Was haben eine Architektin, eine Coiffeuse und eine Landwirtin gemeinsam? Sie alle bekommen heute in Muri AG den eidgenössischen Fachausweis nach bestandener Berufsprüfung Bäuerin. 116 Frauen sind es an der diesjährigen Feier des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (SBLV). 

Somit hat sich die Zahl der Abschlüsse in der Zeit von 2006 bis 2016 ungefähr verdoppelt. Die Kandidatinnen kommen aus unterschiedlichsten Erstberufen. Bei den diesjährigen Absolventinnen dominieren KV-Abschluss und Detailhandelsausbildung. Für die Projektarbeiten sind Gartenthemen, Produkteverarbeitung und die Direktvermarktung beliebte Themen. «Immer öfter werden jetzt auch Themen wie Auf- oder Ausbau eines Betriebszweiges bearbeitet», meint Jeanette Zürcher-Egloff ,Verantwortliche Bildung beim SBLV.

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Amina Lamprecht-Oulouda, Wil ZH

Wenn es die Zeit erlaubt, geniesst Amina Lamprecht den Balkon am schönen Rieghaus in Wil ZH. Die Bäuerin ist aber in Haus und Hof gefordert. Die beiden Buben Leo (4 Jahre) und Ben (3) wissen sie zu beschäftigen. Daneben hilft sie, wenn nötig, ihrem Mann Christoph auf dem Betrieb. 

«Ich habe von 2014 bis 2016 berufsbegleitend die Fachausbildung Bäuerin am Strickhof, Winterthur Wülflingen ZH, gemacht. Wir waren so tolle Kolleginnen und haben uns gegenseitig motiviert den Fachausweis Bäuerin zu machen. Sechs von uns haben sich an die Arbeit gemacht und bestanden», stellt Amina Lamprecht fest. 

Ihre Projektarbeit hat sie zum Thema «Wein auf drei Rädern – Ausbau der Direktvermarktung» realisiert. Die gelernte Gastronomiefachfrau verbrachte ihre erste Lehrzeit im Hotel Dolder, Zürich. Nach der Hotelfachschule Luzern lernte sie die Welt von Davos bis Abu Dhabi, sowie das Kreuzfahrtschiff-Leben kennen. Dabei hat sie den Schweizer Wein schätzen gelernt. Der gepachtete Landwirtschaftsbetrieb der Familie Lamprecht ist in Eglisau und Wil ZH. Wein- und Obstbau stehen im Vordergrund. Es gibt aber auch Mutterkühe sowie Ackerbau mit Zuckerrüben und Emmer, aus welchem feines Mehl gewonnen wird. Auf 3 ha Rebfläche gedeihen vor allem Riesling-Sylvaner und Blauburgunder.

«Es gibt viel Wein hier in der Region und die Vermarktung ist darum ein wichtiger Bestandteil. Es war für mich spannend, zu sehen, was es im Marketingkonzept alles braucht. Die Frage dabei war auch, welche Leute wo anzusprechen. Mit dem Ape, dem Apéro-Mobil, ist es nun möglich, fast jeden Anlass zu besuchen (www.ape-rovino.ch). Die gewünschten Köstlichkeiten, sowie der erlesene Wein können damit bestückt werden und vor Ort beginnt das Fest schon nach der Ankunft», erkennt die aktive Bäuerin. Ihre Gastronomieerfahrung kann sie gut nutzen, sie kennt die Seite der Produzenten und der Konsumenten. 

Obwohl Amina Lamprecht gerne Traktor fährt, ist ihr Alltag mit anderem ausgefüllt. Nebst Familie und Betrieb gehören rund vierzig Prozent ihrer Arbeitszeit dem Restaurant Giesserei Oerlikon in Zürich. Dort bildete sie sich zur Personalfachfrau aus und arbeitete auch 2010 da, als ein Landwirt ihr Herz eroberte. 

In naher Zukunft will Amina Lamprecht mit ihrem Ehemann den Betrieb so gut weiterführen, wie ihre Schwiegereltern das machen. «So im Alter von fünfzig oder sechzig könnte ich mir gut vorstellen in Argentinien eine Finca zu haben, Gäste zu betreuen und Wein anzubauen», gibt Amina Lamprecht als ihre fernen Träume preis.

Eveline Mürner-Teuscher, Reichenbach BE

Langweilig ist es Evelyne Mürner-Teuscher nie. Die aktive Bäuerin und ihr Mann Peter glauben an die Zukunft, sind offen für Neues und probieren jeden Tag das Beste zu machen. Die drei Buben Daniel (9 Jahre), Dominik (6) und Tobias (4 Monate) bringen viel Lebensfreude ins Haus.

«Als ich von 2014 bis 16 die Module am Inforama Berner Oberland, Hondrich, besucht habe, war es mein Ziel den Fachausweis Bäuerin zu machen. Vor allem, um meine Ausbildung zu vervollständigen, aber ebenso zur Absicherung. Mit jedem absolvierten Modul wurde die Motivation und Freude grösser den Abschluss zu machen» stellt Evelyne Mürner fest. Das Thema der Projektarbeit war «Meine laktosefreien Bauernhofmilchprodukte». Darin wurden die Module Ernährung / Verpflegung, Milchverarbeitung und Produkteverwertung umgesetzt. 

