Seit 20 Jahren bewirtschaftet Bauer Meier (Name der Redaktion bekannt) die 15 Hektaren Land seines Nachbarn im Pachtverhältnis. Nun will der Nachbar seinen Betrieb mit dem Land verkaufen, aber nicht seinem Pächter. Bauer Meier pocht aber auf das Vorkaufsrecht und geht mit seinem Nachbarn vor Gericht. Die BauernZeitung wollte wissen, wie die Chancen für Meier aussehen und hat bei Agriexpert in Brugg AG nachgefragt.
Worum handelt es sich?
«Es kommt darauf an: Wenn es sich bei den 15 Hektaren um landwirtschaftliche Grundstücke handelt, hat Bauer Meier ein Vorkaufsrecht», sagt Michael Riboni, stv. Bereichsleiter Bewertung und Recht bei Agriexpert. Bilden die Grundstücke und die Gebäude unverändert ein Gewerbe, das nicht aufgeteilt werden darf, hingegen nicht. In der Regel handle es sich aber um Grundstücke. Für das Vorkaufsrecht als Pächter seien folgende drei Bedingungen (vgl. Art. 47 BGBB) ausschlaggebend:
- Der Pächter muss über ein landw. Gewerbe verfügen. Der Hof inkl. Pachtland bildet dazu die Berechnungsgrundlage.
- Das Pachtland (15 Hektaren) muss innerhalb des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereichs des Hofes liegen. Die Distanz wird kantonal unterschiedlich gehandhabt. In Futterbaugebieten oft im Bereich von 6 bis 8 km, in Ackerbaugebieten im Bereich bis zu 9, ausnahmsweise auch mal10 km Distanz.
- Das Pächtervorkaufsrecht geht grundsätzlich demjenigen von Verwandten nach, diese haben ein Vorrecht. Dies gilt auch, wenn die Verwandten des Käufers gar nicht Selbstbewirtschaftung ausüben (Erbrecht geht Pächtervorkaufsrecht vor).
Bauer Meier argumentiert, dass, wenn er die 15 ha Land verliere, er keine Existenz mehr auf seinem Betrieb hätte. Nun fragt er sich, ob er mit diesem Argument vor Gericht grosse Chancen hat?
Keine Chance
«Gar nicht. Denn auf das normale Pachtende hat ein Verkauf an einen Dritten keinen Einfluss», hält Michael Riboni fest. Es gelte der Grundsatz «Kauf bricht Pacht nicht» nach Art. 14 LPG. Im Falle einer Pachtkündigung könne der Pächter dann allenfalls eine Pachterstreckung geltend machen. Dies erfolge in der Regel bei der Schlichtungsstelle am Ort der Grundstücke. «Die Erstreckung beträgt drei bis sechs Jahre. Das heisst, der Pachtvertrag wird nach dem ordentlichen Pachtende um drei bis sechs Jahre gegen den Willen des Verkäufers erstreckt», sagt der Agrarexperte. Ob eine Pacht erstreckt werde, messe sich an der Zumutbarkeit für den Verpächter und nicht am Bedarf des Pächters (was nicht heisst, dass die Gerichtsinstanz die Notlage nicht doch auch mitgewichtet). Beispielsweise gebe es keine Pachterstreckung, wenn (Art. 27 LPG):
- Der Pächter mit dem Zins in Verzug ist.
- Der Pächter schwerwiegend gegen seine Pflichten verstossen hat.
- Der Verpächter, sein Ehegatte, ein naher Verwandter oder Verschwägerter das Land bewirtschaften will.
- Das Pachtobjekt in der Bauzone liegt.
«Das landwirtschaftliche Pachtgesetz funktioniert also umgekehrt als die landläufige Meinung ist: Die Pacht wird erstreckt, wenn es dem Verpächter zugemutet werden kann und nicht, weil es der Pächter aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt haben sollte», weiss Riboni.
Seinem Neffen verkaufen
Der Verpächter macht geltend, dass er seinen Betrieb nicht irgendeinem, sondern seinem Neffen verkaufen will – also in der Verwandtschaft. Nun stellt sich die Frage, ob Bauer Meier immer noch das Vorkaufsrecht hat? «Wie bereits erwähnt, lösen erbrechtlich motivierte Veräusserungen das Pachtvorkaufsrecht regelmässig nicht aus, da die persönliche Beziehung zum Erwerber im Vordergrund steht», sagt Michael Riboni.
Bei Veräusserungen, die inhaltlich eine vorgezogene erbrechtliche Regelung darstellen, habe der Pächter somit kein Vorkaufsrecht. Erfolgt die Veräusserung an einen gesetzlichen Erben, liege der Erbvorbezug regelmässig auf der Hand (typischerweise Kindeskauf). Ob der Verkauf an ein Geschwisterkind (Neffe) das Vorkaufsrecht auslöst, sei in der juristischen Literatur umstritten.
Nicht ausgelöst
«Ist der Neffe gleichzeitig gesetzlicher oder eingesetzter Erbe, wird das Vorkaufsrecht des Pächters nicht ausgelöst. Steht hingegen die Person des Geschwisterkindes nicht im Vordergrund, steht dem Pächter ein Vorkaufsrecht zu», sagt Riboni. Aber auch nur, wenn der Neffe nicht zur Ausübung des Verwandtenvorkaufsrechts nach Art. 42 BGBB berechtigt ist. Denn auch dieses gehe jenem des Pächters vor. Welche Voraussetzungen müssten denn geschaffen sein, damit der Verpächter seinen ganzen Betrieb seinem Neffen verkaufen könnte?
Kündigt das Pachtverhältnis
«Wenn er sicher sein will, dass dem Pächter Meier kein Vorkaufsrecht zusteht, dann kündigt er das Pachtverhältnis mit dem Pächter und verkauft den Betrieb erst an seinen Neffen, wenn die Pachtdauer (inklusive der Pachterstreckung) abgelaufen ist», empfiehlt der Jurist Michael Riboni.