«Mädchen sind viel hartnäckiger», erklärt Lehrmeister Ferdinand Krauchthaler das Vorgehen der Frauen bei der Lehrstellensuche. Seit 1980 bildete er 19 Mädchen zur Landwirtin aus auf seinem Milchvieh-/Ackerbaubetrieb in Wynigen BE. Viele von ihnen machten sogar zwei Lehrjahre auf dem Betrieb. Das Verhältnis zu den ehemaligen Lehrlingen sei sehr gut.

«Viele unserer ehemaligen Auszubildenden sind regelmässig bei uns zu Besuch», ergänzt seine Frau Marianne. Eine Ehemalige habe sogar drei Pferde bei ihnen eingestellt und helfe seit Jahren auf dem Betrieb mit, um die Pension etwas günstiger zu erhalten. Dies sei für ihn eine Win-win-Situation, obwohl Pferde nicht seine Herzenangelegenheit seien, meint Philippe Savary, der Neffe der Krauchthalers.

Da ein direkter Nachkomme fehlte, hat Savary im Januar 2014 den Hof übernommen. Auch er ist überzeugt von Lehrtöchtern und meint lachend: «Ich bin dazu erzogen worden. Ich hatte sechs Schwestern und war der einzige Junge», erzählt Ferdinand Krauchthaler. Daher sei er an den Umgang gewöhnt gewesen, meint er lachend.

«Den Mädchen eine Chance geben»

1980 kam die erste Lehrtochter auf den Betrieb, damals sei es sehr schwierig gewesen, einen Lehrbetrieb zu finden, der Frauen nahm.«Wir wollten den Mädchen eine Chance geben», erklärt Krauchthaler. Zudem sei die erste Lehrtochter damals sehr hartnäckig gewesen und habe immer wieder nachgehakt, ob die Lehrstelle noch zu haben sei. Neben den 19 Mädchen bildete Krauchthaler auch 13 Jungen auf seinem Betrieb aus. «Ich will nicht sagen, dass Mädchen besser sind, aber im Umgang mit den Kühen haben sie deutliche Vorteile», so Krauchthaler. Die Empathie zu den Tieren sei meist einfach grösser bei den Mädchen, ergänzt Philippe Savary.

Vielseitiger Beruf mit Kontakt zu Tieren

Doch was bewegte die Mädchen, Landwirtin zu lernen? «Landwirt ist ein vielseitiger Beruf. Man ist viel in der Natur und bei den Tieren im Stall», begründet Melanie Gerber ihre Berufswahl. Sie absolviert im Moment das erste Lehrjahr bei den Krauchthalers. Auch sie will das zweite Lehrjahr auf diesem Betrieb verbringen. Ihre Eltern bewirtschaften einen 17-Hek­taren-Betrieb mit Milchvieh. Sie möchte später den Betrieb zu Hause übernehmen. Die Lehre sei so, wie sie sich das vorgestellt habe, so Gerber.

Er habe auf seinem Betrieb aber nicht nur Mädchen ausgebildet, die auf einem Betrieb aufgewachsen seien, erklärt Krauchthaler. «Zwei kamen aus der Stadt», erklärt seine Frau. Eine der beiden Frauen habe immer auf Bauernhöfen Ferien gemacht, erzählt sie weiter. Diese habe nach der Lehre Agronomie studiert. Viele Mädchen würden über die Pferde mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen, ist sich Ferdinand Krauchthaler sicher. Und die ehemaligen Lehrtöchtern brachten ihm nun die Pferde auch wieder zurück auf den Hof. «Ich wollte eigentlich keine Pferde mehr, ich habe im Militär genügend Pferde gesehen», erklärt er schmunzelnd.

Keine Eifersucht auf die Lehrtöchter

Familiäre Probleme habe es wegen der Lehrtöchter nie gegeben, erklären die Krauchthalers. «Wir hatten einmal eine, die ein Jahr jünger war als meine Frau und ihr auch glich», erklärt Ferdinand Krauchthaler. Das habe auswärts Verwechslungen gegeben, meint er lachend. Auch Savary meint, dass es für seine Freundin kein Problem sei. Im Moment teilen sich Savary und Krauchthaler die Arbeit, wenn es um die Ausbildung der Lehrlinge geht. «Ich versuche ihnen an den Maschinen und draussen auf dem Feld oder im Stall das Praktische beizubringen. Philippe lernt mit ihnen für die Schule.»

Der gelernte Landwirt und Agronom FH arbeitet zudem auswärts bei der Futtermühle Kunz Kunath als Bereichsleiter Rindvieh. Das neue Lehrsystem bereite aber vielen Lehrlingen Probleme. «Meiner Ansicht nach ist die Schule heute zu streng», so Krauchthaler. Die Lehrlinge sind noch sehr jung und mitten in der Entwicklung.

Viele, die in die Attestausbildung abgestuft würden, könnten seiner Ansicht nach die Lehre machen. Ihnen gehe es einfach zu schnell, und man lasse ihnen keine Zeit. «Nach einer Abstufung fühlen sich die meisten minderwertig, auch wenn das nicht zutrifft», so Krauchthaler. «Wir lernen daher viel mit den Lehrlingen, manchmal braucht es Druck, und man muss sie teilweise auch zu ihrem Glück zwingen.»

Tamara Wülser