Die Situation ist ernst. Im Molkereimilchmarkt ist man soweit, dass die Bauern Milchpreise von weniger als 50 Rappen ausbezahlt erhalten. Selbst die Verarbeiter stehen mit dem Rücken zur Wand – in den Massengütermärkten schreiben sie eine schwarze Null – wenn auch im Gegensatz zu den Bauern Abschreibungen noch möglich sind. Heute nun haben sich die Branchenvertreter auf dem Gipfel des Berner Hausberges Gurten zu einem Milchgipfel getroffen. Die Pressekonferenz fand am frühen Nachmittag gleich beim Bahnhof Bern statt. SBV-Präsident Markus Ritter und sein Direktor Jacques Bourgeois waren mit den Resultaten ebenso zufrieden wie Hanspeter Kern, SMP-Präsident und Markus Zemp, Präsident der BOM. Zwar gibt es noch diverse Differenzen, aber alle wollen, dass die Schweiz ein Milchland bleibt.
Das Resultat ist ein Manifest
Wie bereits vorgängig bekannt geworden war, wollten BOM, SMP und SBV am Ende des Milchgipfels ein Manifest vorstellen, damit das Milchland Schweiz gestärkt werden kann. Dieses Ziel haben die drei Organisationen erreicht. Und das ist ganz im Sinne von SBV-Präsident Markus Ritter. „Wenn wir nichts tun, dann wird die Milchproduktion marginalisiert“, sagte er an der Pressekonferenz am Nachmittag in Bern. Mit dem Manifest nun haben sich die Marktakteure auf drei Bekenntnisse festgelegt:
- „Die Schweizer Milchproduktion und –verarbeitung sind im internationalen Umfeld standortgerecht und nachhaltig. Die Milchproduktion muss erhalten bleiben!“
- „Alle Akteure der Branche sind ebenfalls am Markt gefordert und es bedarf der Umsetzung von gemeinsam beschlossenen Massnahmen.“
- „Um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen, braucht es in der aktuellen Krise auch politische Unterstützung.“
Produzentenverbände und BO-Milch rufen damit sowohl die Marktakteure als auch den Bund dazu auf, für die Zukunft der Schweizer Milchproduktion zu sorgen. Wie geplant war, gibt es eine lange Forderungsliste mit kurz- mittel- und langfristigen Massnahmen, die nun ergriffen werden müssten.
Skepsis bleibt
Dennoch sind einige Produzenten und Politiker skeptisch, ob damit die Situation tatsächlich besser wird. Nach Ansicht von Martin Haab (Big-M) und Walter Willener sowie der Nationalräte Marcel Dettling (SVP/SZ) und Pierre-André Page (SVP/FR) sei der Diskussion der Produzentenanliegen kaum Platz eingeräumt worden. "Statt den Ursachen der desolaten Situation der Milchbauern zu begegnen, setzt man weiterhin auf Symptombekämpfung", schreibt das Quartett nach der Veranstaltung in einer Medienmitteilung. Sie fordern 75 Rappen für Molkereimilch, die im Inland abgesetzt wird - das sind zehn Rappen mehr als der aktuelle A-Milchrichtpreis. Heinz Siegenthaler vom Bäuerlichen Zentrum Schweiz indes hat sich nach der Veranstaltung darüber gefreut, dass man wenigstens gemeinsam über das Problem der tiefen Molkereimilchpreise gesprochen hat. Auch Markus Ritter sprach an der Medienkonferenz von einem "Wandel in den Köpfen der Teilnehmer." Das Ziel, alle Branchenakteure für die Situation der Milchbauern sensibilisieren zu können, habe man deshalb erreichen können.
Lange Forderungsliste
Im Manifest hat sich die Branche auf verschiedene Forderungen geeinigt:
- Einhalten der Segmentierung: Die Marktakteure werden aufgerufen, die Milchmarktsegmentierung konsequent umzusetzen. Ausserdem sollen alle Marktakteure die Freiwilligkeit von C-Milch sowie die Richtpreise der Branchenorganisation Milch einhalten.
- Mitarbeit an Zukunftsstrategie: SMP und SBV wollen gemeinsam mit der BOM die Branchenakteure in die Pflicht nehmen, dass alle gemeinsam die Mehrwertstrategie für Schweizer Milch aktiv fördern. Dazu erwartet man auch, dass die Wertschöpfung ausgewogen verteilt wird – damit die Schweizer Produzenten eine wirtschaftliche Perspektive haben und die Marktanteile der gesamten Branche gehalten werden können. Das ist auch im Sinne der Verarbeiter. Denn wie heute im Gespräch mit einem CEO eines Verarbeitungsunternehmen schnell klar wurde, hat man schon heute kein Interesse daran, in Commodity-Märkten tätig zu sein.
- Die Politik soll kurzfristig die Beiträge erhöhen: Konkret fordern SBV, SMP und BOM, dass die RAUS-Beiträge erhöht und das GMF-Programm zu einem Raufutterprogramm umgebaut wird. Damit könnte die inländische Futtermaisproduktion besser berücksichtigt werden. Dominique Kohli, Vizedirektor des Bundesamt für Landwirtschaft erklärte dann auch, dass man bereits in Abklärung sei, wie die entsprechenden Programme umgewandelt werden könnten. Für Markus Ritter ist das ein Erfolg, obwohl damit die Bauern noch stärker von den Bundesgeldern abhängig werden. Aus Sicht von Ritter geht es aber vor allem darum, das Einkommen der Bauern zu stützen. Man erwarte in den nächsten Jahren sehr schwierige Marktbedingungen. Eine Stützung des Einkommens durch Direktzahlungen ist nach Ansicht von Ritter deshalb sehr wichtig und richtig.
- Zusätzlich sollen Gelder für die Absatzförderung erhöht werden. Im In- und Ausland habe man Mühe, die Milch und den Käse an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Der Bund soll deshalb das Budget für die Absatzförderung erhöhen. Auch hier sicherte Dominique Kohli Abklärungsbereitschaft zu.
Daneben wird sich die Branche in den nächsten Jahren noch mit anderen Grossbaustellen befassen. Unter anderen die Nachfolgelösung des Schoggigesetz und die Frage, wie die Schweiz mit dem Agrargrenzschutz umgehen soll. Dazu haben zwar Markus Ritter und Hanspeter Kern die gleiche Haltung: Der Grenzschutz soll mindestens erhalten bleiben. Für Markus Zemp ist es indes noch offen, ob und wie das möglich sein wird.
hja