Am Sonntagabendwissen wir, wie das Schweizer Stimmvolk zu den beiden Agrar-Initiativen steht. Was vor vier Jahren mit der Unterschriftensammlung begann, geht mit den letzten Abstimmungsaufrufen zu Ende. Plakate für und wider die Initiativen können abgehängt, Fahnen eingerollt und Aufkleber entfernt werden. Aber was bleibt?

Was bleibt von einem Abstimmungskampf, der derart aus dem Ruder lief, dass Gegner wie Befürworter zur Mässigung aufriefen? Was bleibt von den Abstimmungsplakaten und der ganzen Kampagne? Die kurze Antwort: ein Kater. Die lange Antwort: ein paar Erkenntnisse zum lückenhaften Diskurs über die Landwirtschaft, ein Absenkpfad für Pestizidrisiken und Nährstoffüberschüsse und eine Diskussion darüber, wie gesunde Ernährungsweisen und nachhaltige Produktionsformen gefördert und gleichzeitig agrarpolitische Fehlanreize reduziert werden können.

Ein ernsthafter Dialog muss her 

Die emotionale Debatte zu den Initiativen zeigt die grosse Betroffenheit und Identifikation mit den Themen Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt. Landwirtschaft interessiert und beschäftigt. Das ist eine riesige Chance für alle Landwirt(innen) und für alle Konsument(innen). Wir brauchen mehr denn je einen ehrlichen Dialog darüber, was Landwirtschaft ist, kann und sein soll. Ich meine damit den ernsthaften Dialog, nicht die Vermittlung politischer Propaganda. Die Landwirtschaft ist ein komplexes Geschäft, das draussen stattfindet und dessen Abwägungen erklärt werden müssen.

Im Verlauf der Debatte verschärfte sich zwar der Ton; die Zustimmung zu den Initiativen hat sich nicht erhöht. Im Gegenteil: 2018 wollten etwa 70 Prozent der damals Befragten beiden Initiativen zustimmen, jetzt sind es laut den Befragungen deutlich weniger als 50 Prozent. Ein Teil der Wählerschaft hat sich offensichtlich überzeugen lassen, dass die Probleme mit den Nährstoffüberschüssen und den Pestizideinträgen ohne die Initiativen, dafür mit der Parlamentarischen Initiative (PI) 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» besser gelöst werden können.

Nach der Abstimmung sind alle gefordert

Die Aufträge dieser PI sind klar: die Stickstoff- und Phosphorverluste sollen bis 2030 um 20 Prozent, die Risiken des Pestizideinsatzes bis 2027 um 50 Prozent reduziert werden. Die Vorschläge im Massnahmenpaket des Bundesrats für sauberes Wasser sind ambitioniert, insgesamt richtig und kommen keine Minute zu früh. Sie unterstützen die Land- und Ernährungswirtschaft, die gemachten Versprechen einzulösen. Für das Vertrauen in die Politik ist das so notwendig, wie schon lange nicht mehr.

Und das macht deutlich: am Abstimmungssonntag kommen zwar zwei agrarpolitische Mega-Projekte zu einem Abschluss. Die Arbeit wird aber bleiben. Das heisst: den Konsument(innen) muss es einfacher gemacht werden, nachhaltigere und gesündere Wahl treffen zu können. Label-Organisationen, Lebensmittelverarbeitung und -handel werden dabei eine aktive Rolle spielen. Ebenso ist die Politik gefordert – sie muss an den richtigen Stellen regulieren, aber nicht Eigeninitiative von Branchen und Marktpartnern schwächen. Denn die erfolgreichen Projekte zeigen schon heute: gemeinsam werden Probleme gelöst und Menschen für mehr Nachhaltigkeit, Gesundheit, Fairness und Tierwohl begeistert werden.