In den vergangenen gut zwei Wochen starteten in der Region Zentralschweiz und Aargau rund 160 Jugendliche das erste Lehrjahr als Landwirt EFZ bzw. die zweijährige Attestausbildung EBA. Genaue Zahlen werden erst im Herbst erhoben.
Fribourgeois im Entlebuch
In den ersten Wochen gibt es erfahrungsgemäss noch einige Umplatzierungen, Lehrabbrüche und nach den ersten Schulstunden wird teils auch die Schulstufe klarer (EFZ oder EBA). Mit ein wenig Respekt schaut auch Jérôme Deillon dem Start am kommenden Dienstag am BBZN in Schüpfheim entgegen. Der 16-jährige Fribourgeois aus Vuisternens-devant-Romont ist ein Exot. Während noch immer eine stattliche Zahl Deutschschweizer, vor allem aus dem Bernbiet und solche mit dem Ziel Hochschule, eines oder mehrere Jahre in der Westschweiz absolvieren, teils sogar in extra deutschsprachigen Klassen (Grangeneuve), ist der umgekehrte Fall eine Rarität. Der Grund scheint klar. Auch Jérôme hatte fünf Jahre Deutschunterricht während seiner obligatorischen Schulzeit. Doch nun hört er die in seinen Ohren neue "Sprache" Schweizerdeutsch und versteht kaum ein Wort. Auf seinem Lehrbetrieb bei Pia und Anton Schmid in Schüpfheim hat man allerdings klare Vorstellungen, wie Jérôme möglichst viel profitieren kann. "Wir werden mit ihm nur Hochdeutsch reden", sagt Anton Schmid, der am Dienstag mit dem Romand bereits seinen 23. Lehrling begrüsste. Und am Anfang werde man sich notfalls auch mit Händen und Füssen zu verständigen wissen.
Unterstützung ist gross
Mehr Respekt als vor der täglichen Arbeit auf dem Betrieb hat auch der erfahrene Berufsbildner Schmid vor der Schule. Das Tempo werde hoch sein, weiss er. Allerdings habe man in Schüpfheim ein tolles Lehrerteam und dort wurde ihm versichert, dass Jérôme unterstützt werde und etwa bei Prüfungen auch mal eine Antwort auf Französisch formulieren dürfe. Zudem hat Milchproduzent Schmid bereits die Lehrmittel zusätzlich auf Französisch bestellt. "So kann er mal etwas nachlesen, sollte er es nicht verstehen." Und auf den Handys haben Chef und Stift eine App installiert, um rasch Wörter übersetzen zu können.
Am Mittwoch hatte der Schwinger ("nur zum Vergnügen") vom Schwingclub La Gruyère seinen ersten Arbeitstag. Etwas müde sei er, aber zufrieden, sagt er (noch) auf Französisch. Sein Vorgänger, der Sörenberger Michael Wicki, der Ende Woche sein Lehrjahr abschliessen wird, habe ihm viel gezeigt an diesem Tag. Für Familie Schmid ist es der erste Westschweizer. "Ich möchte, dass sich die Lehrlinge immer auch zu Hause fühlen", sagt Bäuerin Pia Schmid. Bei Jérôme wird man sich noch mehr Mühe geben. Bereits am Tag seiner Ankunft zeigte man ihm ein paar schöne Orte im Entlebuch und auch das Berufsbildungszentrum. Er werde wegen der Sprachbarriere sicher etwas mehr Zeit brauchen, um sich zu integrieren, ist man sich bewusst. Geplant ist, dass in den ersten Wochen andere 1.-Lehrjahr-Stifte aus der Umgebung auf den Betrieb Oberlindenbühl eingeladen werden. Die Sprache lernen und eine neue Region kennenlernen, das sind die Beweggründe für Jérômes Wahl. Wahrscheinlich werde er sogar in der Deutschschweiz bleiben für die weiteren Lehrjahre. Das Ganze nicht in der Absicht, die Fremdsprache später bei weiterführenden Schulen zu gebrauchen, sondern einfach für sich selber.
In zwei Stunden zu Hause
Seine Eltern führen einen grösseren Simmentaler-Zuchtbetrieb mit reichlich Sömmerungsgebiet. Der Betrieb werde wohl in einige Jahren von den drei Deillon-Brüdern gemeinsam geführt, sagt Jérôme. Mit seinem Deutschschweiz-Abenteuer tritt er damit in die Fussstapfen seines Vaters, der vor einigen Jahrzehnten die Schule in Pfäffikon besuchte. Damit er mobil ist, hat der Jungzüchter sein "Töffli" mit dabei. In der Freizeit wird er per Zug nach Hause reisen. "In zwei Stunden bin ich am Bahnhof Romont", hat er sich informiert. Keine Weltreise also.
aem