Fährt man von Glarus über die Linth, kommt man in den Dorfteil Ennetbühls, welcher früher, vor der grossen Gemeindefusion, zu Ennenda gehörte. Die Strassen sind eng und steil. Oberhalb der dicht gedrängten kleinen Häuser geht es schroff aufwärts. Fronalpstock und Schilt stehen den Glarnern im Winter vor der Morgensonne, auf der anderen Seite des engen Tals steht der imposante Glärnisch vor der Abendsonne. Die wärmende Sonne ist in den Monaten um den Jahreswechsel ein seltener Gast.

Ruth Horner kümmert das wenig. Sie ist in Glarus gross geworden und möchte unter keinen Umständen aus dem kleinen Haus mitten in Ennenda wegziehen: «Ich brauche alle meine Nachbarn um mich herum! Wir haben es gut hier. Wir kennen einander und vertrauen uns.»

Auf der 
anderen Seite des Dorfs

Der Stall, der Gaden, wie man hier sagt, hat am steilen Abhang keinen Platz, er liegt am westlichen Dorfrand von Glarus, am Fuss des Glärnisch. Dort konnten Horners vor etwa zehn Jahren den Elternbetrieb übernehmen und den Stall für ihre 40 behornten Milchkühe umbauen. In Nebengebäuden ist das Jungvieh untergebracht und die Schweine. D chwii füttern und den Stall misten, das ist Ruths allmorgendliche Arbeit. Das Melken und Füttern der Kühe besorgt Ruths Mann, Albert, unterstützt wird er vom Sohn.

Mit einem stolzen Schmunzeln verrät die vierfache Mutter, dass sie und ihr Mann vor 30 Jahren mit einem Chälbli, einem Kessel und einem Melkstuhl als Bauern angefangen hätten. Kontinuierlich seien mehr Tiere, mehr Land und Gebäude dazugekommen.

Seit Anfang der Neunzigerjahre führen die beiden auch einen Sömmerungspachtbetrieb auf der Alp Altenoren, südlich des Urnerbodens. Man spürt, das Leben und das Käsen auf der Alp, das ist für Ruth Leidenschaft, Begeisterung und das Normalste auf der Welt. In den vier Monaten wird siebenmal gezügelt, die Familie, unterstützt vom jüngsten Sohn, zieht mit ihren Tieren dem jungen Gras nach, von einer Stäfel zur anderen – hinauf und hinunter. Strom habe es keinen, darum nutzen sie zum Melken ein Notstromaggregat, zum Käsen einen Gasbrenner. «Wir sind ja nicht ab der Welt! Die Alp ist mit dem Auto von hier unten in einer knappen Stunde erreichbar, meine Wäsche mache ich darum hier.»

Pro Alpsommer wird die gesamte Milch der Kühe verkäst, das gibt stolze drei bis vier Tonnen, darunter verschiedene Spezialitäten mit verschiedenen Gewürzen und Kräutern. Den Hauptanteil machen aber Alpkäse und Raclettekäse aus. «Das Käsen fasziniert mich, darum probiere ich auch immer wieder Neues aus. Unsere Kunden schätzen das, den Grossteil der Spezialitäten geht an Private. Der Alpkäse wird über die regionale Verteilorganisation Glarona vermarktet.»

Ausbildnerin im 
Gesundheitswesen

Käsen ist nicht die einzige Leidenschaft der aufgestellten Glarnerin. Ruth hat in Glarus die Ausbildung zur Pflegefachfrau gemacht. Sie hat Teilzeit, auch früher als Mutter von kleinen Kindern, in Pflegeheimen und in der Spitex gearbeitet. Eine Zeitlang war sie Präsidentin der Glarner Bäuerinnen und Landfrauen und hat daneben verschiedene Weiterbildungen gemacht, motiviert und unterstützt vom Alters- und Pflegezentrum in Ennenda, ihrem langjährigen Arbeitgeber.

Seit vier Jahren ist sie dort Ausbildungsverantwortliche. «Wir haben heute bei etwas über 50 Bewohnenden neun Lernende auf verschiedenen Bildungsstufen, Grundausbildung und Höhere Fachausbildung (HF). Diese Aufgabe gefällt mir sehr gut. Neben der Lernbegleitung nehme ich Qualifikationen ab und betreue Pflegefachlernende an der Pflegeschule in Glarus.» Spannend sei der Austausch mit den HF-lern, diese kommen mit vielen Impulsen und Ideen aus der praktischen Arbeit in verschiedenen Betrieben.

Offen und flexibel


Mit viel Herzblut ist Ruth dreifache Grossmutter. Wenn die Töchter arbeiten, sind der dreijährige Roman, seine kleine Schwester Nadine und oft auch ihre Cousine Alina bei der Grossmutter. Im Sommer helfen beide Töchter beim Käsen auf der Alp – ausser sie arbeiten unten im Tal in ihren Teilzeitjobs als Köchin und Floristin: «Eigentlich ist es so, dass jene, die oben ist, auch zu den Kindern schaut. Selber arbeite ich in der Regel am Montag bis Mittwoch im Pflegezen­trum – dann steht meine Bürotüre offen für die Anliegen meiner Lernenden.» Später meint sie – auf Pläne für die kommenden Jahre angesprochen: «Etwas für mich persönlich, mehr als die zwei freigeschaufelten Abende pro Woche - aber keine neue Aus- oder Weiterbildung – ich bin offen für Neues.»

Margreth Rinderknecht