Drei Monate seines Zivildienstes leistete Jakob Hochuli auf dem Bauernhof von Andreas Cadonau in Waltensburg GR. Dort lernte der sympathische junge Mann innert kurzer Zeit Rätoromanisch. «Smaledidas mustgas tschoccas», sagt er lachend und erklärt, dies seien die ersten Worte, die er gelernt habe. «Smaledidas mustgas tschoccas» heisst so viel wie: «Verdammte Brämen». Schmunzelnd fügt er an: «Wenn man bauern will, sollte man schon ein wenig fluchen können.»


Während der Sommermonate bei der Familie Cadonau hat der 18-Jährige natürlich nicht nur fluchen gelernt, sondern auch einen beachtlichen Wortschatz, mit dem es ihm gelingt, ein einfaches Gespräch zu führen. Bemerkenswert, wenn man weiss, dass der Appenzeller im Juni noch kein Wort Rätoromanisch verstand. Im Juni hat Hochuli die Matura abgeschlossen. Das Erlernen des Rätoromanischen sei dank dem Latein leichter gefallen. «Ich wollte Rätoromanisch lernen, weil mir die Sprachmelodie so gut gefällt und es hat wunderschöne Wörter.»

Die Entscheidung naht: Studium oder Landwirt


Nun sollte sich der junge Zivi langsam für ein Studium oder ­eine Lehre entscheiden. Wie er sagt, fällt ihm dies nach dem Sommer auf dem Bauernhof noch schwerer als vorher.

In Frage käme eine Lehre als Landschaftsgärtner oder Zimmermann, aber auch die Biolandwirtschaft interessiere ihn. «Vielleicht besuche ich die Landwirtschaftsschule, studieren kann ich immer noch später, wenn ich möchte», meint Hochuli, der

diesen Sommer die Faszination der Landwirtschaft für sich entdeckt hat.

Bei Regen die Tage mit Unterhaltsarbeiten gefüllt


Auf jeden Fall möchte er einen Beruf, bei dem man viel im Freien arbeiten kann. Der Appenzeller ist ein natürlicher Typ, und er liebt die Natur, schläft oft unter freiem Himmel und macht gerne Ausflüge. Während unseres Gesprächs ist er barfüssig, und man merkt, dass der junge Mann gerne die Erde unter sich spürt.


Während er von seinem Zivildiensteinsatz erzählt, überwiegen die positiven Erfahrungen bei Weitem. Nur das schlechte und regnerische Wetter hat des Öfteren die geplanten Einsätze verunmöglicht. «Ei ha fatg in’aura da piertg (das war ein Sauwetter)», meint Hochuli. Die Arbeit auf dem Bauernhof habe ihm trotzdem sehr gut gefallen. Seine Augen leuchten, wenn er vom Heuen und Tieretreiben auf der Alp erzählt.


Insgesamt sei dieser Zivil­dienst­einsatz eine super Zeit und eine gute Erfahrung gewesen. Jetzt kenne er die Region besser, sei interessanten Menschen begegnet und habe ein besseres Verständnis, wie die Landwirtschaft funktioniere. Der Zivi half auch das Dach der Maiensässhütte auszubessern und Wiesenränder zu entbuschen.

An Regentagen hat er Unterhaltsarbeiten im und um den Stall ausgeführt. Obwohl solche Arbeiten nicht im Programm des Zivildienstes vorgesehen sind, habe auch der Kontrolleur eingesehen, dass es diesen Sommer kaum andere Möglichkeiten gegeben habe.


Er suchte nach einem sinnvollen Einsatz

Jakob Hochuli entschied sich für den Zivildienst, weil der Militärdienst seiner Meinung nach keinen Sinn hat. Er hat sich somit für einen Weg entschieden, den noch viele junge Männer einschlagen. Im August hat die Vollzugsstelle für den Zivildienst (Zivi) nämlich einen Stand von rund 34 500 einsatzpflichtigen Zivis registriert. Gleichzeitig im Einsatz sind jeweils zwischen 4500 und 6500 Zivis.

Frauen werden pro Jahr im Durchschnitt nur zwei zugelassen. Aktuell ist eine Frau im Einsatz. Laut Zivi steigt der Bestand an Zivis immer noch, bis es mehr Abgänge als Zulassungen geben wird. Nach Einschätzungen werde um 2020 der Höchstbestand an Zivildienstleistenden erreicht werden. Ein Zivi muss anderthalbmal so viele Diensttage leisten, wie er Militärdienst leisten müsste. Die Anzahl der verfügten Zivildiensttage hängt also davon ab, ob ein Zivi bei der Zulassung bereits Militärdienst geleistet hat oder nicht.


Die Wahl zwischen acht Tägtigkeitsbereichen


Ein Zivi, der gar nie Militärdienst geleistet hat, muss 390 Zivildiensttage leisten. Der Zivildienst kennt acht Tätigkeitsbereiche. Ein Zivi bewirbt sich um seine Einsätze in den Einsatzbetrieben. Er kann seine Einsätze allerdings in maximal zwei Tätigkeitsbereichen leisten.


Laut Zivi wurden im letzten Jahr 443 Einsätze auf landwirtschaftlichen Betrieben geleistet. Für die Bauern eine gute Hilfe. Dies bestätigt auch Cadonau, bei dem Hochuli Zivildienst leistete. Der Bergbauer geniesst bereits seit einigen Jahren die Unterstützung Zivildienstleistender.

Mit Rastafrisur am Alphornspielen


«Zivis wählen ihren Einsatz und sind freiwillig hier, sie sind an der Landwirtschaft interessiert und leisten gute Arbeit», so Andreas Cadonau. Bei dem Bündner Bauern gehören die Zivis auch ein bisschen zur Familie, und einige kommen später manchmal zu Besuch.

Mit dem Appenzeller hat der Bauer eine freundschaftliche Beziehung und beschreibt den jungen Mann als angenehmen und lustigen Gesellen, der immer wieder für eine Überraschung gut sei. Und tatsächlich, in diesem Moment steht der junge Mann mit der Rastafrisur auf dem Balkon und spielt Alphorn, dass es eine wahre Freude ist.

Susi Rothmund