Ein weiteres Mal befassten sich am Montagabend Exponenten des Schweizer Lebensmittelsektors mit dem Thema Swissness. "Marke Schweiz - Wirkung, Bedeutung und Verantwortung" lautete der etwas beliebige Titel der Veranstaltung unter der Ägide von Svial und Fial, dem Verband der ETH-Agronomomen und der Nahrungsmittelindustrie in Zürich.
Wenig Überraschendes zu Beginn
Fial-Präsidentin und FDP-Nationalrätin Isabelle Moret bewegte sich mit ihrer Standortbestimmung naturgemäss nahe am politischen Geschehen. Wie immer stehen operative Probleme im Vordergrund, wenn Politiker ans Pult treten. Sie erklärte, dass der Fial sämtliche Initiativen aus dem Landwirtschafts- und Ernährungsbereich ablehne und forderte im Einklang mit der Milchbranche, dass für die Nachfolgeregelung Schoggigesetz wie bisher 94 Mio Fr. zur Verfügung stehen müssten.
Wenig Überraschendes bot auch das Referat von Thomas Harder von der Swiss Brand Experts. Er ermutigte die Branche, selbstbewusster aufzutreten. Die Schweiz sei eine Top-Marke. Weniger wegen des Schweizer Kreuzes sondern aufgrund von 15 strategischen Erfolgspfeilern, von Präzision bis heile Welt. Letztlich konnte er aber wenig neue Erkenntnisse liefern, da Harder als Breitband-Markenspezialist mit den Details des Lebensmittelmarkts offenbar nicht sehr gut vertraut ist.
Auf dem Weg zum Food System 4.0
Interessanter war deshalb das Referat von Erich Windhab, ETH-Professor für Lebensmitteltechnologie. Er erwies sich in seinem Referat als profunder Kenner des globalen und nationalen Food-Sektors und hielt sich mit Anregungen und Kritik nicht zurück.
Zunächst zog er Bilanz bezüglich den weltweiten Problemen: Verteilung (900 Millionen Hungrigen stehen 1,5 Milliarden Übergewichtige gegenüber), Verfütterung der zusätzlichen Getreideproduktion an Tiere und mangelnde Nachhaltigkeit, inklusive Foodwaste.
Gleichzeitig verwandle sich der Lebensmittelsektor, weil sich die Konsumenten heute nicht mehr einfach mit Lebensmitteln abspeisen lasse, sondern hochspezifisch auf die eigenen (Gesundheits-)Bedürfnisse angepasste "Foods" wollten, zunehmend auch mit dem Anspruch zu wissen, wie nachhaltig das entsprechende Produkt hergestellt sei.
"Wir sind auf dem Weg zum Food System 4.0", erklärte der Professor. Um diese Weiterentwicklung und die Herausforderungen zu meistern, müsse sich die Branche vermehrt als Gesamtsystem betrachten und nicht nur die "Nachbarn" auf dieser Kette. Das wäre auch den Bauern zu wünschen, die vom Sektor zu oft als die Letzten behandelt werden, welche die Hunde beissen.
Ohne Schulterschluss keine "radikale Innovation"
Die Schweiz, so fuhr Windhab fort, wäre mit ihrer Top-Ausbildung, der starken Forschung und Industrie sowie idealen Unterstützungssystemen für Start-ups und hoher Kaufkraft ideal geeignet, um bei dieser Weiterentwicklung des Food-Systems führend, bei der "radikalen Innovation" Weltspitze zu sein. Bis anhin habe man diese Chance aber verpasst, so Windhab.
Es fehle an Vernetzung und einer nationalen Forschungsstrategie. Selbstkritik war ihm dabei nicht fremd: Nicht einmal die beiden ETH in Lausanne und Zürich seien im Stand, hier gewinnbringend zu kooperieren, es dominiere in Produktion, Industrie und Forschung die Konkurrenz: "Wir lassen zu viel Potenzial brachliegen", so das Fazit Windhabs.
akr