Hanna Stadler steht nicht gerne im Mittelpunkt. Lieber macht sie ihre Arbeit im Hintergrund, schaut zu Hof und Familie, kümmert sich um die Kälblein und greift dort zu, wo es nötig ist und wo sie gebraucht wird. Doch wenn es ums Öl geht, dann steht sie hinter den vielen verschiedenen Flaschen mit St. aller Öl am Wiler Wochenmarkt, berät die Kundschaft über den Anbau, die Verarbeitung und die Inhaltsstoffe der edlen Öle und weiss genau, wo welches Öl am besten zur Geltung kommt und welches für Herz und Kreislauf am besten ist.

In fünfter Generation

«Das Öl wurde zu einer Herzensangelegenheit», erzählt die 47-jährige Bäuerin, die zusammen mit ihrem Mann Zeno und den drei Kindern auf dem Hof Schweizerbund, nur ein paar Schritte vom Dreibrunnenkreisel, zwischen der Stadt Wil, Münchwilen und Bronschhofen lebt.

Vor mehr als 20 Jahren konnten sie den Hof von Zenos Eltern in fünfter Generation übernehmen. Sie betreiben Milchwirtschaft, Ackerbau und wenig Obstbau. Bereits die Schwiegermutter hatte einen kleinen Hofladen, Hanna Stadler machte es ihr gleich. Als gelernte Detailhandelsangestellte war es für sie selbstverständlich, den Hofladen mit Selbstbedienung mit eigenen Produkten fortzuführen.

Wunderbare Blüten

Solange die drei Kinder noch klein waren, war es dem Ehepaar wichtig, seine verschiedenen Standbeine von zu Hause aus zu bewerkstelligen. Ihr Mann sei ein Dienstleister, sagt Hanna Stadler und erzählt, dass er früher oft als Holzer und als Klauenpfleger unterwegs war. Vor zehn Jahren kam dann die St. Galler Saatzuchtgenossenschaft auf sie zu, weil sich diese vermehrt auf den Anbau von Nischenkulturen und deren Veredlung spezialisieren wollte.

Ölsaaten machen Freude

Stadlers waren sofort begeistert von der Idee, Mohn anzubauen. Zwei Jahre später kam Lein dazu, und vor fünf Jahren bauten sie zum ersten Mal Kürbis an, aus dessen Kerne ebenfalls Öl gewonnen wird. «Diese Ölsaaten machen uns einfach Freude», sagt die Bäuerin und strahlt. Zum einen sind es die wunderbaren Blüten, die uns und die Passanten Jahr für Jahr erfreuen, erzählt sie begeistert. So stoppen Autofahrer nicht selten, um die Blütenpracht der rot-violetten Mohnblumen entlang der Hauptstrasse zwischen Wil und Münchwilen zu bestaunen. «Aber auch das himmelblaue Blütenmeer des Leins begeistert uns Jahr für Jahr. Andererseits passen die Ölsaaten ideal in die Saatfolge und die Vegetationszeiten», sagt die Bäuerin weiter.

Mit der St. Galler Saatzuchtgenossenschaft haben Stadlers einen idealen Geschäftspartner gefunden, der ihnen den Erlös zu guten Konditionen abnimmt, die Saaten presst und sie einen Teil des fixfertigen Öls zurücknehmen und auf eigene Rechnung verkaufen können.

Verkauf ab Hof

«Mit dem Ölsaatenanbau wurde ich zur Marktfrau», sagt Hanna Stadler. Auch wenn sie selber nur Mohn-, Lein- und Kürbis anbauen, verkaufe sie das ganze Sortiment des St. Galler Öls. Also auch Raps-, Soja-, Walnuss-, Sonnenblumen-, Traubenkern- und Haselnussöl in verschieden grossen Glasflaschen oder auch in Geschenkpackungen.

So steht Hanna Stadler nun jeden Samstagmorgen in der Wiler Altstadt hinter dem Marktstand, berät die Kundschaft, lässt sie degustieren, packt die schönen Flaschen in durchsichtiges Papier und freut sich an jedem anregenden Gespräch. Selbstverständlich wird das Öl auch ab Hof verkauft.

Eine «Gluggere»

Zwischen den Markttagen liebt Hanna Stadler aber nach wie vor den ruhigen Alltag auf dem Hof. «Das Vielfältige in meinem Leben macht mir Freude», sagt sie. Seit die zwei älteren Kinder in der Lehre sind und das jüngste bereits in der Oberstufe, sind sie als Ehepaar wieder mehr zusammen, besprechen ihre Arbeitsgebiete, trinken mal einen Kaffee zwischendurch oder abends zusammen ein Glas Wein. Sie sei eine «Gluggere», sagt sie von sich und will sich gar nicht vorstellen, wie es dann mal sein wird, wenn alle weg sind. In der Zwischenzeit läuft aber noch alles wie gehabt.
Beim Bäuerinnenverein Bronschhofen-Trungen ist sie als Vorstandsmitglied für die Finanzen verantwortlich, mit der Stallvisite seien sie einer der 300 Bauernhöfe in der Schweiz, die ihre Stalltüren für Gäste öffnen würden, und wenn sie mal wieder Zeit für sich ganz alleine brauche, gehe sie gerne aufs Feld Blacken stechen. «Das ist Meditation pur.»

Ruth Bossert