Evelyne Mürner ist persönlich mit der Problematik der Laktoseintoleranz konfrontiert; so kam die Idee, diese Thematik zu vertiefen. «Es war eine sehr spannende Zeit zu Beginn, bis es mit den selber hergestellten Produkten klappte. Im «Drogistenstern» las ich, wie Lanz Milch ihre laktosefreie Milch herstellt. Bei einem Besuch in der Firma bekam ich viele wertvolle Inputs. So wagte ich mich an den Versuch, bestellte das Enzym und ging an die Arbeit. Als von der Probe durch das «Inter Labor» die positive Bestätigung kam, war die Freude riesig», hält Eveline Mürner rückblickend fest. Von ihren selber gemachten Joghurt, Quark und Crèmen weiss sie nun genau, woher die Milch kommt. Sie weiss, wie die Tiere gehalten werden, was sie fressen, und ebenfalls wie die Hygiene ihrer Produkte ist. Seit 2009 führen die Bäuerin und ihr Mann den 30 Hektar grossen Betrieb mit den Schwiegereltern in Generationengemeinschaft. Dank der Ausbildung mit grossem Praxisbezug bewältigt Eveline Mürner den Haushalt und Garten mit viel Freude und Elan. Sie ist ausgelastet mit Haus, Kinderbetreuung und vielem mehr. 

Die gelernte Bauschreinerin mit Avor-Weiterbeildung kann aber zudem mit 20% flexibel bei Wenger Fenster, Wimmis BE, tätig sein. So bleibt sie in ihrem ersten Beruf aktuell am Puls, erlebt dabei Hof und Kinder aus einem anderen Blickwinkel.
Evelyne Mürner ist dem Berner Oberland treu geblieben, hat aber auf der Hochzeitsreise nach Neuseeland auch ferne Luft geschnuppert und erkannt, wie schön die Heimat mit den Bergen ist. 

«Ich habe in meinem Alter schon viel erreicht, drei gesunde Buben, ein Haus gebaut und tolle Berufe. Mein Wunsch ist, dass wir alle gesund bleiben und es uns gut geht», sagt die Bäuerin dankbar.

Michèle Hunziker, Fislisbach AG

Eine gute Grundbildung in der Landwirtschaft ist Michèle Hunziker wichtig. Die junge Bäuerin kennt das Leben auf dem Bauernhof seit ihrer Geburt und ist im Landleben tief verwurzelt. Seit sieben Jahren hat mit Daniel Peterhans auch ein Meisterlandwirt einen wichtigen Platz in ihrem Herzen.

«Ich habe von September 2012 bis März 2013 den Vollzeitkurs an der Bäuerlich- hauswirtschaftlichen Fachschule am Wallierhof, Riedholz SO, besucht. Dabei habe ich vieles fürs Leben gelernt. Oft gab es sogar unabsichtliches Lernen, zum Beispiel im Zusammenleben mit verschiedenen Frauen im Internat. Aber es war eine unbeschwerte, glückliche Zeit», blickt Michèle Hunziker zurück. Das Theoretische vom Wallierhof festigte sie gleich danach in einem landwirtschaftlich-hauswirtschaftlichen Praktikum bei Familie Amsler auf dem Söhrenhof in Bözen AG. Der vielseitige Betrieb mit Ackerbau, Obst- und Weinbau sowie Tierhaltung bot eine reiche Auswahl. 

«Es gab mit Reben, vielen Früchten (wie Kirschen, Nektarinen, Pfirsichen, Äpfeln und Birnen), Grünspargel, Pouletmast, dem Hofladen sowie Gästebewirtung und Hoffesten viel Abwechslung bei der Arbeit. Weil diese so vielfältig war, habe ich sicher jeden Tag etwas Neues gelernt», erkennt die Bäuerin mit strahlenden Augen. Drei Praktikumsjahre für den Fachausweis Bäuerin absolvierte Michèle Hunziker anschliessend auf dem Betrieb vom Vater ihres Freundes Daniel Peterhans in Fislisbach. Ihr «Reich» waren vor allem Haushalt und Garten. Wenn nötig half sie aber bei Arbeiten in Stall und Feld. «Es war für mich eine gute Erfahrung. Ich konnte selbständig arbeiten und habe dies sehr geschätzt», meint Michèle Hunziker. 

«Verpflegung der Familie durch eigene Produkte» war der Titel ihrer Projektarbeit. Die Module Produkteverwertung, Ernährung / Verpflegung und Haushaltführung waren darin umgesetzt. «Mit dem Besitz des Fachausweises stehen mir viele Möglichkeiten offen. Beispielsweise kann ich sogar Starthilfe beantragen», stellt die aktive Bäuerin fest. 

Seit Oktober 2016 arbeitet Michèle Hunziker wieder auf ihrem erlernten Beruf als Metzgerin in der Pouletverarbeitung. Wenn ihr Freund Daniel in fernerer Zukunft den väterlichen Hof übernehmen möchte, wäre es für die gut ausgebildete Bäuerin eine Option, ihn
zu unterstützen. Vorerst stehen aber die Weiterbildung und Arbeit im Vordergrund. Dazu ist es der Bäuerin sehr wichtig, die gemeinsamen Freundschaften zu pflegen sowie «Freiheiten» zu geniessen.

Barbara Heiniger