Vergangene Woche hat die Migros über ihr Jahresergebnis 2016 informiert. Dieses hat mit einem passablen, wenn auch nicht bankenähnlichen Gewinn abgeschlossen. Wir nahmen die Gelegenheit wahr, dem dem Leiter des Departments Marketing beim Migros-Genossenschaftsbund, Hansueli Siber ein paar Fragen zu stellen bezüglich der Landwirtschaftsnähe von Migros und von Siber selber. Der Metzgerssohn und Fleischfachmann bezeichnet seine Beziehung zur Landwirtschaft als «systemimmanent».
BauernZeitung: Herr Siber, Sie wollen wie soeben an der Bilanzmedienkonferenz erläutert mehr Nachhaltigkeit und «Mehr fürs Geld», also billigere Preise für Ihre Kunden, ist das nicht ein Widerspruch?
Hansueli Siber: Nein, ganz und gar nicht. Ich würde eher sagen, das ist Migros-typisch. Wir zeigen, dass eine gute Koexistenz Nachhaltigkeit und günstigen Preisen möglich ist. Das Label TerraSuisse, mit dem wir über 700 Millionen Umsatz erzielen, hat nichts Elitäres an sich. Es bietet eine attraktive Alternative zwischen Bio und konventionell. TerraSuisse ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir nicht nur Mehrwerte fordern, sondern die Produzenten auch unterstützen, sich weiterzuentwickeln. Auch wenn das nicht immer sehr harmonisch abläuft.
Aber der Umsatz mit TerraSuisse ist im vergangenen Jahr gesunken…
Ja, aber lediglich um 6 auf 708 Millionen Franken. Das sind ein paar Cervelataktionen mehr oder weniger, keine Trendwende. Zudem waren wir gezwungen, einige TerraSuisse-Artikel in konventionelle Artikel zu überführen, da aufgrund der schlechten Getreideernten 2015/2016 nicht genügend IP-Suisse-Mehl zur Verfügung stand. Wir hoffen, dass dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird.
Die Konsumenten verlangen immer öfter Regionalprodukte. Ist das eine Konkurrenz für die Nachhaltigkeitslabel?
Nein, das Herkunftslabel Aus der Region –Für die Region (AdR) und die Nachhaltigkeitslabel ergänzen sich. Wir führen auch AdR-Produkte, die zusätzlich das Migros Bio- oder das TerraSuisse-Label tragen, zum Beispiel die Wiesenmilch. Die Label konkurrenzieren sich nicht, sondern helfen uns, die unterschiedlichsten Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden zu bedienen.
Die Grossverteiler profitieren hier von der Agrarpolitik, indem der Bund Programme finanziert, welche dann im MigrosMagazin und anderen Kanälen vermarktet werden.
Das sehen wir nicht so. Es gab vor gut 20 Jahren einen Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik, und diesen tragen wir mit: Die Preise sind gesunken, und die Direktzahlungen sind gestiegen. Das sind die Rahmenbedingungen. Wir bezahlen den Bauern Prämien für Mehrwerte z.B. im Bereich der Nachhaltigkeit. Die Bauern erhalten zudem Geld für Leistungen, die der Markt nie über die Produktpreise honorieren würde.
Der Molkereimilchpreis, um nur ein Beispiel zu nennen, liegt rund 20 Rappen tiefer als vor 20 Jahren und ist für die Bauern auf ruinösem Niveau. Der Anteil am Konsumentenfranken sinkt auch bei anderen Produkten ohne Unterlass. Derweil steigen die Margen der Grossverteiler oder werden allermindestens den üblichen Parametern wie Teuerung angepasst. Befürchten Sie nicht, dass die Bauern, auf die Sie auch im Marketing ungeniert setzen, eines Tages fehlen werden?
Nein, das können wir uns nicht vorstellen. Gerade die Milch ist ein gutes Beispiel: Wir engagieren uns in der Branchenorganisation Milch, und unsere Verarbeiterin ELSA bezahlt den Richtpreis für A-Milch von 65 Rp./kg (franko Rampe). Deshalb haben wir viele Anfragen von Produzenten, die gerne an uns liefern möchten.
Für Sie ist ja auch der faire Handel ein grosses Thema, zum Beispiel wie soeben an der BMK erwähnt mit Bananen. Würden Sie sagen, dass der Handel mit den Schweizer Bauern auch fair ist?
Ja. Die Migros will auch weiterhin eine verlässliche Partnerin der Schweizer Landwirtschaft sein. Die Preise richten sich nach dem Markt. Allfällige Prämien für zusätzliche Leistungen wie im Bereich der Nachhaltigkeit werden mit den Partnern verhandelt (z.B. Brotgetreide: langjähriger Vertrag mit IP-Suisse, Bio Weide-Beef etc.). Viele Milchproduzenten leiden unter der schwierigen Marktsituation, aber es gibt andere Bereiche, die wirtschaftlich weniger unter Druck sind.
Sind die Lebensmittel zu billig oder zu teuer?
Es ist nicht unser primäres Ziel, einfach tiefere Preise zu haben. Wir möchten unseren Kundinnen und Kunden Mehrwerte bieten, für die sie auch bereits sind, höhere Preise zu bezahlen. Gewisse Kreise finden, die Lebensmittel seien zu billig. Der Anteil der Lebensmittel am Haushaltbudget beträgt ja durchschnittlich nurmehr rund 7 Prozent, in Nachbarländern liegt dieser bis doppelt so hoch. Die Frage ist mehr, wofür die Leute das Geld ausgeben, das sie nicht mehr für Lebensmittel einsetzen oder anders gefragt, wo sie sparen müssten, wenn dieser Anteil wieder ansteigen würde.
Was ist Ihre persönliche Beziehung zur Landwirtschaft?
Die ist systemimmanent. Ich bin in einer Metzgerei in Bassersdorf aufgewachsen, habe selber Fleischfachmann gelernt und lange in der Fenaco gearbeitet (bei der Ernst Sutter AG, Red.). Ich kann mit den Bauern auf Augenhöhe diskutieren und ich schätze die Schweizer Landwirtschaft und ihre Leistungen sehr. Für die Migros ist die Schweizer Landwirtschaft sehr wichtig – und umgekehrt.
Wie oft tun Sie das?
Regelmässig, nicht nur dann, wenn mir IP-Suisse-Vertreter sagen, ich sei schon zu lange nicht mehr an einer ihrer Veranstaltungen aufgetreten oder ich sei schon lange nicht mehr auf einem ihrer Bauernhöfe gewesen.
Interview: akr