mussten wir uns grösstenteils selbst aneignen», sagt Muri.

Erste Bauern steigen wieder aus 

Mittlerweile sind einige Bauern in der Schweiz zu Fischzüchtern geworden, manchmal wohl in der Hoffnung auf schnelle Gewinne. Doch der Bauer aus Kottwil winkt ab: «Ohne Herzblut ist auch hier nichts zu machen». Die Zander benötigten 24 Stunden Aufmerksamkeit, eine kleine technische Störung könne reichen, um eine ganze Gruppe zu vernichten. Erste Landwirte sind denn auch schon wieder aus der Produktion ausgestiegen, weil sie den Aufwand unterschätzt hatten.  

Der geplanten Grossanlage in Erstfeld begegnen die beiden mit einer Grundskepsis. Obwohl auch sie interessiert wären an einheimischen Jungfischen vom Gotthardportal, zweifeln sie daran, dass der Markt in der Schweiz solche Mengen an hochpreisigem Zander aufnehmen kann. Sie befürchten vielmehr, dass die Preise dann ins Strudeln kommen könnten. Die Leidtragenden wären Kleinproduzenten wie sie.

David Eppenberger, lid